Kfz-Zulieferer Isringhausen kündigt Tarifvertrag für fast 2000 Mitarbeiter

Lemgo. Neun von zehn Mitarbeiter des großen Lemgoer Kfz-Zulieferers ISRI (Isringhausen) sind nach Unternehmensangaben in Kurzarbeit. Zwei Wochen ohne Aufgabe, dafür mit Lohneinbußen liegen hinter, mindestens zwei noch vor ihnen. Denn die Bänder stehen still.

Mitten in die Coronavirus-Krise, die die komplette Automobil-Branche heftig erfasst hat, platzt in Lemgo eine Hiobsbotschaft: ISRI kündigt zur Jahresmitte den Anerkennungstarifvertrag, möchte so künftige Lohnsteigerungen abwenden. Die IG Metall verspricht heftigen Widerstand – nach Ende der Friedenspflicht seien ab Juli sogar längere Streiks denkbar, sagt der Detmolder Gewerkschaftsfunktionär Erich Koch.

Mit insgesamt 1.822 Mitarbeitern ist ISRI der größte Arbeitgeber in Lemgo und Teil der AUNDE-Gruppe mit Sitz in Mönchengladbach. Die aktuelle Coronavirus-Krise habe zu &bdquo;einer dramatischen Verschärfung der wirtschaftlichen Situation geführt", teilt das Unternehmen auf LZ-Anfrage mit. Allerdings machten unabhängig von der Virus-Pandemie die &bdquo;stetig steigenden Personalkosten schon lange große Sorgen".

IG Metall übt scharfe Kritik Als im Frühjahr 2019 der Ergänzungstarifvertrag mit dem Titel Zukunftssicherung ausgehandelt wurde, sei es nicht gelungen, &bdquo;die IG Metall zu überzeugen, dass ein Verzicht auf künftige Lohnsteigerungen notwendig ist, um den Standort Lemgo auf Dauer zu erhalten". Mit der am vergangenen Montag erfolgten Kündigung des sogenannten Anerkennungstarifvertrags zieht ISRI quasi die Reißleine, &bdquo;um weitere Kostensteigerungen zu vermeiden".

Ende Juni läuft der Vertrag also aus. Nach Worten von Erich Koch, dem lippischen IG-Metall-Chef, sei das das &bdquo;komplette Ende jeglicher Sozialpartnerschaft". Das Unternehmen sei nicht tarifgebunden, übernehme aber per Anerkennungstarifvertrag die von Gewerkschaft und Arbeitgeberverband erzielten Abschlüsse. Diese seien zuletzt durchaus moderat in Anbetracht der aktuellen wirtschaftlichen Situation ausgefallen, wie das Unternehmen einräumt.

Schritt für Schritt wolle sich ISRI von Abmachungen zu Lohn, Arbeitszeit, Altersteilzeit, Urlaub, Übernahme von Azubis und etwa Weihnachtsgeld verabschieden, so der Vorwurf der IG Metall. Denn: Gelte auch für bereits beschäftigte ISRI-Mitarbeiter der Vertrag weiter (sie verlören &bdquo;nur" künftige Lohnsteigerungen), fänden Neueinstellungen außerhalb des Abkommens statt. &bdquo;Ein Skandal", schimpft Erich Koch. &bdquo;ISRI will die Beschäftigten zur Kasse bitten."

Bedenklich findet Koch das insbesondere angesichts zahlreicher befristeter Arbeitsverträge. Laut Ergänzungstarifvertrag von 2019 müssten diese in reguläre Jobs umgewandelt werden, pocht der Erste Bevollmächtigte der IG Metall auf Einhaltung des 2019er Papiers. Darin heißt es, ISRI verpflichte sich, die Zahl der Zeitverträge zu reduzieren, bis mindestens 1.600 unbefristete Jobs gegeben seien. Eine Zahl, die nach Worten von Betriebsratsvorsitzender Ilona Witt noch nicht erreicht sei.

Im Gegenzug hätten die Mitarbeiter 2019 ihre &bdquo;Solidarität" unter Beweis gestellt. Der Zukunftspakt von 2019 sah vor, dass statt 35 künftig 37,5 Stunden pro Woche gearbeitet wird – ohne Lohnplus. Zudem verzichten die ISRI-Mitarbeiter für drei Jahre auf das in der Branche vereinbarte Zusatzgeld von je 400 Euro.

Noch keine Pläne für Personalreduzierung Dazu ISRI: &bdquo;Die Geschäftsleitung durfte davon ausgehen, dass es einen erheblichen Bedarf für den Abruf der zusätzlichen Arbeitszeit geben würde. Gewerkschaft und Arbeitgeber waren von dem Wunsch getragen, die Profitabilität mit der zusätzlichen Arbeitszeit zu erhöhen. Die jüngsten Entwicklungen haben dies leider verhindert."

IG-Metall-Boss Erich Koch: &bdquo;ISRI hat 2019 bekommen, was es wollte." Dazu habe die Belegschaft das Unternehmen über Jahre mit Überstunden, Schichtarbeit und Sechs-Tage-Woche stark gemacht. Weniger als ein Jahr nach dem &bdquo;Zukunftspakt" Einschnitte anzukündigen, sei &bdquo;ein Skandal", erst recht in der Coronavirus-Krise, findet die Betriebsratsvorsitzende Ilona Witt.

Ab Juli könnte es ungemütlich werden am Isringhausen-Ring. Laut IG-Metall-Mann Koch wolle man &bdquo;alle tarifrechtlichen Mittel nutzen", sobald die Friedenspflicht mit Ende des Tarifvertrags ende. Das heißt für den Funktionär im Zweifelsfall auch: längere Streiks in den Werken Grevenmarsch und Lieme.

Das Unternehmen dagegen verweist gegenüber der LZ auf sein Angebot, mit der IG Metall &bdquo;Gespräche über die künftige Gestaltung der Arbeitsbedingungen" zu führen. Und weiter: &bdquo;Der Standort Lemgo kann angesichts der internationalen Wettbewerbssituation in der Automobilzuliefererindustrie nur bestehen, wenn die Lohnkosten nicht noch weiter steigen."

Pläne für eine Personalreduzierung gebe es momentan nicht. &bdquo;Die aktuelle Situation zwingt uns allerdings dazu, die Entwicklung in kurzen Zeitabständen immer wieder neu zu bewerten", so ISRI.

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