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Windmühle auf dem Tönsberg war eine Fehlinvestition

Wahrzeichen brachte seinen Besitzern kein Glück

Horst Biere

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Stets war die flügellose Windmühle das Wahrzeichen der Bergstadt. Unser Bild zeigt eine Szene aus dem Jahr 1910.. - © Repro: Horst Biere
Stets war die flügellose Windmühle das Wahrzeichen der Bergstadt. Unser Bild zeigt eine Szene aus dem Jahr 1910.. (© Repro: Horst Biere)

Oerlinghausen. Pleiten, Pech und Pannen haben sie ihr Leben lang begleitet, die Windmühle auf dem Tönsberg. Doch letztlich ist sie immer noch das schöne und eindrucksvolle Wahrzeichen Oerlinghausens.

Von Beginn an erwies sich der heutige Windmühlenstumpf, der im Volksmund Kumsttonne (von Kumst für Kohl) genannt wird, als glatte Fehlinvestition. Ein gewisser Amtsrat Ramus von der lippischen Rentkammer in Detmold kam um 1750 auf die Idee, offenbar im Rahmen eines Konjunkturprogramms für Westlippe, einen Mühlenbetrieb auf dem Tönsberg zu errichten.

Doch die geplante Windmühle bekam sofort Gegenwind. Der rechtmäßige Besitzer des damaligen Tönsbergs, Willibald Barkhausen, war nicht informiert worden. Aber die lippische Verwaltung schaltete auf stur. Das ganze Tönsberg-Gelände gehöre der Allgemeinheit, befand sie, und so wurde das Fundament gelegt. Willibald Barkhausen zog vor Gericht, ging durch alle Instanzen bis zum Reichskammergericht in Wetzlar – und bekam schließlich Recht. Doch die Windmühle stand mittlerweile fertig auf dem Tönsberg.

Zähneknirschend willigte der Besitzer des Gutes Barkhausen ein, er erhielt dafür offenbar andere Vergünstigungen von der lippischen Landesregierung.
Im Jahre 1753 drehten sich erstmals die Windmühlenflügel auf dem Tönsberg. Doch nun fing das Drama erst an. Der erste Müller, Cord Heinrich Temme, kündigte den Pachtvertrag bereits nach einem Jahr, denn er war schon tief in die roten Zahlen gerutscht. Die Bauern aus der Umgebung schlugen einen großen Bogen um den Tönsberg und seine Mühle, da der Weg für die voll beladenen Fuhrwerke mit Getreide viel zu steil war.

Auch viele weitere Pächter scheiterten, obwohl die lippische Verwaltung die jährliche Pacht von 50 auf 30 Taler gesenkt hatte. Nur ein einziger Müller, Johann Hermann Tölke, hatte Erfolg. Ab 1781 machte er 18 Jahre lang augenscheinlich gute Geschäfte. Aber nach ihm ging’s wirtschaftlich wieder bergab mit der Mühle auf dem Tönsberg.

Nach vielen weiteren Konkursen übernahm im Jahre 1815 die Familie Tenge, inzwischen Besitzer des Gutes Barkhausen, die bankrotte Mühle. Doch um sie stillzulegen, brauchten Tenges wiederum die Genehmigung aus Detmold. Die lippische Verwaltung willigte nach langem Hin und Her schließlich mit Auflagen ein. Er müsse einen anderen Mühlenbetrieb in der Umgebung eröffnen, und es gab eine „Veränderungssperre". Es dürfe nicht ein Stein von der Windmühle entfernt werden – man stellte sie praktisch unter Denkmalschutz.

1851 war die neue Mühle fertig, und die Windmühlenflügel auf dem Tönsberg standen endgültig still. Bis nach vielen Jahren ein Sturm eines Nachts die Flügel aus ihrer Verankerung riss und sie bis zum Breiten Esch, nah am heutigen Gymnasium, beförderte. Aber die Oerlinghauser hatten sich an ihren Mühlenstumpf gewöhnt.

Im Jahre 1926, als Oerlinghausen Stadtrechte erhielt, wurde der Stumpf ins Stadtwappen aufgenommen. Zur 900-Jahr-Feier Oerlinghausens im Jahre 1936 wurde das Gebäude sogar als Aussichtsturm hergerichtet. Doch auch hier war der wirtschaftliche Misserfolg programmiert: Der Wärter an der Kasse bekam viel mehr Lohn, als die Besucher mit ihrem Eintrittsgeld einbrachten. Die Stadt stellte das Projekt nach zwei Jahren ein.

1979 wollte ein Makler aus Bad Salzuflen sie in einen exklusiven Hotelbetrieb umwandeln. Proteste der Bürger verhinderten das. Im Jahre 1982 willigte der Rat in eine Restaurierung des Gebäudes ein. Seither gilt sie als unverwechselbares Wahrzeichen, das das Image der Bergstadt prägt.

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