Bielefeld. Seit Ende November mussten 3,5 Millionen Tiere in Risikogebieten in OWL im Stall bleiben. Jetzt hebt das Landwirtschaftsministerium die selektive Stallpflicht in Nordrhein-Westfalen per neuem Erlass mit sofortiger Wirkung auf. NRW folgt damit dem Beispiel der Ministerien in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Gebannt sei das Infektionsrisiko mit dem Vogelgrippevirus H5N8 indes noch nicht, sagen Experten.
Das Agrarministerium Niedersachsen legte vergangene Woche vor, die anderen ziehen jetzt nach. Mit Ende der Woche wird die Stallpflicht auch in Mecklenburg-Vorpommern und NRW aufgehoben. Das teilten Sprecher der Ministerien auf Anfrage dieser Zeitung mit. "Wir haben uns in vergleichender Betrachtung mit den anderen Bundesländern und den Niederlanden dazu aus behördlicher Sicht entschieden", sagte eine Sprecherin des NRW-Landwirtschaftsministeriums. Damit erhalten die Kreise Handlungsfreiheit. "Die Kreisbehörden sind aufgefordert eine eigene Risikoeinschätzung vorzunehmen und zu entscheiden, ob sie die Stallpflicht vor Ort aufrechterhalten wollen." So soll in Paderborn, einem der am stärksten betroffenen Kreise in OWL, die Stallpflicht in 1.600 Betrieben umgehend aufgehoben werden, teilt das Kreisveterinäramt mit.
Politik greift Experten vor
In den vergangenen Monaten hatte das NRW-Ministerium wiederholt auf die Risikoeinschätzung der zuständigen Bundesexperten vom Friedrich-Loeffler-Institut (FLI) verwiesen. Solange es von Expertenseite keine neue Einschätzung gibt, werde die Stallpflicht in NRW beibehalten, hatte Pressesprecher Frank Seidlitz noch im Januar gegenüber dieser Zeitung versichert. Jetzt hat die Politik offenbar den Experten vorgegriffen.
Denn eine neue Risikobewertung gebe es nicht, sagt Elke Reinking, Biologin und Sprecherin des FLI-Bundesinstituts für Tiergesundheit. "Wir können im Moment noch immer nicht abschätzen, wie verbreitet das Virus unter Wildvögeln ist. Neue Infektionen sind nicht auszuschließen. Entwarnung können wir aus unserer Sicht nicht geben, auch wenn es in letzter Zeit weniger neue Fälle gegeben hat."
Gutes Management der Tiergesundheit
Während in OWL Geflügelwirte rund um den Zugvogelrastplatz Steinhorster Becken und in Wesernähe aufatmen können und Millionen Enten, Hühner, Gänse wieder Freigang erhalten, wird im Institut auf der Insel Riems weitergeforscht. Auch ohne Stallpflicht - die enge Zusammenarbeit mit den Laboren der Länder und das Wildvogelmonitoring werden fortgesetzt, sagt Reinking. "Wir halten so in einem speziellen Gehege Stockenten, die Kontakt zu Wildvögeln haben. An ihnen sehen wir, welche Viren gerade unterwegs sind."
Dass es beim diesjährigen Ausbruch der Vogelgrippe bei punktuellen Einträgen in Geflügelbetrieben in Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen geblieben ist, sei den Haltern zu verdanken, sagt Reinking. "Alle sind sehr aufmerksam." Das Tiergesundheitsmanagement in Deutschland sei außergewöhnlich gut.
Stallpflicht im Kreis Lippe
Für einen Zeitraum von drei Monaten mussten Geflügelhalter im Norden der Gemeinde Kalletal (Ortsteile Farmbke, Erder, Varenholz und Stemmen) ihre Tiere in geschlossenen Ställen unterbringen. In dem ausgewiesenen Gebiet gibt es keine größeren Geflügelmast-, beziehungsweise Legehennenbetriebe, daher waren von den Maßnahmen insgesamt nur 308 Tiere bei 23 privaten Haltern betroffen.
Wichtig: Auch wenn der Kreis Lippe nach sorgfältiger Risikobewertung die Stallpflicht aufhebt, empfehlen die Veterinäre den Geflügelhaltern dringend, weiterhin ihre Bestände sorgfältig zu beobachten und dem Veterinäramt nicht erklärbare Erkrankungen oder Todesfälle in ihren Beständen zu melden, heißt es in einer Pressemitteilung des Kreises Lippe.