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Wie Lemgo vor 100 Jahren den Namen "Alte Hansestadt" erhielt

Ein Konflikt führt zum Hanse-Titel

Tobias Schneider

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Blick in die Geschichte: Marcel Oeben, Leiter des Stadtarchivs Lemgo, zeigt im Magazin einen Ordner mit historischen Unterlagen zur Namensverleihung „Alte Hansestadt" vor 100 Jahren. - © Tobias Schneider
Blick in die Geschichte: Marcel Oeben, Leiter des Stadtarchivs Lemgo, zeigt im Magazin einen Ordner mit historischen Unterlagen zur Namensverleihung „Alte Hansestadt" vor 100 Jahren. (© Tobias Schneider)

Lemgo. Seit 100 Jahren darf sich Lemgo offiziell „Alte Hansestadt" nennen. Der Titel wurde 1916 vom damaligen lippischen Fürsten Leopold IV. verliehen. Doch wie kam es eigentlich zu dieser Würdigung? Das fürstliche Geschenk habe vor allem politische Gründe gehabt, sagt Marcel Oeben, Leiter des Stadtarchivs. „In den Quellen findet sich kein einziger Hinweis darauf, dass Lemgo in dieser Zeit irgendetwas Besonderes zum Thema Hanse geleistet hätte."

Seinen Angaben zufolge ist die Verleihung zunächst einmal vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs zu sehen. „Der Fürst wollte sich der politischen Loyalität der Stadt versichern", so Oeben. Auch das Kaiserreich sollte in gutem Licht erscheinen: „Die Hanse war ein vermeintliches Vorbild an maritimer und machtpolitischer Größe in der Vergangenheit. Daran sollte das Deutsche Reich anknüpfen." Der Fürst habe ein damals beliebtes Thema aufgegriffen, das in einem historischen Rückgriff die deutsche Flottenpolitik rechtfertigen sollte.

Eine entscheidende Rolle könnte laut Oeben auch ein Konflikt zwischen dem lippischen Landesherrn und seiner Residenzstadt gespielt haben: Der Streit hatte sich entzündet, weil Detmold die Geldzuwendung eines Unternehmers verweigert hatte – sie war für Hinterbliebene von Soldaten gedacht.

Spender war der Unternehmer Walter Kellner. Er betrieb in Wuppertal-Barmen eine Maschinenfabrik, die seit Kriegsbeginn auf die Herstellung von Munition umgestellt worden war. „Kellner verfügte über gute Kontakte zum lippischen Fürsten", erläutert Oeben die Zusammenhänge.
Am 16. November 1915 zahlte der Unternehmer eine Summe von 1000 Reichsmark in die Stadtkasse Detmold ein. Die Geldspende wurde jedoch von den Politikern nicht wie erhofft gewürdigt. Im Gegenteil: Die Stadtverordnetenversammlung lehnte die Schenkung aus unbekannten Gründen in nichtöffentlicher Sitzung ab.

Walter Kellner ärgerte sich darüber sehr, wie aus seinem Antwortschreiben von Dezember 1915 hervorgeht. In scharfen Worten teilt er darin mit, dass ihn die Ablehnung der Spende durch die Stadt zutiefst beleidigt habe. „Die heftige Reaktion, deutet darauf hin, dass Kellner vermutete, man würde ihm Bestechung oder Beeinflussung der Kommunalpolitik unterstellen", ordnet Marcel Oeben ein.

Der Konflikt ging in die nächste Runde, als der Unternehmer einen Strafantrag wegen Beleidigung aus Detmold erhielt. „Wohl wegen der Wortwahl in seinem Brief", vermutet der Archivar.

Am lippischen Hof indes war man über die Spendenentscheidung ebenfalls verstimmt, wie die Quellen zeigen. So lehnte der Fürst zum Beispiel die sonst übliche Unterstützung von Bedürftigen aus Detmold mit der Begründung ab, die Stadt habe ja offenbar keine Gelder mehr nötig.

Vor diesem Hintergrund kam Anfang 1916 der Vorschlag auf, Lemgo mit dem Titel „Alte Hansestadt" zu ehren – möglicherweise, um die Detmolder zu ärgern. Denn beide Städte waren sich nicht immer ganz grün, wie Oeben erklärt. Bald wurde die Titelverleihung mit einer Urkunde besiegelt. Der Konflikt zwischen Landesherr, Residenzstadt und Unternehmer war inzwischen beigelegt worden.

Die beglaubigten Abschriften zur Verleihung erhielt die „Alte Hansestadt" erst nach Kriegsende 1919. Unklar ist, ob Lemgo oder das Staatsministerium dies veranlassten, so Oeben. „Vielleicht gaben die unruhigen Zeiten der Revolution und des Staatsumbaus Anlass zur Beunruhigung, so dass man sicherheitshalber noch mal alle Schriftstücke beisammen haben wollte."

Paula erklärt's: Was ist die Hanse?

Achte doch einmal darauf, wenn du mit Mama oder Papa im Auto sitzt, was auf den gelben Ortsschildern rund um Lemgo steht: Da ist von einer alten Hansestadt die Rede. Alt deshalb, weil es die Hanse schon seit langem nicht mehr gibt. Aber vor ganz vielen Jahren gehörte Lemgo dazu. Doch was war das, die Hanse?

Stell dir vor: Es war zu einer Zeit, in der die Eisenbahn noch lange nicht erfunden war. Auch Lastwagen gab es noch nicht. Trotzdem gab es Dinge zu kaufen, die aus fernen Städten hergebracht werden mussten. Und damit ließ sich gutes Geld verdienen. Wichtig war neben dem Transport auf dem Land vor allem der mit Schiffen, da passte ja viel drauf.

Wären da nicht die Piraten gewesen... Einen von ihnen kennt ihr bestimmt: Klaus Störtebeker. Er und viele andere räuberten die Schiffe der Händler aus, die ihre Sachen in anderen Städten verkaufen wollten. Doch nicht nur Seeräuber können sich verbünden. Gemeinsam ist man stark, das haben sich damals auch die Händler gesagt und gründeten die Hanse.

Wie in einem Sportverein, in dem auch alle zusammen halten, schickte die Hanse gemeinsam Schiffe los und garantierte ihren Schutz. Je weniger Überfälle es gab, desto mehr ließ sich mit dem Handel verdienen. Das haben damals auch Kaufleute aus Lemgo erkannt, die sich der Hanse anschlossen. Denn auch hier gab es Diebe.

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