Mit Video: Hausschlachter Ingo Rhiemeier zeigt den Weg vom Tier bis zur Wurst

Lemgo-Rhiene. Montags ist Schlachttag. Durchschnittlich sind es zwölf Schweine, die Ingo Rhiemeier wöchentlich in Rhiene für die eigene Fleischproduktion verarbeitet und damit hat er alle Hände voll zu tun. LZ-Mitarbeiterin Tanja Watermann hat sich den Weg eines Schweins von der Anlieferung und Schlachtung bis hin zur typisch lippischen Kohlwurst angeschaut.

So richtig weiß ich nicht, was mich am frühen Montagmorgen erwartet, als ich bei der Hausschlachterei von Ingo Rhiemeier ankomme. Da ich auf dem Land groß geworden bin, war ich dabei, als mein Vater unsere Hühner geschlachtet hat. Wenn ich an Schlachtungen im Jahr 2017 denke, tauchen jedoch Bilder aus Massentierhaltungen aus den Medien auf, in denen mehrere Schweine zugleich mit einem Fahrstuhl in eine Begasungsanlage herabgelassen werden. Später sieht man Hunderte Schweinehälften, die in Fleischfabriken am Fließband verarbeitet werden. Ein Großbetrieb schlachtet Zehntausende Schweine am Tag.

Hier bei Ingo Rhiemeier sind es heute 16 Tiere, die draußen auf dem Hof in einem Laufstall vor der Tür zum Schlachtraum warten. Heute Morgen haben sie noch im Stroh gewühlt, jetzt liegen sie entspannt hier. Ingo Rhiemeier ist komplett in Weiß gekleidet, als er mit der 220-Volt-Zange zur Betäubung wartet. Das Schwein wird durch die Tür vom Auslauf in den Schlachtraum geführt. Mitarbeiter Albertas Kozlovas hat ihm dazu noch einmal ermunternd auf den Schinken geklopft.

Schon setzt Rhiemeier die Zange an den Schläfen des großen Schweines an, und dieses ist sofort betäubt. Ich bin überrascht, denn es gab kein Quieken des Tieres, keine Panik in den Augen, wie ich es erwartet hätte. Nach etwa 30 Sekunden löst Rhiemeier die Stromzange, und das betäubte Schwein sinkt zu Boden. Eine Kette wird am Bein befestigt, und das 180 Kilo schwere Tier wird mit einem Flaschenzug hochgezogen. Sofort setzt der Hausschlachter das Messer an der Halsschlagader an, und das Blut fließt in einem Schwall in einen Eimer.

Etwa fünf Sekunden dauert es, bis die ersten vier von sechs Litern Blut geflossen sind, die Rhiemeier zur Produktion der Blutwurst auffängt. Das Schwein zuckt leicht mit einem Bein, doch man sieht, dass es nur Nervenbewegungen sind, während das Leben aus dem Tier entweicht. Ich nehme den Geruch des frischen, warmen Blutes wahr. Der Vorgang des Tötens hat mich berührt, doch ich bin erleichtert, dass das Tier keinen Todeskampf geführt hat und bis zur letzten Sekunde offenbar ruhig war.

Rhiemeier sagt, dass die Schlachtung immer so abläuft: &bdquo;Sobald die Schweine gestresst sind, würde es sich negativ auf das Fleisch auswirken. Für uns sind die Tiere keine Sache, sondern wir sehen sie als Lebewesen. Bis zur letzten Sekunde", so der Hausschlachter, der seinen Betrieb im Jahr 2000 neu gegründet hat.

In der Kratzmaschine entfernen Gummiwalzen und 64 Grad warmes Wasser nun die Borsten, und danach wird das Schwein in zwei Hälften zerlegt. Dienstags beginnt die Zerlegung in Filets, Schinken, Speck und Koteletts. Als ich am Donnerstagmorgen um 6 Uhr den Produktionsraum betrete, riecht es aus den drei großen Kesseln schon nach frisch gebrühter Bratwurst, während der Fleischwolf frisches Gehacktes produziert.

Rhiemeier beginnt morgens um 4 Uhr mit der Produktion der Fleischspezialitäten. Insbesondere die lippische Kohlwurst ist beliebt, die ebenso wie das Frischfleisch dann freitags und samstags im eigenen Hofladen verkauft wird. &bdquo;Hier, probieren Sie mal", bietet der Hausschlachter mir ein Stück der frisch gebrühten Bratwurst an, und sie schmeckt so kurz nach dem Aufstehen gut. Bis auf die Klauen, die Drüsen und Gedärme wird alles von den Schweinen, bei deren Schlachtung ich am Montag dabei war, verwertet.

Kommentar : "Ein Blick aufs Etikett hilft" von Tanja Watermann Wer Fleisch essen will, sollte sich jederzeit bewusst machen, dass dafür ein Tier sterben muss. Wie würdig es vorher gelebt hat und wie es geschlachtet wird, haben wir als Verbraucher durch unser Einkaufsverhalten selbst in der Hand.

Als Selbstschutz blenden die meisten Fleischesser jedoch all das aus, was passiert, ehe das abgepackte billige Grillfleisch beim Discounter in der Theke liegt. Über Details in Massentierhaltungsbetrieben möchten wir alle kaum etwas wissen. Verbraucher würden sicherlich umdenken, gäbe es gläserne Aufzuchtbetriebe und ebensolche Schlachtereien.

Heute kostet ein Kilogramm frischer Schweinebraten oft weniger als dasselbe Kilo Dosen-Hundefutter. Fürs Grillen mit Freunden werden mehr Steaks und Würstchen gekauft, als die Gäste je essen könnten. Nach dem Motto: Das kostet ja nichts, jeder soll die beste Auswahl haben. Der Rest wandert dann einfach in die Biotonne.

Auch ich esse gerne Fleisch, aber selektiv und selten. In der Hausschlachterei von Ingo Rhiemeier bei der Tötung und Fleischverarbeitung eines Schweines dabei gewesen sein zu können, hat das Bewusstsein für das Fleischessen weiter verschärft. Gut wäre, wenn mehr Menschen Mut fassten und tiefer hinter die Kulissen der Fleischproduktion schauten.

Doch auch bewusstes Einkaufen hilft. Schon der Blick auf das Etikett und die Auswahl heimischer Erzeugnisse kann Tieren aus anderen EU-Ländern lange Transporte auf dem Weg zum Schlachthof ersparen.

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