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Schäferin ohne Angst vorm Wolf

Ortrun Humpert, Vorsitzende des NRW-Schafzüchterverbandes, arbeitet mit Hirtenhunden

von Hubertus Gärtner

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Ortrun Humpert schmust mit ihren beiden Hirtenhunden. - © FOTO: PRIVAT
Ortrun Humpert schmust mit ihren beiden Hirtenhunden. (© FOTO: PRIVAT)

Löwendorf. "Hi Mädels", sagt Ortrun Humpert (50), wenn sie zu ihren Schafen auf die Weide geht. Die Tiere wenden dann mit einem Ruck den Kopf. "Die können zählen und sich menschliche Gesichter merken", behauptet Humpert - und redet einfach weiter, als handele es sich um altbekannte Weisheiten.

Sie wurde in Hannover geboren und studierte Psychologie und Pädagogik. Dann kaufte sie ein altes Bauernhaus in Löwendorf (Kreis Höxter) und betrieb dort viele Jahre lang ein Café. Als im Garten das Grün zu sehr wucherte, schaffte sie sich ein Schaf an. Daraus wurde eine Leidenschaft.

Heute nennt Humpert, verheiratet und Mutter von drei Töchtern, etwa 400 erwachsene Schafe ihr eigen, mit denen sie Flächen von etwa 60 Hektar im Kreis Höxter pflegt und beweidet. Bei ihren Tieren handelt es sich um seltene Rassen, die auf der roten Liste stehen: weiße gehörnte Heidschnucken ("die seltenste Schafart in Deutschland"), weiße hornlose Heidschnucken ("auch Moorschnucken genannt, weil sie beim Fressen bis zum Bauch im Wasser stehen können") und Skudden, "die kleinste Schafart", wie Humpert erzählt.

Schafe, Rehe und Wildschweine auf dem Speiseplan

All das wäre vielleicht immer noch nicht der Rede wert. Aber seit Humpert 2012 den Vorsitz im Schafzüchterverband NRW übernommen hat, ist ihr Bekanntheitsgrad gestiegen. In dieser Rolle, mit der sie 1.900 Züchter zwischen Rhein und Weser vertritt, habe sie sich schon "viel Ärger eingehandelt", sagt Humpert. Vermutlich werde sie "auch in Zukunft noch reichlich Prügel bekommen".

Der Grund dafür ist ihre Haltung zum Wolf. Weil er sich nicht nur in den ostdeutschen Bundesländern, sondern inzwischen auch in Niedersachsen wieder angesiedelt hat, gehen alle Fachleute davon aus, dass er dauerhaft auch nach NRW kommt. Viele Schafzüchter, aber auch etliche Jäger finden das gar nicht gut. Denn der Wolf ist ein Raubtier. Schafe, Rehe und Wildschweine stehen auf seinem Speiseplan.

Trotzdem dürfe man ihn "nicht bekämpfen", fordert die oberste Schafzüchterin des Landes. Denn "auch der Wolf ist eine geschützte Art und Teil der Natur". Die Schafherden sorgen dafür, dass die Verbu-schung (Sukzession) auf vielen Naturschutzflächen verhindert wird und zahlreiche Tiere und Pflanzen dort ihren Lebensraum behalten. "Als Schützer der Artenvielfalt dürfen wir doch nicht eine Art niedermachen", sagt Humpert.

Hirtenhunde als probates Mittel

Sie verstehe zwar die Sorgen der Kollegen. Aber in erster Linie müsse es nun darum gehen, dass "die Prävention gefördert" wird. Mit elektrischen Zäunen und stabileren Pferchen könnten die Schafe wirksam vor dem Wolf geschützt werden. Ein anderes probates Mittel seien Hirtenhunde. Im Unterschied zu den Hütehunden, deren Aufgabe es in erster Linie ist, die Schafherden zusammenzuhalten und auf die erlaubten Pfade zu führen, sind Hirtenhunde dazu da, die Schafe vor Eindringlingen jeder Art zu schützen.

"Hirtenhunde fühlen sich selbst als Teil der Herde, sie trinken sogar mit den Lämmern", sagt Humpert. Aber sie passen höllisch auf, dass sich kein fremder Mensch und kein fremdes Tier der Herde nähert. Falls das passiert, wird der Eindringling unweigerlich "gestellt" und in letzter Konsequenz auch attackiert.

Humpert hat zwei Hirtenhunde gekauft, nachdem 2010 ein Luchs zehn junge Lämmer aus ihrem Bestand gerissen hatte. Auch Kolkraben seien für die Lämmer eine Bedrohung. Hirtenhunde würden diese Vögel vertreiben, und der Wolf werde sich vor ihnen ebenfalls in Acht nehmen, hofft die Vorsitzende des NRW-Schafzüchterverbandes und spricht stolz von ihrem "Pilotprojekt". An einem Zaun hat sie mehrere Warnschilder wegen der Hirtenhunde angebracht.

In Sachsen und Brandenburg arbeiteten mittlerweile schon viele Schafhalter mit Hirtenhunden. Bei der Prävention und etwaigen Entschädigungen für Schafhalter sei man in Sachsen "vorbildlich". Auch das Land NRW, das gerade Elektrozäune als Notfall-Sets gegen Wolfsangriffe angeschafft hat, müsse sich wappnen. "Vielleicht gibt der Wolf uns ja noch etwas Zeit. Aber er wird kommen", sagt Humpert.

Information

Mehr Schutz für das wilde NRW

Das Land NRW will Tier- und Pflanzenarten und deren Lebensräume für das nächste Jahrzehnt sichern helfen. "Das wilde NRW ist bedroht", sagte Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) bei der Vorstellung eines Entwurfs für eine Strategie zum Erhalt der sogenannten Biodiversität in Düsseldorf. Zu den vom Kabinett vorgesehenen rund 150 Maßnahmen gehören Schutz-programme für gefährdete Arten, die Halbierung des täglichen Flächenverbrauchs bis 2020 von derzeit zehn auf fünf Hektar und die Wiederherstellung naturnaher Agrarlandschaften. Auch die Ausweisung eines zweiten Nationalparks im Gebiet der Senne in OWL wird angepeilt. Einen ersten gibt es seit zehn Jahren in der Eifel.

"Der Verlust an biologischer Vielfalt ist neben dem Klimawandel eine unserer zentralen Herausforderungen", machte Remmel deutlich. Laut Umweltministerium sind inzwischen knapp 45 Prozent der in NRW heimischen Tiere, Pilze und Pflanzen gefährdet, vom Aussterben bedroht oder bereits verschwunden. Der Lebensraum Grünland schrumpfte seit 1970 durch Bebauung, Zersiedelung und Landwirtschaft um über 40 Prozent.

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