
Bielefeld. Klingt harmlos, ist es aber nicht: Badesalz ist die neue Modedroge, die aus den Millionenstädten nach Ostwestfalen-Lippe schwappt. Der weiße, kristalline Stoff erinnert tatsächlich an ungefährliches Badesalz, doch die Wirkung des Amphetamins Mephedron ist verstörend. In hoher Dosis löst es Verfolgungswahn, Bissattacken oder auch Selbstverstümmelungen aus.
"Manche Patienten hören Stimmen", berichtet Ulrich Kemper, Chefarzt der Klinik für Suchtmedizin des LWL-Krankenhauses in Gütersloh. "Einige haben das Gefühl, ihr Körper löst sich auf." Wieder andere glauben sich von Zombies verfolgt, die ihre Köpfe unter dem Arm tragen. Kein Wunder, dass die Badesalz-Konsumenten dann alles daransetzen, sich zu verteidigen.
"Ein schmaler junger Mann hat sich gegen vier Polizisten durchgesetzt. Die mussten Verstärkung anfordern", erzählt Kemper. Zwei bis drei Badesalz-Patienten im Monat behandelt er. Von einer ähnlichen Quote berichtet auch Kempers Osnabrücker Kollege Uwe Schwichtenberg, Chef des Ameos-Klinikums. Die Zahlen werden in Zukunft noch steigen, fürchten beide.

Das Badesalz wird von den Konsumenten zumeist geschnupft oder geschluckt. Wer die richtige Dosierung erwischt, den kann das Amphetamin euphorisch machen. Es erhöht den Rededrang, reduziert Appetit und Durst. Wer zu viel erwischt, leidet unter starken Angstgefühlen, wird depressiv, entwickelt Verfolgungswahn. Im schlimmsten Fall reagieren Badesalz-Psychotiker unglaublich aggressiv auf ihre Mitmenschen. Mehrfach berichteten Medien in den vergangenen Monaten, dass mutmaßliche Badesalz-Konsumenten ihnen völlig fremden Menschen das Gesicht zerbissen haben.
Spätfolgen noch nicht bekannt
Eher selten sind skurrile Fälle wie der eines jungen Mannes, von dem der Osnabrücker Mediziner Schwichtenberg berichtet. Der Patient landete in der Klinik, weil er mitten auf einer belebten Kreuzung stand und den Verkehr regeln wolle. Zuvor hatte er zwei Tage lang im Schrank gehockt, weil er sich vor wilden Tieren fürchtete, die er in seiner Wohnung gesehen hatte.
Gar nicht so leicht ist es, die Patienten zur Ruhe zu bringen. Beruhigende Medikamente wirken nicht gegen die sogenannte Badesalzpsychose. "Manchmal hilft nichts anderes, als den Patienten festzuschnallen, bis er sich beruhigt hat." Die Diagnose ist für den behandelnden Arzt alles andere als einfach. Der Gebrauch von Badesalz fällt unter die Rubrik "Probierkonsum". Betroffene probieren oft noch andere, zumeist leichte Drogen aus. "Aber wer das einmal erlebt hat, hat kein Interesse daran, noch einmal hineinzugeraten."
Welche Spätfolgen der Konsum des Amphetamins hat, ist noch nicht bekannt. "Wir wissen nicht, ob bleibende Schäden entstehen. Alles, was wir tun können, ist, den Menschen zu helfen, aus der Situation herauszukommen", sagt Kemper.
Verlockend ist Badesalz vor allem für junge Menschen zwischen 16 und 30 Jahren, hat Kemper beobachtet. Es ist ganz unkompliziert im Internet zu bestellen, und das oft zu geringem Preis. "Wir reden von Beträgen um die zehn Euro", sagt Kemper. Der typische Badesalz-Konsument ist nach seiner Erfahrung "eher der ruhige Vertreter. Für den Typ 'Türsteher' ist das nichts."
Zu Kempers Leidwesen ist das Badesalz nicht einmal illegal. "Die Einzelsubstanzen müssten verboten werden." Das aber zeigt wenig Wirkung, weil es reicht, eine Kleinigkeit in der Rezeptur zu verändern, um wieder auf die legale Seite zu wechseln. Und um ganz sicher zu gehen, wird der Stoff nicht als Droge angepriesen, sondern eben als "Badesalz". Immer mit dem Hinweis: "Nicht für den Verzehr geeignet."