Lippische Landes-Zeitung: Nachrichten aus Lippe, OWL und der Welt

Dieses Traditionsgeschäft schließt in Schieder nach 62 Jahren

Silke Buhrmester

  • 0
Wilma Lehmann (links) und ihr Mann Hans erinnern sich an schöne Zeiten in ihrem Laden, Mitarbeiterin Rosi Wischnewski (hinten rechts) hat 45 Jahre lang Kunden bedient. Lehmanns Tochter Andrea Hausstätter (hinten links) wird ihr Reisebüro weiterhin betreiben. Hund Milo ist der Top-Berater für Pfötchen-Hotels. - © Silke Buhrmester
Wilma Lehmann (links) und ihr Mann Hans erinnern sich an schöne Zeiten in ihrem Laden, Mitarbeiterin Rosi Wischnewski (hinten rechts) hat 45 Jahre lang Kunden bedient. Lehmanns Tochter Andrea Hausstätter (hinten links) wird ihr Reisebüro weiterhin betreiben. Hund Milo ist der Top-Berater für Pfötchen-Hotels. (© Silke Buhrmester)

Schieder-Schwalenberg. Viele Jahrzehnte lang führte Wilma Lehmann ihren Lotto-Toto-/Schreibwarenladen mit angegliederter Postfiliale an der Schwalenberger Straße. Inzwischen hat ihre Tochter Andrea Hausstätter die Geschäftsführung übernommen - zusätzlich zu ihrem Reisebüro. Die 65-jährige Hausstätter hat nun entschieden: Sie gibt das Traditionsgeschäft auf und fokussiert sich ab November auf ihr Reisebüro, das sie als ihren "eigenen Traum" bezeichnet. Doch die Schiederaner werden ihren Lottoschein weiter im Ort abgeben können - ebenso wie ihre Postpakete und Briefe.

Diese Stammkundin kam jeden Tag inn den kleinen Laden an der Schwalenberger Straße. Das Bild entstand 1963, die Zeitschriften wurden an einer Wäscheleine ins Schaufenster gehängt. - © Fotorechte: Wilma Lehmann
Diese Stammkundin kam jeden Tag inn den kleinen Laden an der Schwalenberger Straße. Das Bild entstand 1963, die Zeitschriften wurden an einer Wäscheleine ins Schaufenster gehängt. (© Fotorechte: Wilma Lehmann)

Wilma Lehmann sorgte Anfang der 60er Jahre im dörflichen Schieder für eine kleine Sensation, weil sie einen eigenen Laden zu einer Zeit aufmachte, in der Ehefrauen ihre Gatten noch um Erlaubnis fragen mussten, wenn sie arbeiten wollten. Mit Schreibwaren fing sie klein an. Der Laden, erinnert sich ihre Tochter Andrea Hausstätter, sei damals ein länglicher Schlauch gewesen, in dem es Hefte, Stifte und Pinsel gab - und Zeitungen: "Die wurden jeden Tag an einer Wäscheleine ins Schaufenster gehängt."

Wilma Lehmann mit ihrer Tochter Andrea vor ihrem Laden an der Schwalenberger Straße. In den vergangenen sechs Jahrzehnten hat sich viel verändert. - © Fotorechte: Wilma Lehmann
Wilma Lehmann mit ihrer Tochter Andrea vor ihrem Laden an der Schwalenberger Straße. In den vergangenen sechs Jahrzehnten hat sich viel verändert. (© Fotorechte: Wilma Lehmann)

In der Vorweihnachtszeit gab es sogar Spielwaren. "Puppen, Autos und Spiele stapelten sich im Flur", erinnert sich Andrea Hausstätter an ihre Kindheit. Die Sache hatte einen Haken: Das Spielzeug war gar nicht für die kleine Andrea bestimmt. Es war Ware, die ihre Mutter ausschließlich in dieser besonderen Jahreszeit verkaufte.

55 Jahre Lotto-Toto

Schnell expandierte Wilma Lehmann, sie erhielt 1968 den Zuschlag für eine Lotto-Toto-Annahmestelle, verkaufte Tabakwaren und ab 1978 auch Reisen. "Meine Mutter war immer sehr innovativ - zum Beispiel, als WestLotto diese braune, neue Inneneinrichtung einführte - da wurde unser Laden landesweit als zweiter so ausgestattet." Es waren schöne Zeiten, erinnert sich das Ehepaar Lehmann. Es habe sogar ein Umsatz-Ranking gegeben, bei dem Lehmanns auf Platz eins landeten. Gemeinsam mit anderen Lottostellen-Betreibern seien sie auf Reisen gewesen oder seien zu besonderen Events eingeladen worden.

Zu guter Letzt, als in den 1990ern die Postämter in den kleineren Orten schlossen, eröffnete in dem mittlerweile deutlich größeren Ladenlokal auch eine Postfiliale mit Postbank - das Metier von Wilmas Ehemann Hans Lehmann, der daran viel Freude hatte und fortan im Geschäft mitarbeitete. Doch das bedeutete mehr, als Briefmarken verkaufen. Es gab regelmäßige Schulungen und Überprüfungen.

Mit viel Leidenschaft

Auch Andrea Hausstätter arbeitete zunächst im elterlichen Laden - als Aushilfe. Ihre große Leidenschaft galt der Vermittlung von Reisen. Anfang der 90er Jahre übernahm sie diesen Sektor von ihrer Mutter, als Buchungen via Telefon und BTX durch den Computer abgelöst wurden. Sie besuchte Seminare und Wochenendkurse, zahlte Fort- und Weiterbildungen selbst. Eine hohe Belastung für die alleinerziehende Mutter mit zwei Kindern. "Ich hab es nicht bereut", versichert sie.

Selbst die Corona-Zeit, in der sie mehr als ein Jahr lang gar nichts verdiente, ja, sogar Provisionen von stornierten Reisen zurückzahlen musste, hat sie überstanden. Inzwischen haben sich die Geschäfte wieder erholt. Vielleicht haben die Pandemie und die damit verbundenen Unannehmlichkeiten der Branche sogar geholfen. Hausstätter hat viele ältere Kunden - und die wüssten den Service und die Gewissheit, dass sich die Reisefachfrau kümmert, wenn es Probleme gibt, zu schätzen, sagt sie.

Vor ein paar Jahren dann übernahm sie das komplette Geschäft von ihren Eltern, die mittlerweile beinahe 90 sind. WestLotto und Postfiliale gibt sie zum Monatsende nach reiflicher Überlegung ab; Bücherbestellungen, sowie den Verkauf von Schreibwaren, Presse und Tabakwaren stellt sie ebenfalls ein. Die Digitalisierung in den Schulen habe dazu geführt, dass immer weniger Schreibwaren benötigt würden. Zudem würden sich die Kunden Bücher lieber im Internet bestellen, wo sie gleich am nächsten Tag kostenfrei geliefert würden: "Die Zeiten haben sich geändert."

Mitarbeiterin ist 45 Jahre dabei

Die Nebenkosten und die Personalkosten seien zudem inzwischen so hoch, dass sich das Geschäft nicht mehr lohne. Wobei die Akquise von Mitarbeiterinnen für die Lehmanns nie ein Problem gewesen sei. Die "gute Seele" des Geschäfts, Rosi Wischnewski, ist immerhin seit 45 Jahren dabei. Und was fängt die 77-Jährige dann an? "Auf jeden Fall regelmäßig im Reisebüro vorbeischauen", hat sich Wischnewski vorgenommen.

Dass die Versorgung der Lotto- und Postkunden weiterhin gesichert ist, sei ihr bei der Entscheidung für die Geschäftsaufgabe wichtig gewesen, unterstreicht Hausstätter. Umso mehr freut sie sich, dass nur wenige Meter entfernt Foto Beckmann diesen Service ab November anbietet. Inhaber Sven Beckmann hat dieser Tage alle Hände voll zu tun. Er muss sein Ladenlokal komplett umgestalten und richtet derzeit die Lotto-Ecke und die digitale Ausfüllstation ein. In den nächsten Tagen kommt zudem die Einrichtung für die Postfiliale. Den Hermes-Shop musste Beckmann derweil abgeben - doch auch hier haben es Kunden künftig nicht weit: Annahmestelle wird die Q1-Tankstelle, bestätigte Betreiber Uli Göke.

Copyright © Lippische Landes-Zeitung 2025
Inhalte von lz.de sind urheberrechtlich geschützt.
Weiterverwendung nur mit Genehmigung der Chefredaktion.

Kommunalwahl-Abo

Angebot zur Kommunalwahl

5 Wochen Lippische Landes-Zeitung lesen -
gedruckt UND digital!

Jetzt bestellen
Kommunalwahl-Abo