Düsseldorf. Langzeitarbeitslose werden in NRW deutlich schlechter betreut als im Bundesdurchschnitt. Experten sehen darin auch einen Grund dafür, dass Langzeitarbeitslose hier nicht entsprechend vom Rückgang der Erwerbslosigkeit profitieren. Gewerkschaftsvertreter und auch der nordrhein-westfälische Arbeitsminister Guntram Schneider üben Kritik an der Situation.
Bundesweit gelten über 1,1 Millionen Männer und Frauen als langzeitarbeitslos, weil sie seit über einem Jahr auf Jobsuche sind. Das sind 42 Prozent aller Arbeitslosen. In NRW ist die Quote mit 72 Prozent allerdings deutlich höher: Von den 726.000 Arbeitslosen haben mehr als 537.000 schon seit mehr als einem Jahr keinen Arbeitsplatz. Nur gut die Hälfte der Jobcenter (18 von 35) erfüllt in NRW die gesetzliche Richtmarke beim sogenannten Betreuungsschlüssel. Diese besagt, dass ein Betreuer für maximal 150 Arbeitslose (über 25 Jahre) zuständig sein soll. Im Bundesgebiet erreichen 66 Prozent der Jobcenter diese Quote. In OWL gelingt dies nur der Einrichtung in Höxter (150). Bielefeld und Herford (je 153) sowie auch Paderborn (156) schaffen es hingegen nicht.
Für junge Erwachsene unter 25 Jahren gibt das Sozialgesetzbuch II als Richtgröße ein Betreuungsverhältnis von 1 : 75 an. Bundesweit erreichen lediglich 55 Prozent der Jobcenter diesen Wert. In NRW sind es nur 13 Einrichtungen.
Jobcenter übertragen Aufgaben an Arbeitsagenturen
In der Regionaldirektion NRW der Bundesagentur für Arbeit (BA) heißt es dazu, eine ganze Reihe von Jobcentern habe den Bereich Arbeitsvermittlung, der einen großen Teil der Betreuung unter 25-jähriger Arbeitsloser ausmache, an die örtlichen Arbeitsagenturen übertragen; deshalb könnten Betreuer mehr Fälle bearbeiten. Berücksichtigt sind bei all diesen Zahlen ausschließlich Jobcenter, die von Kommunen und Arbeitsagenturen gemeinsam getragen werden; über die Betreuungslage in den rein kommunalbetriebenen Jobcentern haben weder Bundesregierung noch Arbeitsverwaltung nähere Informationen.
Laut BA gibt es angeblich keine Beweise für einen direkten Zusammenhang zwischen geringer Arbeitslosigkeit und günstigem Betreuungsschlüssel. Andererseits wird in der Arbeitsverwaltung aber auch eingeräumt, dass "viel Personal auch viel bewegt".
DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber sieht die Sachlage kritisch. Sie sei "Folge einer Kürzungsorgie im Bereich der aktiven Arbeitsmarktpolitik", sagt er. Es stünden heute rund 40 Prozent weniger Mittel zur Verfügung als noch 2010. "Wenn wir mehr Hartz-IV-Empfängern einen Weg in den Arbeitsmarkt eröffnen wollen, müssen wir dringend die Kehrtwende schaffen", so der DGB-Landeschef. Es müsse "ein sozialer Arbeitsmarkt" geschaffen werden.
NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider sagte dieser Zeitung, die rot-grüne Landesregierung habe die Kürzungen "immer kritisiert". Schneider begrüßt, dass die Bundesregierung 2015 in Anlehnung an das NRW-Projekt "Öffentlich geförderte Beschäftigung" bundesweit ein entsprechendes Programm umsetzen will. Das sei aber "noch lange nicht ausreichend, um die in NRW verfestigte Langzeitarbeitslosigkeit deutlich zu reduzieren".