Das macht Schauspielerin Caroline Peters am Schloss Brake

Lemgo/Dörentrup. Das Festival &bdquo;Wege durch das Land“ ist zweimal in Lippe zu Gast gewesen: Freitag in Lemgo und Sonntag in Dörentrup. Zum 25-jährigen Bestehen der Reihe ist &bdquo;Familie“ das Jahresmotto. Familie bedeutet, &bdquo;für den Rest seines Lebens nie mehr alleine zu sein“. Dieser Satz durchzog den ersten Abend. Vor der beeindruckenden Kulisse des Weserrenaissance-Museums Schloss Brake entfaltete sich ein intensives Wechselspiel aus Sprache und Klang – mit den Schauspielern Caroline Peters, Paul Herwig sowie dem gefeierten Musikerduo &bdquo;Runge & Ammon“.

Der ehemalige Festivalleiter Albrecht Simons von Bockum Dolffs begrüßte rund 460 Gäste bei der ausverkauften musikalischen Lesung. Zunächst ging es um eine komplizierte Vater-Sohn-Konstellation, dann wurde eine Mutter-Tochter-Beziehung beleuchtet. Schauspieler Paul Herwig rezitierte einfühlsam Franz Kafkas berühmten &bdquo;Brief an den Vater“ aus dem Jahr 1919, der niemals abgeschickte wurde. Das Jahr ist für Kafka durch seine Verlobung und der Veröffentlichung von Erzählbänden wie &bdquo;In der Strafkolonie“ geprägt. Auf beides reagiert sein Vater enttäuschend. Seine Verlobte lehnt er als nicht standesgemäß ab und die Veröffentlichung der Bücher ignoriert er. Die Demütigungen seines Vaters ist Kafka gewohnt. Aber nun nimmt er sich eine Auszeit, in der er die traumatische Beziehung auf über 100 Seiten literarisch reflektiert. Die zentrale Frage ist: Warum habe ich als 36-jähriger Mann immer noch Angst vorm Vater?

Zerrissene Gefühlswelt Die Lesung ließ das Publikum tief in Kafkas zerrissene Gefühlswelt eintauchen – ein bewegender Monolog zwischen Anklage und Sehnsucht nach Anerkennung. Kafkas Worte, voller analytischer Schärfe und emotionaler Wucht, trafen auf die Klangbilder des Duos mit Eckart Runge (Cello) und Jacques Ammon (Piano), die die jeweiligen Stimmungen hervorragend einfingen. Ihre Interpretationen von Tschaikowskis (Valse Sentimentale), Janačeks dreisätziger Märchenvertonung (Pohádka) einem Jazzwalzer von Kapustin, jüdischer Kunstmusik von Ernest Bloch (Supplication) oder der Bearbeitung von Mahlers Lied &bdquo;Ich bin der Welt abhanden gekommen“ schufen eine musikalische Atmosphäre, die zwischen den Texten vibrierte und die Hörer fesselte.

Caroline Peters, bekannt aus Film, Theater und Fernsehen und eine der wirkungsmächtigsten Schauspielerinnen ihrer Generation, las im zweiten Teil aus ihrem 2024 publizierten autobiografisch geprägten Roman &bdquo;Ein anderes Leben“. In poetischen und zugleich witzigen Tönen schildert sie die Beziehung zu ihrer exzentrischen Mutter Hanna – einer slawistischen Bohemienne, die als Nachkriegskind im Konservativen das Schrille sucht. Nacheinander heiratet sie ihre drei Studienfreunde, mit denen sie drei Töchter bekommt. Aus der Perspektive der jüngsten Tochter erkundet Caroline Peters viele Jahre nach dem Tod ihrer Mutter, was es heißt, eigene Wege zu gehen und dennoch gebunden zu bleiben. Mit großer Einfühlsamkeit und Leichtigkeit erzählte Peters von den Fragen einer Tochter an die Mutter und an sich selbst.

Strobel liest aus Sebald Einen ebenso eindrücklichen Rahmen bot die zweite Veranstaltung in Dörentrup. Inmitten der rauen, industriellen Hallen der Firma DFP Dörentrup (Hersteller feuerfester Produkte) eröffnete sich dem Publikum ein Abend über verborgene Erben und verdrängte Familiengeschichten. Die Bühne: ein Ort der Arbeit. Der Stoff: Erinnerung.

Schauspieler Sebastian Ströbel las aus W. G. Sebalds Erzählung &bdquo;Il ritorno in patria“ und ließ die Grenzen zwischen Gegenwart und Vergangenheit verschwimmen. In melancholischen Bildern belebte die Rückkehr in die Heimat die Kindheit und aus der Distanz heraus wurde die Heimat neu entdeckt.

Persönliche Spurensuche Alexa Hennig von Lange, die mit ihrer Heimkehr-Trilogie große Beachtung fand, ergänzte den Abend mit einer vielschichtigen Spurensuche in die eigene Familiengeschichte. Ihre Lesung offenbarte ein berührendes Portrait ihrer Großmutter, deren NS-Vergangenheit sich durch Tonbandaufnahmen nach und nach entschlüsselt – eine Geschichte über Verdrängung, Scham und Annäherung.

Musikalisch umrahmten David Helbock (Piano) und Julia Hofer (E-Bass) die literarischen Erzählungen mit fein arrangierten Jazzklängen, die zwischen Tradition und Experiment oszillierten. Ihre Improvisationen setzten emotionale Kontrapunkte und eröffneten neue Perspektiven auf die Geschichten des Abends – ein Jazz, der Wurzeln schlägt und gleichzeitig in Bewegung bleibt.

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