Dieser Bayer bringt traditionelle irische Musik nach Lemgo

Lemgo. In Windeseile fliegen die Finger über den Hals seiner Geige. Er entlockt ihr verschnörkelte Töne, die an grüne Felder und endlose Klippen erinnern, vor allem aber von Emotionen erzählen. "Musik ist die Sprache der Gefühle", sagt Michael Neumaier. Man könne damit überall auf der Welt kommunizieren. "Beim Reisen reicht es eigentlich, wenn man Musik im Gepäck hat." Das will der 37-Jährige auch anderen zeigen und gibt unter anderem an der Lemgoer Volkshochschule Kurse für die Irish Fiddle.

Mit der Musik im Gepäck ist Michael Neumaier auch vor ein paar Jahren in Lemgo angekommen. Eigentlich kommt der staatlich geprüfte Lebensmitteltechniker aus Regensburg. "Ein Bayer, mit einem Hang zu Buddhismus, der irische Musik spielt - das ist schon eine etwas ungewöhnliche Mischung", sagt Neumaier. An den Wänden in seiner Wohnung hängen zahlreiche Schwarzweißfotos von Musikern, die mit ihren Instrumenten posieren, an einer anderen Wand hängen zwei Violinen, eine dritte liegt im offenen Koffer, bereit um gespielt zu werden. "Das ist eigentlich mein Traum: mit zwei Koffern und zwei Geigen die Welt zu erkunden." Die letzte Station hat ihn nach Lemgo gebracht. An der TH OWL studiert Michael Neumaier nun Getränketechnologie.

Reiz liegt im freien Spiel "Ich war schon immer ein neugieriger Mensch und habe mich für verschiedene Kulturen interessiert." Und für die Musik. Im Alter von sechs Jahren fing Michael Neumaier an, Violine zu lernen - "zunächst klassisch". Darin fand er sich aber nicht wieder, suchte sich Herausforderungen in Gipsy- und Klezmermusik. Mit 17 fand er seine Liebe für die irische "Trad Music", also die traditionellen Klänge der grünen Insel. Zu diesem Genre gehören Dudelsack, Flöten, Bodhrán, eine irische Trommel, und insbesondere die Fiddle.Der Name steht für die irische Spielweise der Geige.

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"Das Besondere an dieser Musik liegt da drin, dass sie ohne Noten funktioniert. Es geht um das freie Spiel", erklärt Neumaier. Genau das mache für ihn den Reiz aus. So traute er sich in einem Irish Pub in seiner Heimatstadt Regensburg erstmals auf die Bühne. "Dort fand einmal im Monat eine irische Session statt, ich habe dann einfach mitgespielt." Daraus ergab sich eine anhaltende Leidenschaft. Jährliche Urlaube in Irland, in denen Neumaier durch das Land reist und immer neue Musiker kennenlernt gehören dazu, genauso wie die Workshops, die er seit rund zwölf Jahren gibt. Der nächste steht etwa am Samstag, 25. Mai, an der Lemgoer Volkshochschule als intensiver Tageskurs an.

Michael Neumaier gibt auch Einzelunterricht, in Person oder via Skype. So gut das eben geht. "Das Problem liegt meistens in der Übertragungsrate, das macht das Zusammenspiel schwer", sagt er. Eine ausgeprägte klassische Ausbildung brauche man nicht, um ein guter Musiker an der Fiddle zu werden. "Die alten Iren konnten auch nicht klassisch spielen. Genau aus den Fehlern, die sie gemacht haben, ist der besondere Stil geworden." Denn gerade in dieser Weltmusik stehe an erster Stelle, zu berühren. "Mich hat in Irland ein alt eingesessener Musiker bei einer Session gefragt, aus welchem Grund ich als Deutscher irische Musik spielen würde." Der Ire könne schließlich eine lange Familientradition vorweisen. Neumaier antwortete schlicht: "Aus Liebe."

Musik ist purer Gefühlsaustausch Denn gute Musik habe nichts mit Nationalität zu tun. "So ist es auch in anderen Richtungen. Der Jazz etwa kommt aus den USA, die besten Musiker in dem Bereich leben aber mittlerweile in Europa." Auf den irischen Sessions, den offenen Musikabenden, kann es also ziemlich international zugehen. "Am liebsten mag ich die kleineren Sessions, die in Küchen stattfinden." Schließlich komme es darauf an, eine echte Verbindung zwischen den Musikern herstellen zu können, keine mit Angst geladene Atmosphäre. "Das ist wie beim Sex. Wenn alles stimmt, gibt es diese Momente, in denen scheinbar die Zeit stehen bleibt."

Musik sei für Neumaier purer Gefühlsaustausch. "Freude, Erregung, Trauer, Melancholie aber auch Zorn können sich da wiederfinden." Am Ende fange Musik da an, "wo die Sprache aufhört." Vorstellen kann man sich das wie in der bekannten Party-Szene aus dem Oscar prämierten Film Titanic (1997). Dort tanzen die Protagonisten Rose und Jack gemeinsam mit den anderen Passagieren der dritten Klasse zu den wilden Klängen einer Irish-Trad-Session.

Zur Zeit muss Michael Neumaier bis Hannover oder Münster fahren, um bei einer Session mitzuspielen. Denn Gleichgesinnte zu finden, ist gar nicht so einfach. Laut Neumaiers Schätzung gibt es in ganz Deutschland zur Zeit maximal 500. Er sucht daher Musiker in der Region Lemgo oder Detmold, die sich ebenfalls für Irish Trad interessieren. Wer sich angesprochen fühlt, kann sich per Mail an mich@fiddlemusic.de melden.

Auf die Bühne geht es für Neumaier das nächste Mal am Montag, 6. Mai. In der "Weiten Welt" in Lemgo spielt er dort ab 20 Uhr zusammen mit Brian Haitz unter dem Bandnamen "The Tradtravellers" traditionelle irische Musik auf Fiddle, Flöte und Gitarre.

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