Missbrauchs- und Behördenskandal Lügde: Detmolder Richter nach Brief an Polizisten im Visier

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Landgericht Detmold (© Bernhard Preuss)
Düsseldorf (dpa/fpf). Im Missbrauchs- und Behördenskandal von Lügde werden jetzt auch dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen gegen einen lippischen Richter geprüft. Das teilte Justiz-Ministerialdirigent Christian Burr am Montag im Rechtsausschuss des Düsseldorfer Landtags mit.

Der Richter hatte einen Solidaritätsbrief an die lippische Polizei geschrieben, berichtete Grünen-Obmann Stefan Engstfeld. Ein Anwalt der Opfer des massenhaften Missbrauchs habe kritisiert, hier sei den Polizeibeamten von einem Ermittlungsrichter „ein Persilschein ausgestellt worden". Das sei ein Schlag ins Gesicht der Opfer, die nicht von der Polizei beschützt worden seien. Engstfeld zeigt sich dieser Zeitung gegenüber befremdet. "Der Vorgang ruft nach einer politischen Einordnung", sagte er.

Maßnahmen eingeleitet

Der Detmolder Richter soll nach Informationen der LZ unter anderem geschrieben haben: „Sie sind die Guten", um den unter Generalverdacht stehenden Beamten „als Privatmann" den Rücken zu stärken.

Allen am Verfahren Beteiligten stehe es frei, Befangenheitsgesuche gegen den Richter zu stellen, sagte Justizminister Peter Biesenbach (CDU). Ein Justizminister könne einen Richter auf Grund eines solchen Briefes aber nicht ablösen. Der Präsident des Landgerichts Detmold habe dienstaufsichtsrechtliche Maßnahmen eingeleitet, deren Ergebnis nun abzuwarten sei.

Der betroffene Richter sah seine Neutralität durch den Brief nicht gefährdet. "Ich bin nicht befangen", hatte er gegenüber der LZ betont. Er habe den Brief als "Trostpflaster" an Polizisten in Lippe geschrieben, weil er im Missbrauchsfall Lügde die ganze lippische Polizei unter Generalverdacht gesehen habe.

40 Opfer und zwölf weitere Verdachtsfälle

Neue Täter- und Opferzahlen wurden im Rechtsausschuss nicht bekannt. Nach dem massenhaften Kindesmissbrauch auf dem Campingplatz im lippischen Lügde gehen die Ermittler zurzeit von 40 Opfern und weiteren zwölf Verdachtsfällen aus. Bislang sind acht beschuldigte Männer bekannt; die drei Hauptverdächtigen sitzen in Untersuchungshaft. Engstfeld verlangte von der Landesregierung, konkrete Ermittlungszahlen zu liefern. "Wir wollen bis zum Wochenende Klarheit über den laufenden Stand."

Nach weiteren in den vergangenen Tagen in Ostwestfalen bekanntgewordenen Verdachtsfällen von Kindesmissbrauch und Kinderpornografie in Paderborn und Bad Oeynhausen stelle sich die Frage nach einem Netzwerk, sagte der AfD-Abgeordnete Thomas Röckemann. Darauf gebe es keinerlei Hinweise, erklärte Burr. „Von einem Netzwerk kann keine Rede sein."

SPD: Polizeistrukturen auf Prüfstand

Die SPD-Opposition möchte in einer Landtagskommission mit Abgeordneten und externen Experten vor allem aufarbeiten, was sich in den Jugendämtern verändern müsse, um Kinder besser zu schützen. Zudem müssten die Polizeistrukturen auf den Prüfstand, sagte SPD-Fraktionschef Thomas Kutschaty. Dazu erwarte er einen Aufschlag des Innenministers.

Die schwarz-gelbe Landesregierung habe sich auf die Fahnen geschrieben, für mehr innere Sicherheit zu sorgen, so Kutschaty. Inzwischen habe sich jedoch herausgestellt, dass die dafür zuständigen Minister Herbert Reul (Inneres) und Peter Biesenbach (Justiz) eher eine Belastung darstellen.

Bislang ist es aus Sicht der SPD noch zu früh für einen Untersuchungsausschuss im Fall Lüdge. Scheitert jedoch die Aufklärung, "dann ist auch der Innenminister gescheitert", sagte Kutschaty.

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