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Familie klagt: „Ärzte haben riesigen Tumor übersehen“

Lemgoer Familie wirft Klinikum Lemgo Behandlungsfehler vor – Rentner soll qualvoll gestorben sein

Erol Kamisli

Marianne Schaak und ihre Tochter Sonja besuchen das Grab ihres Mannes/Vaters Werner Schaak. - © Bernhard Preuss
Marianne Schaak und ihre Tochter Sonja besuchen das Grab ihres Mannes/Vaters Werner Schaak. (© Bernhard Preuss)

Lemgo. Wenn Sonja Schaak das Grab ihre Vaters besucht, kommen ihr beim Blick aufs benachbarte Klinikum Lemgo vor Wut die Tränen. Und sie frage sich, ob er noch leben würde, „wenn die Ärzte am Klinikum seine Schmerzen ernst genommen hätten.“

Vor fünf Jahren schon haben Sonja und Marianne Schaak (73) Klage beim Landgericht Detmold eingereicht, sie wollen die Umstände um den Tod des 73-jährigen Vaters und Ehemanns klären und verlangen neben einer Entschuldigung auch Schadensersatz sowie Schmerzensgeld in Höhe von knapp 54.000 Euro. Das Klinikum lehnt eine Stellungnahme ab und verweist auf das laufenden Verfahren.

Am 17. Januar 2010 meldete sich der Lemgoer Werner Schaak nachts mit schweren Bauchschmerzen in der Notaufnahme. Marianne Schaak: „Ich sagte der Ärztin, hoffentlich ist es kein Darmkrebs, den er 14 Jahre zuvor hatte.“ Die Ärztin habe das notiert, doch diese Notiz ist später aus der Patientenakte verschwunden. „Angeblich weiß die Klinik auch nicht mehr, welche Ärztin das war“, schimpft die Rentnerin am Grab ihre Mannes. Von dort sieht sie direkt auf das Klinikum Lemgo.

Nach zwei Tagen sei ihr Ehemann ohne Ultraschalluntersuchung oder Computertomografie (CT) entlassen worden. „Nachdem man ihn geröngt hatte, lautete die Diagnose Verstopfung“, erinnert sich Ehefrau Marianne. Bei der Entlassung habe der Stationsarzt dem Rentner Paraffinöl zum Abführen empfohlen – die Flasche stehe immer noch im Kühlschrank.

„Der Zustand meines Vaters wurde immer schlechter. Er hatte Schmerzen und fühlte sich schlapp, aber er traute sich nicht zurück ins Krankenhaus, weil man da ja nichts gefunden hatte und er nicht als Simulant gelten wollte“, erinnert sich die 47-jährige Sonja Schaak. Am 12. März konnte die Tochter das Leiden ihres Vaters nicht mehr mitansehen und brachte ihn wieder ins Klinikum Lemgo. Am folgenden Tag sei ein CT gemacht, die Aufnahmen hätten einen 2,5 Kilogramm schweren Tumor im Bauch gezeigt, der 15 mal 25 Zentimeter groß gewesen sei. „Diesen riesigen Tumor haben die Ärzte bei der ersten Einlieferung übersehen und während der anschließenden Operation konnten die Mediziner den Krebs nicht, wie üblich, großzügig herausschneiden, so dass wohl Tumorzellen zurückblieben“, fügt Schaak hinzu.

Zehn Tage später sei Werner Schaak in einem sehr schlechten Zustand entlassen worden. „Aus der riesigen OP-Narbe, die nicht verbunden war und auf der ein paar Pflaster klebten, trat Wundwasser aus“, erinnert sich Ehefrau Marianne Schaak. Er habe kaum stehen können und kein Essen bei sich behalten. In den folgenden Wochen und Monaten sei ihr Gatte zum Pflegefall geworden und immer wieder habe die Familie das Gespräch mit der Klinikleitung gesucht. „Dabei hat die Klinikleitung Fehler in der Behandlung meines Vaters eingestanden und großzügige Hilfe angeboten“, erklärt Sonja Schaak. Aber im Endeffekt sei nichts passiert, „wir wurden nur hingehalten“. Und nachdem Klage eingereicht worden sei, habe die Klinik jeglichen Kontakt abgebrochen.

Sechs Monate später musste Werner Schaak zur Kontrolle. Seine Tochter hatte einen Termin in der Uni-Klinik Essen vereinbart, weil die Familie kein Vertrauen mehr zu den hiesigen Ärzten hatte. „Es waren zwei neue Tumore da, die nicht mehr operiert werden konnten“, sagt Marianne Schaak. Ihr Mann sei durch die Hölle gegangen und habe fünf verschiedene Chemotherapien mitgemacht. Schaak: „Sie halfen aber nicht. Der ganze Bauch war voller Metastasen.“ Am 4. Januar 2011 besuchten Mutter und Tochter Werner Schaak. „Macht’s gut, ihr beiden!“, sagte er zum Abschied. Am nächsten Tag war er tot.

Noch zu Lebzeiten des 73-Jährigen hatte die Familie über eine Fachanwaltskanzlei aus Verl Klage gegen das Klinikum eingereicht. Rechtsanwältin Sandra Leßmann: „Der vom Gericht beauftragte Gutachter kritisiert, dass Werner Schaak nicht schon beim ersten Besuch im Krankenhaus mit Ultraschall oder CT untersucht wurde. Er hat den Behandlungsfehler bestätigt.“ Wie sich das frühzeitigere Erkennen des Tumors auf die Überlebenschancen des Patienten ausgewirkt hätte, könne der Gutachter nicht sagen, weil ja keine Bilder des Tumors existieren.

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