Als der Schlachter noch nach Hause kam

Lemgo-Leese. Ernst Wentker hat im Winter 1949/50 seine Ausbildung in einem Beruf begonnen, den wohl kaum noch jemand kennt. Der heute 86-Jährige war jahrzehntelang als Hausschlachter selbstständig und etwa sechs Monate im Jahr unterwegs, um in der Gegend rund um Leese direkt an oder in den Häusern der Familien die bis dahin auf rund 150 Kilo gemästeten Schweine zu schlachten. Im Juni erhielt Ernst Wentker seinen Diamantenen Meisterbrief. Im Gespräch erzählt er von seinem inzwischen ausgestorbenen Beruf und warum eine solche Arbeit heute kaum noch denkbar wäre.

Der Beruf des Hausschlachters geht in der Familie bis ins Jahr 1886 zurück. &bdquo;Ich habe ihn in dritter Generation gelernt", sagt Ernst Wentker. Als Kind habe er seinen Vater schon zu Hausschlachtungen begleitet. &bdquo;Weil die in den Wintermonaten stattfanden, hatten wir oft mit tiefem Schnee zu kämpfen", sagt er. Schließlich ging es immer zu Fuß zu den Kunden – und das wochenlang und mit all dem Werkzeug im Gepäck.

Wentker hauptberuflich Landwirt Hausschlachter haben ihren Beruf neben ihrer eigentlichen Arbeit ausgeübt. &bdquo;Die meisten waren Landwirte, Dachdecker, Ziegler oder Maurer, die im Winter nicht arbeiten konnten", erklärt Wentker. Er selbst war hauptberuflich Landwirt, schlachtete auch die eigenen Schweine der Familie.

Ein bis zwei waren das pro Familie im Jahr. &bdquo;Eines meist vor Weihnachten", sagt Ernst Wentker. Er selbst schlachtete acht bis zwölf Tiere in der Woche, unter anderem auch Rinder. &bdquo;Bei manchen Hausschlachtern waren es auch mehr", sagt er. Die Bedingungen waren teils widrig. &bdquo;Nicht selten war es auch mal bis zu minus zehn Grad kalt, da sind dann die Ohren der geschlachteten Schweine gefroren." Und weil das Fleisch in der Regel für die ganze Familie und für einen langen Zeitraum reichen musste, wurde auch nichts weggeworfen.

Alles wurde verarbeitet &bdquo;Wir haben eigentlich alles verarbeitet", erinnert sich Ernst Wentker. &bdquo;Die Ohren, die Füße, den Schwanz oder auch die Zunge." Letztere sei vor allem für die Zubereitung der Blutwurst verwendet worden, genau wie das Herz der geschlachteten Tiere. Die Gedärme seien gesäubert und für verschiedene Würste mit der Wurstmasse gefüllt worden. Lediglich die Knochen seien den Katzen oder Hunden auf dem Hof überlassen worden.

Weil es anfangs allerdings noch keine Gefriertruhen gab, musste das Fleisch nach der Schlachtung anders konserviert werden. &bdquo;Zum Beispiel durch Einlegen in Salzlake", erklärt Ernst Wentker. Geräuchert wurde dann meist über einer offenen Feuerstelle in der Deele des Hauses. Erst später vereinfachten dann Einkochgläser und Konservendosen die Lagerung. Zu verschiedenen Anlässen wurde das Fleisch verzehrt, so gab es zu Weihnachten traditionell Nackenbraten, zu Pfingsten Rindfleischsuppe.

Verquirlen des Blutes gehört dazu Es verwundert also nicht, dass niemand in der Familie zum Vegetarier geworden ist. &bdquo;Wenn man damit aufwächst, kennt man es nicht anders", sagt Wentker. Und zur Zubereitung gehöre eben zum Beispiel auch das Verquirlen des Schweineblutes, damit dieses nicht gerinnt.

Vier ehemalige Hausschlachter gibt es im lippischen Raum noch, erzählt Ernst Wentker. Schlachten und &bdquo;Wursten" tut von ihnen allerdings niemand mehr. Er selbst hat sein letztes Schwein vor etwa acht Jahren geschlachtet. Dass der Beruf inzwischen ausgestorben ist, liegt für den 86-Jährigen vor allem an der Umstellung der Lebensweise. &bdquo;Früher mussten die Leute schwer arbeiten, haben sich mehr bewegt und brauchten mehr Energie.

Entsprechend wurden die Schweine auch länger gemästet als heute." Außerdem könne man heute ja einfach zum Fleischer oder in den Supermarkt gehen und sich aussuchen, was man möchte. &bdquo;Ich habe schon von Leuten gehört, die überlegen, ein Schwein anzuschaffen und zu Wurst und Fleisch zu verarbeiten. Dann frage ich immer: Seid ihr denn bereit, alles am Ende zu verzehren? Die Antwort lautet meistens: Nein. Und dann hat es auch keinen Sinn, ein Tier zu halten und zu schlachten."

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