Ein Raubmord versetzt Wöbbel im Jahr 1953 in Angst und Schrecken

Schieder-Schwalenberg/Wöbbel. "Viele Bewohner trauern um dieses schlichte Menschenkind, das still und zurückgezogen lebte und keinem Menschen was zu leide tat", wird eine Dorfbewohnerin in der Lippischen Landes-Zeitung an einem Märztag im Jahr 1953 zitiert. Seit drei Tagen befindet sich das Dorf Wöbbel in hellem Aufruhr und zugleich in Trauer. Nur, was war geschehen?

Verhängte Fenster prägen an einem Sonntagvormittag den Anblick eines alten Fachwerkhauses, das der 69 Jahre alten Hannah A.* gehört. Als Nachbarn darauf aufmerksam werden, ahnen sie nichts Gutes. Mehrere Personen beschließen, einmal nach dem Rechten sehen zu wollen. Die Haustür steht offen.

Schauplatz eines schweren Verbrechens Über die Diele betreten sie eine völlig verwüstete Küche. Neben der Tür liegt Hannah A. - regungslos, mit gefesselten Händen und einem Knebel im Mund. Es ist 11 Uhr, als die im Dorf als "sehr angesehen und vermögend" geltende Frau tot aufgefunden wird. Es dauert nicht lange ehe Polizeikräfte aus Detmold anrückten - mit Staatsanwaltschaft und Mordkommission im Schlepptau.

Erhebliche Druckstellen am Hals der Leiche verdeutlichen die Todesursache: A. ist erdrosselt worden. Noch am selben Tag können die Beamten weitere Erkenntnisse gewinnen. Wie diese Zeitung damals erfährt, hat der Täter auf der Suche nach Bargeld nicht nur das Mobiliar in der Küche, sondern auch alle Schränke im Schlafzimmer durchwühlt - mit Erfolg. Ein vierstelliger Betrag soll entwendet worden sein. Weiter wird bekannt, dass die Ermordete vor etwa sieben Monaten schon einmal Opfer einer Straftat wurde und ihr 2.000 Mark gestohlen wurden, heißt es in dem damaligen LZ-Bericht

Der Verdacht erhärtet sich Der Täter damals: Konrad P*., 22 Jahre jung, in Braunschweig geboren. Wegen des Diebstahls wurde er vom Detmolder Gericht zu einer Gefängnisstrafe von sechs Monaten verurteilt. Allerdings gelingt ihm in der Nacht von Freitag auf Samstag - vor dem Mord an der 69-jährigen Wöbblerin - die Flucht. Die Polizei vermutet, dass es sich um denselben Täter handeln könnte.

Am Montag, den 23. März 1953, veröffentlicht die Polizei Fahndungsfotos sowie eine Täterbeschreibung. Diese Maßnahme erweist sich nur wenige Stunden später als Erfolg.

Wie aus Zeugenaussagen hervorgeht, kehrt Konrad P. noch in der Mordnacht in einem Steinheimer Wirtshaus ein, von wo aus ihn ein Taxifahrer nach Altenbeken fährt. Von dort aus nimmt er in der Nacht zum Sonntag einen Zug nach Braunschweig. Wie sich herausstellt, besuchte P. dort kurzerhand seine Mutter - seitdem fehlt von dem Flüchtigen allerdings jede Spur. Eintausend Euro werden zur Belohnung ausgesetzt.

Verhältnis mit der Halbschwester Es vergehen Tage, an denen über die Nachforschungen der Kriminalpolizei keinerlei Einzelheiten an die Öffentlichkeit gelangen. In Wöbbel hegen Anwohner die Angst, dass der Täter abermals zurückkehren könnte, weil er "mit einer weiblichen Person enge Beziehungen unterhielt und der Verdacht bestand, dass P. dort ein Versteck suchte", erfuhr die LZ. Wie sich später herausstellt, handelt es sich bei der Person um seine Halbschwester. Deren Ehemann soll gemeinsam mit Konrad P. den ersten Einbruch bei Hannah A. eingefädelt haben.

Am 9. April 1953 wird in einer kleinen Ortschaft mit dem Namen Münstermaifeld, südwestlich von Koblenz, ein Mann nach einem schweren Einbruch in ein katholisches Pfarrhaus festgenommen. Die Beschreibung eines Fernschreibers aus Koblenz erweckt bei den lippischen Behörden den Verdacht, dass es sich hierbei um den gesuchten Raubmörder handeln könnte. Der Abgleich von Fingerabdrücken bestätigt den Verdacht.

Aufatmen in der Dorfgemeinschaft Noch am selben Tag wird der Täter zu später Stunde den Beamten der Detmolder Kriminalpolizei übergeben. Nach einem ersten Verhör landet P. im Untersuchungsgefängnis. Kollektives Aufatmen in Wöbbel - rund 20 Tage nach dem brutalen Mord an Hannah A..

Ende April gesteht er "nach tagelangem Verhör und unermüdlicher Kleinarbeit, durch die sein Lügengewebe und seine Verbrechertaktik zerstört werden musste" (LZ-Bericht vom 25. April 1953) in einer Voruntersuchung, die 69-jährige A. am Abend des 21. März erdrosselt und beraubt zu haben. Ingesamt 2.100 Mark erbeutete der Lehrling in der Mordnacht. Warum er A. letztlich tötete, blieb jedoch unbeantwortet.

Erbittertes Handgemenge mit dem Opfer Fest steht, dass sich der junge Mann an jenem Abend nach Eintritt der Dunkelheit durch ein Stallfenster Zutritt ins alte Fachwerkhaus verschaffte. Oduktionsergebnisse ergaben "das klassische Bild eines Todes durch Erdrosselung", ließ der Leiter des Pathologischen Institutes damals verlauten.

So habe das Opfer harte Schläge abbekommen, die Ausdruck eines Kampfes waren. Ein harter Kinnschlag soll sie schließlich umgeworfen haben. Während der Erdrosselung mit einem Handtuch soll P. den Ärmel eines Kleides genommen und ihn ihr in den Mund gedrückt haben, um röchelnde Laute zu ersticken.

Urteilsverkündung "Ein Mensch mit einem Charakter, der nicht erlaubt, dass wir ihn als vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft betrachten", ließ ein Gutachter am Tag der Urteilsverkündung verlauten. Als "ausgesprochen intelligent, haltlos und gemeingefährlich" beschrieb er die Charakteristika von Konrad P.

Am 27. Juni 1953 wird der 22-Jährige für seinen "bestialischen Mord an [Hannah A.]." vom Schwurgericht zu einer lebenslangen Gefängnisstrafe und wegen schweren Diebstahls in drei Fällen zu einer zusätzlichen Haft von fünf Jahren verurteilt.

*Anmerkung der Redaktion: Alle Namen geändert.

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