Björn Jockwig aus Lügde musste einen sehr langen Weg bis zum Spenderherz gehen

Schieder/Schwalenberg/Lügde. 8269 Menschen – so viele Patientinnen und Patienten warteten laut Eurotransplant 2024 in Deutschland auf ein Spenderorgan. Noch immer gibt es aber zu wenig Organspenden. Dem gebürtigen Brakelsieker Björn Jockwig liegt das Thema besonders am Herzen, im wahrsten Wortsinn und aus gutem Grund. Denn ohne sein Spenderherz, das er 2014 erhielt, wäre er wohl längst nicht mehr am Leben.

Jahrelanges Warten Jahrelang wartete er auf das rettende Organ. Der Weg bis dahin war von vielen Rückschlägen geprägt. Heute ist er 42, arbeitet bei dem Johanniterverband Lippe-Höxter, kann wieder ein normales Leben führen und versucht, das Thema Organspende, auch mit seiner persönlichen Leidensgeschichte, in die Köpfe der Menschen zu bringen.

Im Jahre 2009, er war gerade 26 Jahre alt, bemerkte er, dass etwas mit ihm nicht stimmte. &bdquo;Ich habe mich sehr schlapp gefühlt, ich war damals oft ausgelaugt“, erzählt Jockwig, der inzwischen in Falkenhagen lebt. Hinzu kam auch ein Engegefühl in der Brust, Antriebslosigkeit und Atemnot. Seine Freundin, die Jockwig 2012 geheiratet hat, drängte ihn damals aus Sorge um seine Gesundheit dazu, zum Arzt zu gehen.

&bdquo;Während der Untersuchung hat die Ärztin immer größere Augen bekommen“, erinnert er sich. Denn auf dem Ultraschall sei zu erkennen gewesen, dass sein Herz viel zu groß und angeschwollen gewesen sei. &bdquo;Sie sagte mir dann, dass ich damit eigentlich gar nicht mehr unter den Lebenden weilen sollte.“ Sofort ordnet die Ärztin eine strenge Bettruhe an.

Verschleppte Erkältung Der Auslöser für seine schwere Herzerkrankung war vermutlich eine verschleppte Erkältung oder Viruserkrankung. &bdquo;Hundertprozentig sicher ist das natürlich nicht. Aber ich habe wahrscheinlich durch das viele Arbeiten einfach einen Infekt nicht richtig wahrgenommen und auskuriert“, sagt er. Damals betriebt Jockwig einen Gartenlandschaftsbaubetrieb und arbeitete körperlich hart und viel.

Mit Medikamenten sollte das Herz wieder abschwellen. &bdquo;Mein Herz war aber komplett aus dem Rhythmus gekommen“, sagt er. Jockwig bekam kurze Zeit später einen Defibrillator eingesetzt. Der sollte den Herzschlag sichern. Im Herzzentrum in Bad Oeynhausen wurde der Falkenhagener dann weiter untersucht. Die Ärzte dort teilten ihm mit, dass der einzige Ausweg eine Transplantation sei. Jockwig kam daraufhin auf die Warteliste für ein Spenderherz. Er durfte das Krankenhaus aber nicht mehr verlassen.

Kurze Zeit später verschlimmerte sich seine Herzpumpenleistung wieder. Von November 2011 bis Ende März 2012 war er wieder ans Bett gefesselt. Auf der Warteliste für ein Spenderherz wurde er nun als &bdquo;hoch dringlich“ eingestuft. Doch selbst der Krankenhausaufenthalt konnte seine Lage nicht verbessern. &bdquo;Irgendwann war es dann so schlimm, dass die Ärzte mir sagten, dass eine weitere Operation nötig ist, sonst hätte ich das Wochenende nicht überlebt“, sagt er. Er bekam eine Herzpumpe eingesetzt. Zeitweise habe er nur noch eine Herzleistung von 23 Prozent gehabt.

Pumpe &bdquo;Harald“ gibt neuen Lebensmut Seitdem ragte ein Kabel aus seiner Bauchdecke, zwei Akkupakete an seinen Hüften sorgten dafür, dass die Pumpe auch arbeitet. Mit der Pumpe, die er &bdquo;Harald“ taufte, kam er zunächst wieder zurück ins Leben. Zwei Jahre lang konnte er damit gut leben. &bdquo;Natürlich mit Höhen und Tiefen, aber es ging.“ Doch dann entzündete sich die Eintrittsstelle des Kabels. Jockwig kam zurück ins Krankenhaus nach Bad Oeynhausen und wurde erneut höhergestuft.

Drei weitere Monate vergingen. Das Krankenhaus durfte er erneut nicht verlassen. Auf der Herzstation in Bad Oeynhausen lernte Björn andere herzkranke Patienten kennen und schloss Freundschaften. Einige verstarben auf der Warteliste, da sie nicht rechtzeitig ein Organ angeboten bekamen. Denn das Warten auf ein Spenderorgan kann dauern, niemand kann sagen, wie lange.

Für Jockwig hat es Anfang Juni 2014, mitten in der Nacht, ein Ende. Um 3 Uhr morgens klopfte es an Jockwigs Zimmertür. &bdquo;Wir haben ein Herz für Sie.“ Dann ging eine spannende Zeit für Jockwig los. &bdquo;Man hatte sich ja im Vorfeld immer Gedanken darum gemacht, wie das dann ist und was man seiner Familie und seinen Freunden dann sagt.“ Eine gewisse Angst vor der Operation hatte Jockwig zwar, aber die meisten Gedanken gingen an seine Angehörigen und was mit ihnen passiert, wenn doch etwas schiefgehen würde.

Neues Organ namens &bdquo;Frieda“ Neun Stunden später fing sein neues Leben an. Nach dem Aufwachen sei sein erster Griff an seinen Bauch gegangen, genau dorthin, wo einst das Kabel von &bdquo;Harald“ aus seiner Bauchdecke ragte. &bdquo;Als ich nichts gefühlt hatte, wusste ich schon: Es hat geklappt.“ Seinem neuen Organ gibt er den Namen &bdquo;Frieda“ – angelehnt an den Frieden, den ihm sein neues Herz gegeben habe.

&bdquo;Direkt nach der Operation habe ich mich schon fitter gefühlt“, erzählt er. Ein paar Wochen vergingen, und er konnte wieder nach Hause. &bdquo;Die Reha habe ich abgelehnt. Ich wollte nur nach Hause, das war für mich auch im Nachhinein einfach die beste Reha, die ich bekommen konnte.“

Seit der Transplantation führt Jockwig wieder ein normales Leben. &bdquo;Ich nehme zwar immer noch Medikamente, aber seit der Transplantation bin ich wieder ein gesunder Mensch.“ Heute hat er wieder eine Herzleistung von 80 Prozent und genießt das Leben intensiver als vorher. Er sei feinfühliger geworden. &bdquo;Ich freue mich jetzt mehr über die kleinen Dinge im Leben als vorher.“

Durch die schwere Zeit seiner Erkrankung hat ihm vor allem Humor geholfen. &bdquo;Durch kleine Scherze konnten wir einfach besser nach vorne blicken. Wir haben insgesamt während der Zeit mehr gelacht als geweint.“ Auch die festen Routinen wie Blutdruckmessen und Visiten im Krankenhaus haben ihm geholfen. &bdquo;Ich habe jeden Tag im Krankenhaus gedacht, ja, wieder ein neuer Tag“, sagt der 42-Jähriger. Mit einigen der anderen Patienten hat er sich über die Zeit angefreundet und steht auch heute noch in Kontakt mit ihnen.

&bdquo;Jeder sollte eine Entscheidung treffen“ Heute arbeitet Björn Jockwig bei den Johannitern Lippe-Höxter als Fachbereichsleiter für die Breitenausbildung. Er organisiert unter anderem Schulungen für Brandschutzhelfer oder auch Erste-Hilfe-Kurse.

Er selbst hatte sich vor seiner Erkrankung wenig Gedanken über Organspenden gemacht. Das Thema war schlichtweg nicht präsent in seinem Leben. Seine Erkrankung habe das Thema aber auch bei den Leute in seinem Umfeld ins Bewusstsein gerückt. Generell würde er sich wünschen, dass jeder und jede sich mit dem Thema der Organspende beschäftigt und eine Entscheidung trifft. &bdquo;Ich möchte niemanden dazu zwingen, seine Organe zu spenden, aber jeder sollte für sich eine Entscheidung treffen.“

Wichtige Voraussetzungen für eine Organspende sind die Zustimmung zur Spende und Todesfeststellung. Organe dürfen in Deutschland nur entnommen werden, wenn die verstorbene Person zu Lebzeiten einer Organspende zugestimmt hat. Die Zustimmung kann zum Beispiel auf einem Organspendeausweis oder in einer Patientenverfügung festgehalten werden. Ist im Todesfall der Wille der verstorbenen Person nicht bekannt, werden die Angehörigen nach einer Entscheidung im Sinne der oder des Verstorbenen gefragt.

Nur Hirntote können spenden Organe können nur Verstorbene spenden, bei denen der Tod unter bestimmten Bedingungen eingetreten ist, nämlich durch den unumkehrbaren Ausfall der gesamten Hirnfunktionen. Der Hirntod ist die Folge einer schweren Hirnschädigung, die zum Beispiel durch eine Hirnblutung oder einen Hirntumor auftreten kann. Er ist ein seltenes Phänomen, so dass nur wenige Verstorbene überhaupt für eine Organspende infrage kommen.

In einem kleinen Zeitfenster ist es möglich, das Herz-Kreislauf-System der oder des Verstorbenen mit Hilfe intensivmedizinischer Maßnahmen künstlich aufrechtzuerhalten, damit die Organe weiterhin durchblutet und transplantiert werden können.

Entscheidend für eine Organspende sind der Gesundheitszustand der verstorbenen Person und der Zustand ihrer Organe. Deshalb wird unmittelbar vor der Organentnahme der Spender medizinisch untersucht. Eine ärztliche Untersuchung zu Lebzeiten ist nicht erforderlich. Allerdings können bekannte Erkrankungen im Organspendeausweis oder in der Patientenverfügung vermerkt werden.

Ob sich Organe für eine Transplantation eignen und welche das sind, entscheiden die Ärzte also im Einzelfall. Nur wenige Erkrankungen schließen eine Organspende nach dem Tod aus – und es gibt auch kein Höchstalter. Häufig erhalten ältere Patienten die Organe älterer Spender. Bei bestimmten Infektionen oder akuten Krebserkrankungen können Organe nicht gespendet werden. Damit eine Organtransplantation erfolgreich verläuft, ist es wichtig, dass die transplantierten Organe gesund und funktionsfähig sind.

Klinikum Lippe entnimmt selten Organe Auch das Klinikum Lippe ist an beiden Standorten in Lemgo und Detmold Entnahmekrankenhaus. Jedoch würden im Kreis Lippe sehr selten Organe von Verstorbenen entnommen, erklärt Oberärztin Silvana Krannich, die Transplantationsbeauftragte für den Standort Lemgo ist. Sie betreut alle vier bis fünf Jahre einen Fall. Die Gründe sind unterschiedlich: Die meisten Menschen mit einem Hirntumor oder einer Hirnblutung, die überhaupt infrage kämen, würden in Spezialkliniken verlegt und dort auch versterben. Zudem läge nicht immer ein Spenderausweis vor und der Wille des Verstorbenen sei nicht bekannt. Außerdem würden sich Angehörige, nicht zuletzt aus Glaubensgründen, häufig gegen eine Freigabe des Verstorbenen für eine Organspende aussprechen.

Silvana Krannich bedauert, dass sich Deutschland bislang noch nicht dazu durchringen konnte, die Widerspruchslösung einzuführen. Danach dürfen nur den Patienten keine Organe entnommen werden, die sich zu Lebzeiten ausdrücklich dagegen entschieden haben.

In Ländern, die die Widerspruchslösung haben, wie beispielsweise Österreich oder die Niederlande, gilt diese Bestimmung übrigens auch für Deutsche: &bdquo;Wenn Sie als Deutscher dort verunglücken und keinen Widerspruch dabei haben, dürfen Ihnen dort Organe entnommen werden“, betont Krannich.

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