Lemgo. „Hier ist etwas faul“, sagt die Bedienstete im „KOMA“-Supermarkt. Aber sie meint nicht etwa altes Obst. Alle Waren sind aus den Regalen verschwunden. So hat das Stück über „Warenwelten und wahre Welten“, in dem sich Schüler der Karla-Raveh-Gesamtschule mit dem Kolonialismus beschäftigen, begonnen. Um zu zeigen, wie sehr auch heute noch koloniale Strukturen unseren Konsum bestimmen, führte der Literaturkurs jetzt im Hof des Städtischen Museums im Hexenbürgermeisterhaus seine eindrucksvolle Szenencollage auf. Dabei wechselte die Gruppe laut Mitteilung der Schule virtuos zwischen kurzen Spielszenen, Tanz, Filmsequenzen und chorischem Sprechvortrag.
Im zweiten Teil der Szenenfolge wurden in einer eindrucksvollen Lesung fiktive Biografien von Bewohnern kolonialisierter Länder den realen Biografien der Lemgoer Brüder Ernst und Johannes Neubourg gegenübergestellt, die Anfang des 20. Jahrhunderts in Sumatra und Kamerun als Tabakadministratoren arbeiteten. Ihr Leben steht genauso wie die von ihnen mitgebrachten Objekte der Batak-Kultur im Mittelpunkt der aktuellen Sonderausstellung „Sibalik Alogo – Von Lemgo in die Kolonie“. Über ein Schuljahr hinweg hatten die Schüler die Entstehung der Ausstellung begleitet und ihre informative Szenenfolge als Kommentar dazu konzipiert.
Finanzielle Förderung
Mit der Filmemacherin Anna-Maria Nacke drehten die Kursmitglieder außerdem eine Quizshow zu einzelnen Batak-Objekten, die ebenfalls in der Ausstellung gezeigt wird. Im Interview begegneten sie der Vorsitzenden der Deutsch-Indonesischen Gesellschaft, Lena Simanjuntak-Mertes, um mit ihr über das heutige Leben der Batak zwischen Tradition und Moderne zu sprechen. Das laut Kursleiter Philipp Schmidt-Rhaesa „anspruchsvolle, aber außerordentlich vielfältige“ Projektjahr wurde aus Mitteln der LWL-Kulturstiftung über den Kreis Lippe finanziell gefördert.
Im Rahmen des Projektjahrs „(Post-) Kolonialismus in Westfalen-Lippe“ vertiefen dabei drei Schulen in OWL gemeinsam mit den Schülern den Blick auf das komplexe Thema. Mit dem Museum verbindet die Karla-Raveh-Gesamtschule eine inzwischen über 15-jährige, enge Kooperation. Obwohl stellenweise heftiger Regen die Aufführung auf dem Hof des Museums begleitete, spendete das Publikum begeisterten und lang anhaltenden Beifall für den abwechslungsreichen und engagierten Theaterabend. Die Sonderausstellung läuft noch bis November.