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"Sensationsfund" vor 19 Jahren aufgelesen

Gerät aus der Zeit des Neandertalers stammt vom Menkhauser Berg

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Museumsleiter Karl Banghard (links) und der Museumsvereinsvorsitzende Hans Brinkmann halten den Klingenkratzer in den Händen. Nach fast 20 Jahren ist sein wahres Alter festgestellt worden. - © Foto: Prignitz
Museumsleiter Karl Banghard (links) und der Museumsvereinsvorsitzende Hans Brinkmann halten den Klingenkratzer in den Händen. Nach fast 20 Jahren ist sein wahres Alter festgestellt worden. (© Foto: Prignitz)
Sensationsfund vom Menkhauser Berg - © Oerlinghausen
Sensationsfund vom Menkhauser Berg (© Oerlinghausen)

Oerlinghausen. Die Entdeckung kam gerade noch rechtzeitig im Jubiläumsjahr. Der unscheinbare "Sensationsfund", so  Karl Banghard, verlängere die Besiedlungsgeschichte Oerlinghausens locker um das Dreifache.

Manchmal muss der Zufall ein wenig nachhelfen, um versteckte Schätze zu erkennen. Bereits vor fast zwei Jahrzehnten, im Jahr 1992, hatte die ehemalige Mitarbeiterin des Archäologischen Freilichtmuseums, Roswitha Nestler, während eines Spazierganges zwischen Schopketal und Menkhauser Berg einen so genannten Kantenkratzer aufgelesen. Die Bestätigung, dass dieser Fund der Nachweis der bisher ältesten menschlichen Besiedlung auf dem Stadtgebiet ist, glückte erst jetzt.

Information
Neandertaler: Das Mittelpaläolithikum ist der mittlere Abschnitt der Altsteinzeit in Europa. Dieser begann vor zirka 300.000 bis 200.000 Jahren und endete vor etwa 40.000 Jahren. In Europa ist dieser Zeitabschnitt mit dem Neandertaler assoziiert, in Afrika und im Vorderen Orient entspricht er in etwa dem Middle Stone Age. Bereits im 19. Jahrhundert wurden Artefakte aus dem Mittelpaläolithikum entdeckt. Sie wurden lange Zeit jedoch nicht als solche erkannt. (Quelle: Wikipedia)

Zu verdanken ist dies Dr. Birgit Gehlen von der Universität Köln, die bei ihren Recherchen für ein Schwerpunktprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft nach Oerlinghausen gekommen war. Bei dieser Gelegenheit hatte Museumschef  Banghard der Steinzeitexpertin den Fund vorgelegt. Gehlen, so Banghard, gehöre zu den nur wenigen Spezialisten, die ein solches Gerät mit Gewissheit von anderen steinzeitlichen Artefakten unterschieden könnten.

Die Autopsie sei in der Zwischenzeit durch eine weitere Autorität zu Neandertaler-Artefakten, Dr. Utz Böhner vom niedersächsischen Landesamt für Denkmalpflege in Hannover, bestätigt worden.
Datiert wird der Kantenkratzer, mit dem nach Meinung Gehlens sehr wahrscheinlich vor allem Holz bearbeitet worden ist, auf die Zeit zwischen 70.000 bis 40.000 vor Christus. "Funde aus dem so genannten Mittelpaläolithikum haben in Nordwesteuropa Seltenheitswert", betont Banghard.

Zwar sei durch einen gerade in der Zeitschrift "Nature" publizierten Artikel bekannt, dass die bislang ältesten Knochen des modernen Menschen Nordwesteuropas aus Kents Cavern im englischen Devon bereits aus der Zeit um 42.500 vor Christus datieren. "Man kann aber trotzdem davon ausgehen, dass der Menkhauser Klingenkratzer von einem Neandertaler gefertigt worden ist."

Ebenso wie Banghard hebt auch Gehlen die hohe handwerkliche Kunst des Neandertalers hervor. "So ein gut gearbeitetes Stück in dieser Qualität findet man nicht alle Tage", bestätigt die Wissenschaftlerin. "Die Hände des Neandertalers haben kraftvoller und präziser arbeiten können als die des Jetztmenschen", ergänzt Banghard. Birgit Gehlen glaubt, dass der Kantenkratzer "sehr wahrscheinlich bis kurz vor dem Auffinden im Boden gelegen hat." Nur wenige dieser "ungestörten" Funde gebe es. Für Dr. Utz Böhner stellt sich nun die Frage, "ob noch mehr dahintersteckt", sprich, ob an der Fundstelle noch mehr Artefakte gefunden werden könnten.

Dafür muss die genaue Stelle aber erst einmal eingegrenzt werden. "Wir wissen nur ungefähr, wo sie sein könnte", sagt  Banghard. In Oerlinghausen existiere zwar eine der höchsten Fundstellendichten Deutschlands, "aber auf so einen Fund haben wir lange gewartet".

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