Der Biesterberg: Im Lemgoer Problemviertel geht es zaghaft voran

Lemgo. Viel hat sich verändert am Biesterberg. Dutzende Immobiliengesellschaften haben ihre Spuren im Quartier hinterlassen, eine Konstante aber ist geblieben: der Stadtteiltreff der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Ostwestfalen-Lippe. Seit 25 Jahren hat er an der Max-Born-Straße seine Türen geöffnet, seit 23 Jahren ist Sven Neese dabei.

Der Biesterberg - immer wieder ist das Viertel in den vergangenen Jahren in die Schlagzeilen geraten. Das lag meist weniger an den Bewohnern aus über 20 Nationen als an den dubiosen Immobiliengesellschaften, die sich die gut 220 Mietwohnungen über die Jahre munter weiterreichten . Ob Altro Mondo, Belvona oder andere - Mieter klagten über falsche Abrechnungen, defekte Heizungen oder auch Schimmel an den Wänden. Erst als sich Stadt und Land einschalteten, zeichnete sich eine Besserung ab .

&bdquo;Wie ein Stich ins Herz“ Noch bis 2015, erinnert sich Sven Neese, waren fast alle Wohnungen belegt. Damals ging es auch im Stadtteiltreff hoch her. 40 Kinder und 25 Jugendliche, dazu viele Erwachsene seien täglich gekommen. Doch dann ging es mit den Immobiliengesellschaften bergab. Mietmängel machten sich breit, wer konnte, ging weg: &bdquo;Bis 2019 hatten wir alle Stammbesucher verloren“, erinnert sich Sven Neese. Jede Woche sei jemand weggezogen, &bdquo; jedes Mal wie ein Stich ins Herz“. Dann kam Corona, erst 2021 konnten alle wieder durchstarten und mittlerweile tut sich wieder einiges: im Stadtteiltreff und im Quartier.

Die aktuelle Immobiliengesellschaft hat Wohnungen renovieren lassen, auch die Außenanlagen präsentieren sich ansprechender als noch vor Jahren; 60 Prozent der Wohnungen, so schätzt Neese, sind mittlerweile wieder belegt . Oft zwar mit deutlich höherer Miete als noch vor Jahren, doch das Jobcenter ziehe mit. &bdquo;Günstigeres ist in Lemgo auch kaum zu finden.“ Der Ruf des Biesterbergs ist besser geworden, ist dann auch Sven Neese überzeugt und bei der Polizei werde das Quartier als unauffällig eingestuft.

Für viele ein zweites Zuhause Jetzt soll es weiter bergauf gehen und dazu will auch das AWO-Team seinen Beitrag leisten. Drei Mitarbeiter aus dem pädagogischen Team und ein Hausmeister betreuen vom Nachmittag bis in den frühen Abend Kinder und Jugendliche. Vor allem Jungen und Mädchen im Grundschulalter, doch auch Ältere sind dabei. &bdquo;Eigentlich haben wir hier wenig für Jugendliche zu bieten“, blickt sich Martina Kriemann-Heinze in den Räumlichkeiten um. Ein Kicker, Playstation, eine kleine Küche, ein Raum mit Sofas - alles klein und heimelig.

Hier werden Hausaufgaben gemacht, es wird gespielt, gebastelt, gebacken, gekocht und gemeinsam gegessen. &bdquo;Für viele ist es über die Jahre eine Art zweites Zuhause geworden“, ist die AWO-Mitarbeiterin überzeugt. &bdquo;Im kleinen Haus kriegen wir hier einfach viel mit“, und wer kommt, muss sich an Regeln halten und auch Tischmanieren, grinst Sven Neese, sind bei Martina Kriemann-Heinze gefragt.

Über 20 Nationen wohnen im Quartier und so sind auch im Stadtteiltreff viele Sprachen zu hören. Deutsche, Syrer, Afrikaner, Türken, Kurden – Ukrainer treffen auf Russen. Gut, dass da schon die Jüngsten lernen, wie nett der Spielkamerad aus dem anderen Land sein kann. Oft sind auch Eltern dabei, die die Kleinen betreuen oder nach Unterstützung fragen. Wenn Zeit ist, wird sofort geholfen, ansonsten auf Beratungsstunden verwiesen. Dann geht es um Mietabrechnungen, um Behördengänge, um die Einbürgerung oder auch das Schulsystem. Gerne würde Sven Neese dieses Angebot noch mit Info-Abenden erweitern.

Bänke und Spielplätze neu planen Überhaupt, das AWO-Team hat noch vieles vor. Mit einem offenen Café am Dienstag- und Donnerstagnachmittag hofft Neese, die Bewohner ins Gespräch zu bringen, ebenso mit dem Spieletreff am Montagabend - auch, um die Studenten-WGs ins Haus zu holen. Mit dem Feierabend-Grill am Mittwochabend hat das AWO-Team offensichtlich schon den Nerv getroffen: Über 50 Besucher sind einmal im Monat dabei.

Im Sommer ist eine Nacht der langen Bänke mit der Initiative Lemgo Süd geplant. Apropos Bänke: Über 70 wurden vor gut 20 Jahren rund um die Häuser aufgestellt, doch kaum eine ist noch zu gebrauchen. Gerne würde Sven Neese einige von ihnen zusammen mit Jugendlichen reparieren. Ähnlich sieht es mit den Spielplätzen aus: Noch vor 20 Jahren gab es etliche Spielanlagen im Quartier, die letzten wurden 2023 abgebaut - so defekt, dass sie für die Kinder zur Gefahr geworden waren. &bdquo;Neue aber“, ärgert sich Sven Neese, &bdquo;sind nie nachgekommen“.

Dabei möchte die AWO gerade den Familien mit Kindern gerne noch mehr bieten: Kletterkurse sind im Angebot, im Sommer gibt es Fahrten und Ferienspiele, Musikkurse sind geplant. &bdquo;Mein Traum wäre eine Soccer-Anlage oben am Wald“, lässt sich Sven Neese das Träumen nicht verbieten. Oben an der Kickerfläche hinter dem Kindergarten, dort, wo es auch noch einige alte Spielgeräte gibt. Viele Ideen für ein Quartier, das sich neu entfalten könnte.

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