Konsum, Kneipen, Kolonialwaren

Oerlinghausen . Das Bild unserer Innenstädte hat sich im vergangenen Jahrhundert enorm gewandelt. Saubere Straßen, gepflegte Fassaden, modernere Häuser. Doch die Vielfalt kleiner Geschäfte und Gaststätten ist ebenfalls passé. Auf einem gut besuchten Abend des Heimatvereins im Jägerhaus nahm Werner Nowak die Zuhörer mit auf eine Zeitreise durch Alt-Oerlinghausen – durch die Holter Straße und die Hauptstraße bis in die heutige Rathausstraße. Der verstorbene Architekt Horst Heißenberg hatte früher einmal eine Landkarte der Oerlinghauser &bdquo;Einkaufsmeile“ gezeichnet.

Der Bilderspaziergang begann an der Holter Straße mit Schuh-Solle. Schräg gegenüber besaß Grete Pehle ihr Lebensmittelgeschäft. Nur 50 Meter weiter lag die Gaststätte &bdquo;Wolfseiche“ mit Gastwirt Heinrich Landerbarthold, genannt Panama, der nebenan auch eine kleine Tankstelle betrieb. Kam ein Motorradfahrer zum Tanken, so rief er nur in die Küche &bdquo;Anna tanken“. Worauf Gastwirtsfrau Anna aus der Küche lief und draußen an der Zapfsäule dem Kunden den Tank befüllte. Denn niemals hätte Panama seinen Platz hinter dem Zapfhahn verlassen. Nur 150 Meter weiter lag die nächste Kneipe, der Kastanienkrug. Doch zuvor gab’s noch den Milchladen von Emmi Plass und im übernächsten Haus die Lebensmittel von Elfriede Daube.

Im Untergeschoss des Kastanienkrugs betrieb zu Kaisers Zeiten der Besitzer Lücking auch einen kleinen Kolonialwarenladen. &bdquo;Und in einem Raum unter einer großen Freitreppe in den Biergarten hauste Johann Sikka, ein Weißrusse, der dort Fahrräder und Schuhe flickte“, sagte Werner Nowak. Sikka zog übrigens später in die leerstehende Synagoge an der Tönsbergstraße, nachdem 1938 die jüdische Gemeinde zwangsweise das Gebäude verkauft hatte. An der Einmündung des Welschenwegs besaß &bdquo;Meiers Ziss“ seine Motorrad- und Fahrradwerkstatt. Und nur 100 Meter oberhalb, an der Ecke Friedrichstraße, lag Hermann Diekmanns Bäckerei – am Anfang des 20. Jahrhunderts sogar mit einem Café.

Gegenüber der großen Mauer traf man auf weitere Geschäfte: die Friseurin Priebe, den Maler Rott, die Möbelfirma Brüntrup und das Tabakwarengeschäft Büker. Und nach dem Schuhgeschäft Ober, heute &bdquo;Sanitär und Heizung Bazalik“, gelangte man zum großen Essener Hof, der später zu Rolf Hilkers Stadtschänke umgebaut wurde. Danach kam der Schlachter Pucker und an der Ecke Niedernstraße lag die Bäckerei Wedepohl. Gegenüber am Brachtshof erstreckte sich der Konsum, die genossenschaftliche Lebensmittelverkaufsstelle, die in der Nachkriegszeit von Familie Niggemann betrieben wurde. Am Durchgang zur Kirche besaß Fritz Drewes sein Friseurgeschäft. Er wurde &bdquo;Tempo“ genannt, weil er den Männern in rasanter Geschwindigkeit die Haare schnitt. Danach kam die Bäckerei Koch und ein Haus weiter das längst abgerissene Haus mit dem Elektrogeschäft Geiger.

Panama, Tempo, und der Langsame Weiter ging’s Richtung Simonsplatz. Der &bdquo;Ravensberger Hof“ an der Kirche ist längst verschwunden. Er wurde 1954 von seinem Besitzer in Brand gesteckt und nicht wieder aufgebaut. Gegenüber lag Foto-Schumacher (früher Gustav Hufendiek), dann das Textilgeschäft mit Orden und Ehrenzeichen von Meseke und das Tabakwarengeschäft von Blome. Und vis-à-vis sah man Schlachter Hollmann, später Mücke. Dann kam das Textilgeschäft Kobusch und schräg gegenüber der nächste Friseur Drewes. Diesmal der &bdquo;Langsame“, weil sich Wilfried Drewes Zeit ließ beim Haarschnitt. Gegenüber befand sich das Schuhgeschäft Tölke und das Alte Gasthaus Nagel.

Einen Geschäftsmittelpunkt bildete der Simonsplatz. Hier lag in der Kurve das Textilgeschäft Büteröwe, vormals Paradies. Gegenüber fand man Ruth Böger und ihre Bäckerei. Daneben betrieb Uhren-Sprenger seinen Laden und ein Haus weiter befand sich der Körbe- und Flechtwerkladen der Schwestern Diekmann, &bdquo;die immer schwarz gekleidet waren“ (Nowak). Im Untergeschoss übrigens betrieb zuvor ihr Vater Simon Diekmann sein Küfergeschäft und baute dort Holzfässer.

Weiter an der Hauptstraße: Nach dem Malereigeschäft Ritterbusch kam die Bäckerei Strunk mit einem Café (heute Lolla Rossa) und dann die Minigaststätte &bdquo;Süllwald“. Und gleich gegenüber betrieb Gerhard Rohnke mit seiner Frau ein Spar-Lebensmittelgeschäft und einen erstklassigen Fischhandel. Im Haus des heutigen Bestattungsunternehmens Heilmann war das große Textilgeschäft von Altenbernd beheimatet, zuvor die Gaststätte &bdquo;Zum Goldenen Stern“. Und hatte man das Stadthotel und das Amtsgericht passiert, stieß man bald auf die Drogerie Schlafke. Heute ist dort das Café Kriemelmann angesiedelt. Im Eckhaus daneben lag das Schuhgeschäft Brinkmann, das in den 1950er Jahren wegen des Ausbaus der Ravensberger Straße abgerissen wurde.

Bücher, Geschenke und Schreibwaren gab es bei Blume und ebenso gegenüber bei Lan-geworth. An der Ecke zur Schulstraße lag das große Lebensmittelgeschäft von Ernst und Emmy Freitag. Sie besaßen raumhohe Regalwände mit Fächern für Mehl, Salz und Zucker. Schulkinder, die in der Pause hereinstürmten, erhielten Lakritzschnecken, Salmiakpastillen oder bunte Bonbons in kleine Papiertüten eingepackt. Und das Textilgeschäft Theopold gegenüber den Altdeutschen Bierstuben wurde nach dem Krieg von Helmuth und Lieselotte Hunecke geführt. Daneben lagen Schlachter Schmidt und Friseur Wiedemeier.

So etwas wie das Zentrum Oerlinghausens bildete die Kreuzung Haupt- und Detmolder Straße mit der damaligen Bahnhofstraße. Hier lag Wachsmuth-Melms Apotheke und Heinrich Bremers Eisenwarengeschäft mit der kleinen Kneipe &bdquo;Bremerhaven“ im Kellergeschoss.

Werner Nowaks historische Bilderreise endete bei Meierjohanns Spielwaren- und Haushaltswarengeschäft. Jedes Kind in weitem Umkreis kannte diesen Laden – nicht nur wegen der kinderfreundlichen Inhaberfamilie, sondern auch, weil oft eine heiß begehrte elektrische Modelleisenbahn durch das Schaufenster sauste.

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