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Mietmarkt in Lemgo ist stabil - Spiegelberg bleibt "Top-Lage"

Till Brand

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Platz für Neues: An der Händelstraße sind über den Winter die Bagger angerückt. Die Wohnbau hat gleich zwei Blocks abgerissen, um im Frühjahr mit dem Bau eines neuen Gebäudes zu starten. - © Till Brand
Platz für Neues: An der Händelstraße sind über den Winter die Bagger angerückt. Die Wohnbau hat gleich zwei Blocks abgerissen, um im Frühjahr mit dem Bau eines neuen Gebäudes zu starten. (© Till Brand)

Lemgo. Der Markt für Sozialwohnungen ist in der alten Hansestadt entspannt wie in kaum einer anderen Kommune. Zu diesem Ergebnis kommt die NRW-Bank in einer gerade vorgestellten Analyse. Das Recht, in eine Wohnung mit Berechtigungsschein zu ziehen, hätte nach Angaben der Wohnbau, dem größten Vermieter im Kreis Lippe, sogar jeder zweite Lemgoer. Dafür reicht die Zahl der Unterkünfte, die bei der Miete streng gedeckelt sind, jedoch nicht.

Wie funktioniert sozialer Wohnungsbau? Investoren erhalten günstige Darlehen vom Staat - derzeit liegen die Zinssätze da zwischen einem halben und null Prozent, je nach Situation in der Kommune. Einen Teil des Geldes können die Bauherren als Zuschuss einstreichen. Solange das Darlehen läuft und in einer gewissen Übergangsphase danach gelten die im Gegenzug festgelegten Mietobergrenzen. Für die Lemgoer sind dies 4,65 Euro kalt pro Quadratmeter.

Wer darf einziehen? Die Förderung gibt es, weil die Sozialwohnungen Menschen vorbehalten sind, die Einkommensgrenzen unterschreiten: Bei Singles sind es 29.000 Euro, bei einer Familie mit vier Kindern aber schon 70.000 Euro, rechnet Bau-Geschäftsbereichsleiter Markus Baier vor. Nach Ansicht von Wohnbau-Geschäftsführer Thorsten Kleinebekel ist damit "die Mitte der Gesellschaft" berührt.

Wie steht der soziale Wohnungsbau in Lemgo da? Vergleichsweise entspannt - das bestätigt nach Aussagen von Markus Baier die NRW-Bank in ihrem Gutachten. Rekordverdächtig niedrig im NRW-weiten Vergleich ist vor allem eine Zahl: Auf 100 existierende, aber natürlich größtenteils vermietete Sozialwohnungen kommen in Lemgo gerade einmal zwei Interessenten, die akut eine Sozialwohnung suchen. Zum Vergleich: In Kalletal sind es acht, in Salzuflen zen, in Lage elf und in Detmold zwölf.

Wie viele Wohnungen gibt es? Auffällig viele, was sogar die Wohnbau als Großvermieter überrascht: 1274 Wohnungen in Lemgo sind bei der Kaltmiete so auf 4,65 Euro gedeckelt. Das ist ein stolzer Anteil von knapp sieben Prozent an allen Haushalten, bei den Geschosswohnungen laut Baier sogar mehr als 15 Prozent. Auch dazu der Vergleich: Bad Salzuflen kommt laut Baier auf weniger als fünf, landesweit sind es etwa zehn Prozent. Die Wohnbau hat noch 300 Sozialwohnungen in ihrer Genossenschaft: Das Gros am Markt dürfte somit in privater Hand liegen, meint Kleinebekel.

Wie erklärt sich der hohe Bestand? Für Tobias Krumsiek vom Lemgoer Immobilienzentrum der OWL Immobilien GmbH, einer Tochter der Volksbank Paderborn-Höxter-Detmold, muss man dafür in die Historie schauen: "Lemgo ist seit längerer Zeit ein interessanter Markt für Immobilieninvestoren." Das war bereits so, als die Zinsen höher waren, es also attraktiv war, öffentliche Förderung zu nutzen, um Zinsen zu sparen. Entsprechend sieht Wohnbau-Chef Kleinebekel eine Boomphase in den 90er-Jahren, aus der zahlreiche der Sozialbauten stammen. Dazu kommt für den Geschäftsführer der OWL-Immobilien-GmbH Andreas Nowak: Lemgo ist Studentenstadt. Und Studenten haben im Grunde fast alle die Chance auf Wohnberechtigungsscheine - die Nachfrage stimmt also.

Wie ist die Entwicklung? Negativ - der Bestand an Sozialwohnungen sinkt. Dazu trägt nach Worten von Sparkassensprecher Christoph Vieregge bei, dass sich "öffentliche Darlehen von den Darlehen bei Banken aktuell nur sehr gering im Zinssatz unterscheiden". Vielen Investoren wollen da nicht mehr die bürokratischen Hürden und Fristen zur Mietpreisbindung in Kauf nehmen, die nach Ansicht von Kleinebekel teils enorm sind. Des Weiteren, so rechnet der Wohnbau-Chef vor, sei für die maximal 4,65 Euro Erstbezugsmiete kein Hausbau zu finanzieren. Das Fazit: Auch in Lemgo gehen jedes Jahr etwa zwei Prozent Sozialwohnungen verloren. "Die Tendenz ist jedoch weitaus schwächer als landesweit", resümiert Baier. Vieregge bestätigt: Die Nachfrage in Sachen Bau oder Kauf von Sozialwohnungen sei eher schwach ausgeprägt.

Welcher Herausforderung muss sich Lemgo stellen? Der Stagnation im besonders preisgünstigen Wohnungssegment, meint Markus Baier. Der teurere Neubau dagegen boomt. Ausnahmen bestätigen die Regel: Etwa wenn die Wohnbau an der Nordstraße in Brake einen Block saniert und die Kaltmiete anschließend trotzdem bei nur 3,90 bis 4,50 Euro liegt. Ziel muss es nach Angaben von Kleinebekel sein, auch mal ältere Häuser abzureißen, um sie durch barrierefreie und energetisch moderne zu ersetzen.

Für Andreas Nowak spielt unter anderem ob der Zuzüge aus dem ländlichen Raum (Nordlippe...) Nachverdichtung in Baulücken eine Rolle: "Das ist ein wichtiger Punkt in der Innenstadt." Diese sehen unter anderem auch die Grünen als wunden Punkt, erinnert Fraktionschef Dr. Burkhard Pohl, dessen Fraktion 2015 eine städtische Wohnraumanalyse ins Rollen brachte. Für Vieregge ist klar: Die Nachfrage bleibt hoch, da Renten sinken und es mehr Singlehaushalte gibt.

Der Spiegelberg bleibt "gefühlte Top-Lage"
Der soziale Wohnungsbau schrumpft. Doch ohne den Blick auf den regulären Mietmarkt ist das nur die halbe Wahrheit, meinen die Experten. Denn: Wer sich in Lemgo mit einer älteren Wohnung zufrieden gibt, kann sogar unter der Mietschranke von derzeit 4,65 Euro für öffentlich geförderte Wohnungen landen, sagt Bau-Geschäftsbereichsleiter Markus Baier.

Die freien Mieten rangieren nach seinen Angaben zwischen vier und 5,50 Euro. Im gehobenen Neubau geht es allerdings schnell hoch auf durchaus schon mal acht Euro. Jedoch sind dann nach Einschätzung von Wohnbau-Geschäftsführer Thorsten Kleinebekel auch die Einsparungen bei den Energiekosten entsprechend höher.

Das ist auch die Strategie der Genossenschaft für das Musikerviertel in diesem Jahr. Über den Winter sind an der Händelstraße zwei alte Wohnblocks abgerissen worden - mit 24 Wohnungen. 17 neue werden dort entstehen, sobald das Wetter offen ist. Insgesamt rechnet die Genossenschaft als größter Vermieter im Kreis Lippe so mit Investitionen von 5,5 Millionen Euro 2017: das Gros (5,2 Millionen) für Neubauten in Lemgo - an der Händelstraße und an der Mozartstraße, wo auf dem ehemaligen Spielplatz, den die Stadt verkauft hat, ein Acht-Parteien-Haus entsteht.

Das passt ins Bild, das auch Christoph Vieregge, Sprecher der Sparkasse Lemgo, zeichnet: "Neubau zur Vermietung ist momentan sehr interessant." Das Geld bringe anderswo nicht wirklich Rendite, zudem seien die günstigen Finanzierungen ein Anreiz.

Tobias Krumsiek vom Lemgoer Immobilienzentrum der Volksbank ergänzt: "Der Kapitalmarkt öffnet vielen die Tür." Nicht nur bei Mietshäusern als Geldanlageobjekt sei die Nachfrage hoch - das klassische Einfamilienhaus sei ebenfalls ein Riesentrend, und zwar ein ungebrochener. Allerdings spiele sich dieser in Lemgo vorwiegend in Baulücken ab. In Kirchheide, dem letzten größeren Neubaugebiet, sei inzwischen das letzte Areal bei der Beurkundung.

Ab 120 Euro sind Grundstücke in Lemgo zu haben - bei Ausreißern nach oben und unten. Aber auch 220 Euro sind keine Seltenheit mehr, so etwa auch im Bereich Lamberg. "Allerdings löst dieser den Spiegelberg als gefühlte Lemgoer Top-Lage nicht ab", ist Tobias Krumsiek überzeugt.

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