Lemgo. Einige mögen nur blaues Essen. Andere reagieren extrem empfindlich auf Licht. Und fast alle Betroffenen haben Probleme im Umgang mit anderen Menschen: Autismus ist eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die sich auf vielfältige Weise bemerkbar machen kann. Wer Rat und Hilfe zum Thema sucht, hat in Lemgo nun eine neue Anlaufstelle.
Der Bielefelder Regionalverband „autismus Ostwestfalen-Lippe" hat im Sommer ein Autismus-Therapie-Zentrum auf dem Gelände der Stiftung Eben-Ezer eröffnet, sein einziges im Kreis Lippe. Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit einer sogenannten Autismus-Spektrum-Störung werden dort therapeutisch begleitet, ihre Familien beraten und unterstützt. „Es geht darum, Perspektiven für Menschen mit Autismus zu entwickeln", erklärt Dr. Niels Hamel, fachlicher Leiter des Autismus-Therapie-Zentrums Bielefeld und damit auch für die Lemgoer Zweigstelle verantwortlich. „Ziel ist es, Betroffenen ein selbstbestimmtes Leben und einen stabilen Alltag zu ermöglichen."
Im Lemgoer Autismus-Therapie-Zentrum sind zwei Fachkräfte im Einsatz. Sie betreuen bisher fünf Klienten im Alter von sechs bis 15 Jahren. So vielfältig deren soziale Probleme sind, so vielfältig sind auch die therapeutischen Ansätze der Experten: Bei Jugendlichen und Erwachsenen wählt das Team häufig Gespräche, wie Hamel erklärt. Bei Kindern mit Autismus setzten sie eher auf gemeinsames Spielen, Kochen und Basteln. „Wo steht der Betroffene? Wie ist es um seine Wahrnehmung und Kommunikation bestellt? Wann macht er die größten Lernfortschritte? An diesen Fragen orientieren wir uns", erklärt der Musiktherapeut.
„Die Chemie muss stimmen", ergänzt die Heilpädagogin Christina Eickmeier. Der Kontakt zu anderen Menschen sei für Autisten oft sehr schwierig. Deshalb sei es wichtig, in der Sitzung eine stabile Beziehung zu ihnen aufzubauen. „Das gibt Sicherheit." Die Fachleute nehmen nicht nur die Betroffenen, sondern auch deren Familien und Freunde sowie Schulen und Arbeitgeber in den Blick. „Autismus bedeutet, von Geburt an eine andere Wahrnehmung zu haben – und zwar ein Leben lang", sagt Eickmeier. „Darüber muss sich das Umfeld im Klaren sein." Der gesellschaftliche Umgang mit der Störung hat sich nach Ansicht der Experten zum Positiven gewandelt. Vor einigen Jahrzehnten zum Beispiel habe man oft die Gefühlskälte der Eltern als Ursache für Autismus angenommen. „Heute gehen die Fachleute davon aus, dass die Störung genetisch bedingt ist", sagt Hamel.
Auch sonst ständen die Menschen dem Thema viel aufgeschlossener gegenüber als früher. Grund hierfür sei etwa das Internet, das den Zugang zu Informationen erleichtere. Auch Filme wie „Rain Man" mit Dustin Hoffman hätten das Image verbessert. Und natürlich bewirke der Inklusionsgedanke viel: „Die Menschen schauen genauer hin und haben mehr Verständnis – das ist gut!"