Schieder-Schwalenberg. In Schwalenberg haben sich Schriftsteller, Übersetzer und Verleger aus Belarus, Polen, Litauen und Deutschland getroffen und vor Publikum gelesen und diskutiert. Es ging um die Fragen, wie mit Kultur und Literatur Räume der Begegnungen jenseits territorialer Grenzen entstehen können und die Frage „wie guckt der Westen auf den Osten und der Osten auf sich selbst“. Der Verein Europäisches Laboratorium hatte zu dieser intensiven Begegnung an drei Tagen eingeladen.
„Gekennzeichnet waren alle Lesungen und Gespräche vom Krieg in der Ukraine, der sich verheerend auf die Lage der Bevölkerung auch in den Nachbarländern auswirkt“, heißt es in einem Nachbericht des Vereins.
In seiner Eröffnungsrede betonte der Sozialanthropologe Andrei Vazyanau, dass neben den harten Grenzen zwischen zwei Staaten auch Grenzbereiche existierten, die durch den wechselseitigen Austausch besonders vielfältig seien. Nun sehe er, dass zur Zeit wieder neue undurchdringliche Mauern entstünden, physisch und emotional.
Große Solidarität mit den aus der Ukraine Geflüchteten gebe es in Polen, betonte Olaf Kühl. Der Übersetzer und Experte für Polen und Russland stellte die komplexe Historie dieses osteuropäischen Raums mit immer neuen Machtverhältnissen und Grenzziehungen vor.
Bulldozer machen Gräber platt
Marius Ivaskevicius und Giedre Kazlauskaité aus dem litauischen Vilnius berichteten in den Gesprächen, dass die junge Generation in Litauen an Geschichte und an den Sorgen ihrer Nachbarländer nicht interessiert sei. Geschockt sei der polnische Autor Michal Ksiazek gewesen, als er im Gespräch von seinem belarusischen Kollegen Zmicier Vishniou erfuhr, dass in Belarus polnische Kriegsgräber mit Bulldozern dem Erdboden gleichgemacht würden.
Der im Berliner Exil lebende Verleger und Schriftsteller Zmicier Vishniou las Gedichte und Prosa, in der er Worte für die Sprachlosigkeit und Orientierungssuche in einer fremden Umgebung fand.
Der nach Gießen emigrierte belarusische Autor Artur Klinau sieht die Zukunft seines Landes pessimistisch, er befürchtet eine weitere Russifizierung des Raums. Marius Ivaskevicius berichtete von der Angst vor einem zweiten Krieg.
Im Abschlussgespräch unterstrichen die Schriftsteller, wie schnell Pauschalierungen zu Vorurteilen führen und wie wichtig der differenzierte Blick sei. Solche Begegnungen wie diese in Schwalenberg dienten dem offenen Kennenlernen.