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Kinderarzt warnt vor Impfmüdigkeit

Rahdener appelliert an skeptische Eltern / Gesundheitsamt sieht positive Entwicklung

von tyler larkin und frank hartmann

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Buntes und Künstlerisches gabs beim Ostereiermarkt in Bödexen. - © Patricia Speith
Buntes und Künstlerisches gabs beim Ostereiermarkt in Bödexen. (© Patricia Speith)

Rahden. "Impfungen sind der beste Schutz gegen gefährliche ansteckende Krankheiten und die preiswerteste Vorsorge gegen Gesundheitsschäden oder Tod." Darauf macht der Rahdener Kinderarzt Wolfgang Adam aufmerksam. Zugleich appelliert er an die Eltern: "Lassen Sie sich bei Ihrem Arzt beraten und schützen Sie Ihre Kinder."

Was der Rahdener Fachmediziner Adam von seiner täglichen Arbeit berichtet, ist erschütternd: "Als alter Kinder- und Jugendarzt habe ich genügend tödliche Entzündungen bei Masern und Meningokokken mit ansehen müssen. Bei Pneumokokken-Hirnhautentzündungen habe ich allein in unserer Praxis drei schwerste Verläufe gesehen, nach denen die betroffenen Kinder für immer schwerstbehindert geblieben sind." Zwei Mütter unter 40 Jahren seiner kleinen Patienten hätten durch Gebärmutterhals-Krebs ihr junges Leben und die Kinder ihre Mutter verloren. Zweimal sei es bei Windpocken – einer fast immer harmlos verlaufenden Erkrankung – zu Hirnhautentzündungen gekommen, ein Kind sei behindert geblieben.

Leider sei der Wert der Schutzimpfungen nicht mehr allen Erwachsenen – insbesondere auch Eltern – klar. Bei verschiedenen Impfungen stelle er eine "Impfmüdigkeit" fest – auch im Mühlenkreis und trotz regelmäßig guter Impfkampanien seit 2007 durch die AG Gesundheit der Kommunalen Gesundheits- und Pflegekonferenz. Dafür, so Adam, hätten die Kinder- und Jugendärzte kein Verständnis.

"Hätten wir gegen Ebola oder AIDS eine Impfung, fast jeder ließe sich impfen und wäre wohl froh", meint Adam. Im Gegensatz dazu sei die Durchimpfungsrate im Kreis Minden-Lübbecke zwischen 2005 und 2011 bei Schulanfängern von 98 auf 93 Prozent zurückgegangen. Unter anderem bei Poliomyelitis, Tetanus, Diphtherie, Hepatitis B, Haemophilus influenzae b und Pertussis 1.

Bei Masern, Mumps und Röteln sei dagegen die Durchimpfungsrate im genannten Zeitraum im Kreis statistisch von 67 auf 93 Prozent gestiegen – aber erst nach Einführung der Zweitimpfung. Adam: "Bei dieser Durchimpfungsrate ist kaum mehr eine Masernepidemie in unserem Gebiet zu erwarten. Diese gute Nachricht führen wir auf die vom Kreis durchgeführten Impfkampagnen und die aufsehenerregenden Epidemien und tödlichen Masernfälle in der Bundesrepublik zurück."

Auch mit Impfzahlen etwa für Pneumokokken und Meningokokken C- , Windpocken und humanen Papillomviren hat Adam sich beschäftigt. Impfraten dazu lägen bei den Behörden leider nicht vor. "Sie sind aufgrund meiner Beobachtungen aber viel zu niedrig und zurückgegangen", so Adam. Gerade bei den Pneumokokken-Bakterien könne man zahlreiche Hirnhaut-, Ohren- und sogar tödliche Lungenentzündungen – die zweithäufigste Todesursache bei alten Menschen – verhindern.

Auch die Menigokokken C Impfung werde in letzter Zeit wie die Pneumokokken-Impfung von den Eltern oft abgelehnt, obwohl sie schwerste, nicht selten tödliche Entzündungen verhindern könne.

Peter Witte, Leiter des Gesundheitsamtes im Mühlenkreis, sieht die Situation nicht so dramatisch wie sein Medizinerkollege Wolfgang Adam. "Seit 2010 gilt für einige Impfungen eine andere Erfassungsgrundlage, so dass nur scheinbar die Zahlen zurückgehen", sagte Witte auf Anfrage. Er sieht sogar eine ansteigende Impftendenz: "Bei den Masernimpfungen lagen wir 2005 bei unter 60 Prozent, aktuell bei 95 Prozent. Da konnten wir deutlich aufholen." Auch die Impfquoten bei Schulanfängern für Mumps, Röteln, Tetanus und Polio liegen bei etwa 95 Prozent, sagte Witte.

Information

Empfohlene Impfungen

  • Im Epidemiologischen Bulletin der ständigen Impfkommission am Robert Koch-Institut in Berlin werden regelmäßig Impfempfehlungen ausgesprochen.
  • Die jüngsten Empfehlungen gelten seit 25. August 2014.
  • Der Impfkalender für Säuglinge, Kinder, Jugendliche und Erwachsene umfasst Impfungen zum Schutz vor Tetanus, Diphtherie, Keuchhusten (Pertussis), Kinderlähmung (Poliomyelitis), Hepatitis B, Haemophilus influenzae Typ b (Hib), Pneumokokken, Rotaviren, Meningokokken C, Masern, Mumps, Röteln, Windpocken (Varizellen), Grippe (Influenza) und humane Papillomviren.

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