Ein Leben für die Gäste: Scholtens geben Lemgoer Traditionsgaststätte auf

Lemgo. Es war eine schöne Zeit, sagt Eva Scholten. Vielleicht die beste überhaupt. 40 Jahre hat sie mit Ehemann Jean den &bdquo;Alten Landsknecht“ an der Herforder Straße betrieben – dort gearbeitet, gewohnt und gelebt mit vielen Gästen, Pfauen, Nandus und Hunden. Jetzt wollen sie verkaufen, &bdquo;es wird einfach zu groß“.

Die 70-Jährige sitzt an der Eckbank in der ehemaligen Wirtsstube, neben sich einen der drei King Charles Cockerspaniel, der sich wohlig in die Kissen kuschelt. Der imposante Kachelofen hinter ihr verspricht behagliche Wärme für den Winter und passt in die urige Stube. Dunkles Holz bestimmt das Bild: Tresen, Tische, Stühle, Ledersofa und dazu ganz viel Kunst und alte Stücke. Ein Füllhorn der Sammelleidenschaft, so voll, dass man kaum weiß, wohin der Blick als erstes schweifen soll.

Wildschwein als Blickfang Ein schwarz glänzendes Wildschwein fängt den Blick. Gleich neben dem vor Kraft strotzenden Stier steht es dort auf dem niedrigen Sofa-Tisch, der wiederum ein Unikat ist: eine große, naturnah belassene Baumscheibe samt Wurzelwerk als Untersatz. Über dem Ledersofa hängt ein großer Teppich mit Jagdszene an der Wand. Stillleben und Landschaftsbilder schmücken den Raum, ebenso wie Geweihe oder auch der präparierte Kopf eines Widders, dazu Skulpturen und aufwendig gestaltete Tischlampen auf den Abstellflächen.

Eine ganz eigene Welt, die die Scholtens hier geschaffen haben und die die Hausherrin noch immer genießt. Bis heute verbringt sie am liebsten ihre Zeit in dem ehemaligen Schankraum und &bdquo;die Gäste liebten diese besondere Atmosphäre“, erzählt sie von den vergangenen Jahrzehnten, damals, als sie mit Ehemann Jean den &bdquo;Neuen Krug“ übernahm und daraus ein Restaurant mit Französisch-Schweizer Küche machte.

Ein Glücksfall, wie die gebürtige Schweizerin rückblickend sagt, zuvor hatte das Paar eine Pension und den Wappenkrug in Bad Salzuflen betrieben, dann aber die Chance ergriffen und die Traditionsgaststätte &bdquo;Neuer Krug“ an der Herforder Straße gekauft. 1978 war das, und die Gaststätte samt des großen Grundstückes hätte einfach gleich gepasst. Das Ehepaar bezog die Wohnung im hinteren Bereich über dem Anbau. Den &bdquo;Neuen Krug“ nannte Eva Scholten kurzerhand in &bdquo;Zum Landsknecht“ um und setzte mit Käsespezialitäten neue kulinarische Akzente.

Raclette nur in der &bdquo;Käsestube“ Ehemann Jean betrieb schon damals in Schötmar ein Antiquitätengeschäft und so kamen nach und nach immer mehr Ausstellungsstücke auch im &bdquo;Landsknecht“ unter. Dort, wo früher die &bdquo;Käsestube“ war, in der Eva Scholten das geruchsintensive Raclette servierte, reihen sich heute auf Tischen die Exponate, stehen wunderbare alte Schränke an der Wand, und auch der Saal, in dem Generationen von Lemgoern getanzt und gefeiert haben, ist heute ganz den Antiquitäten überlassen.

Den Saal, erzählt die Restaurant-Fachfrau, haben sie damals grundlegend saniert. Den defekten Parkett-Boden durch Fliesen und Fußbodenheizung ergänzt. Je nach Größe der Gesellschaft konnte man die Schiebetür zur &bdquo;Käsestube“ aufschieben, &bdquo;da war dann auch für große Gesellschaften ausreichend Platz“. Und dann war da noch der Klubraum, rechts vom ehemaligen Eingangsbereich, in dem sie gerne kleinere Gesellschaften bewirtete. Den Eingang, der ursprünglich direkt auf die Herforder Straße hinausging, hatte das Paar bereits früh an die Seite zum Parkplatz und damit zum Schankraum verlegt. &bdquo;Das war mir mit der viel befahrenen Straße und Kindern einfach zu gefährlich.“

Fluch und Segen der Herforder Straße Überhaupt die Straße – die war Fluch und Segen zugleich, wie Eva Scholten erzählt, während das Rauschen der vorbeifahrenden Autos unablässig durch Türen und Fenster quillt. Die 77-Jährige hört es längst nicht mehr, &bdquo;ganz im Gegenteil, wenn es ruhig ist, dann wache ich nachts auf“.

Sie hatten die Gaststätte noch nicht abbezahlt, als die Herforder Straße ausgebaut wurde. Knapp zwei Jahre Baustelle, die die Gastronomen wichtige Einnahmen kosteten. &bdquo;Das war grausam“, blickt Eva Scholten auf diese existenzbedrohende Zeit zurück. Und dann der Segen: &bdquo;Die vielen Autos Leute fahren ja direkt an unserem Haus vorbei. Ob Muschelsaison oder Spargel, unserer Plakate haben alle gesehen.“

Es lief gut, auch die sechs Fremdenzimmer wurden gut angenommen. WC und großzügige sanitäre Anlagen auf der Etage, &bdquo;das war vielen damals gerade recht“. Viele Gäste, gute Einnahmen, doch für das Ehepaar bedeutete das, &bdquo;Arbeit rund um die Uhr, für Familie blieb da keine Zeit“. Und als sie 70 wurden, da war klar: &bdquo;Jetzt ist auch mal Schluss.“ 2018 gaben sie Restaurant und Fremdenzimmer auf, die Wohnung aber haben sie behalten. Die übrigen Räume sind mittlerweile zur Ausstellungsfläche geworden und einmal im Monat laden sie zum Schautag ein.

6000 Quadratmeter umfasst das große Grundstück samt Haus, für das die Scholtens nun einen Käufer suchen. Der große Garten, in dem Pfauen, Nandus, Hängebauschweine oder auch Schafe lebten, ist mittlerweile verwildert. &bdquo;Ein Pfau hat auf der Straße einmal sein Rad geschlagen“, muss die quirlige Gastronomin lachen, die Autofahrer hielten dafür gerne an. Heute hält sie noch Gänse und Hühner hinter dem Haus, dort wo früher auch der große Biergarten die Gäste lockte. Unter den schattigen Bäumen genossen die die warmen Abende, &bdquo;der war immer gut besucht“, erzählt Eva Scholten, während sie auf den Anbau mit Toiletten zeigt, &bdquo;den mussten wir damals extra anbauen“.

Es waren gute Zeiten, doch jetzt möchte das Ehepaar sich verkleinern. Erste Interessenten hätten sich schon gemeldet. Wie es mit der Traditionsgaststätte samt großem Grundstück und Zufahrt weiter gehen kann? Eva Scholten zuckt die Schultern, Ideen hätte sie einige, &bdquo;hier ist so viel möglich“.

Vom &bdquo;Neuen Krug“ zum &bdquo;Landsknecht“ Die Historie des Wirtshauses reicht weit zurück: 1863 baute Heinrich Böger das Haus an der damaligen Herforder Chaussee als Wohnhaus, um wenig später Gaststätte und Kolonialladen einzurichten. Dann folgten Anbauten, auch um einen Pferdestall für Übernachtungsgäste anzubieten. 1903 brannte das Haus in Gänze ab. Heinrich Tasche ließ 1906 den Gasthof &bdquo;Neuer Krug“ bauen. Mit Gaststätte, Kolonialladen, Fremdenzimmer, aber auch Tanzsaal und Garten setzte er neue Akzente und wollte verstärkt auf Freizeit setzen.

Doch auch er gab bald auf, 1909 baute der neue Besitzer Leßmann eine Kegelbahn an. Es folgten weitere Besitzerwechsel, bis 1920 mit Hotelier Josef Schönekaes für 28 Jahren Kontinuität einzog. Von 1920 bis 1945 gab es vor Ort auch eine Zapfsäule mit der Benzinmarke Dapolin Standard. Schönekaes etablierte einen Schießstand, der Krug wurde das Stammlokal vieler örtlicher Vereine. Nach dem Tod des Gastronomen übernahm Tochter Emilie mit ihrem Mann Hans Wiemann die Geschäfte.

Ab 1960 folgten neue Pächter, das Lebensmittelgeschäft schloss 1969. 1978 kauften Eva und Jean Scholten die Gaststätte &bdquo;Neuer Krug“, die sie unter dem Namen &bdquo;Zum Landsknecht“ bis 2018 führten.

(Quelle: Gelbes Heft. Nr. 54, &bdquo;Straße und Krüge vor Lemgo“, Verein Alt Lemgo)

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Das Ehepaar Scholten und der Gasthof "Zum Landsknecht"

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