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Sonnenfinsternis: Angst vor dem Blackout

Tina Gallach

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Sonnenfinsternis: Schiebt sich der Mond vor die Sonne am 20. März, senkt
das abrupt die Leistung von Photovoltaikanlagen. Die starke Schwankung 
im Stromnetz könnte im schlimmsten Fall einen Blackout verursachen. - © DPA
Sonnenfinsternis: Schiebt sich der Mond vor die Sonne am 20. März, senkt das abrupt die Leistung von Photovoltaikanlagen. Die starke Schwankung im Stromnetz könnte im schlimmsten Fall einen Blackout verursachen. (© DPA)

Bielefeld. Es wird schlagartig still, Wind kommt auf; dann scheint die Natur den Atem anzuhalten. Eine Sonnenfinsternis ist ein echtes Erlebnis. Die deutschen Stromversorger sehen allerdings noch eine andere Seite. "Weil Deutschland seit der Energiewende mehr Strom aus Solarkraft gewinnt, sind wir viel mehr vom Sonnenlicht abhängig als früher", sagt Andreas Preuß. "Das könnte bei der Sonnenfinsternis zum Problem werden."

Preuß ist Pressesprecher bei Amprion, einem von vier Netzbetreibern in Deutschland, deren Leitungen sozusagen die Stromautobahnen sind, über die aus unterschiedlichen Quellen gewonnene Energie durchs Land rauscht. "Gibt es auf diesem Weg Schwankungen, müssen wir das umgehend ausgleichen, damit alles so beim Verbraucher ankommt, wie es sein soll."

Schwankender Strom

Eigentlich ein Tagesgeschäft: Wollen zur Fußball-WM alle gleichzeitig ein Spiel sehen, muss mehr Strom fließen. Schalten nach Abpfiff alle den Fernseher aus, braucht man weniger, damit die Netze nicht überlastet sind. Solange der Strom dafür überwiegend aus konventionellen Kraftwerken kam, war das kein Problem: Verbrauchsschwankungen konnten über zusätzliches Einspeisen von gespeichertem Strom oder über schnelles Herauf- oder Herunterfahren von Kraftwerken ausgeglichen werden. Mit Sonnen- und Windenergie ist das schwieriger. Bei wolkenlosem Himmel gibt es die volle Sonnenpower. An einem verhangenen Tag nicht. Es muss also unabhängig vom Verbrauch reguliert werden.

"Am 20. März wird die Sonne zwischen 9:30 und 12 Uhr bis zu 82 Prozent vom Mondschatten verdeckt sein", erklärt Preuß. "Wegen des hohen Anteils an Photovoltaik in Deutschland ist das eine Herausforderung." Zumal man inzwischen auch europaweit verbunden ist. Zu heftige Schwankungen können sich über Ländergrenzen hinweg auswirken. Im Extremfall droht eine Kettenreaktion: ein totaler Stromausfall. Ein Blackout.

Vision vom Blackout
Wer das gleichnamige Buch von Marc Elsberg aus dem Jahr 2012 gelesen hat, wird an unangenehme Szenen erinnert. Elsberg schildert einen rund zweiwöchigen europaweiten Blackout, der nicht wenige Leser nach Ende der Lektüre in den nächsten Laden für Campingbedarf getrieben hat, um sich für den Notfall auszurüsten. Denn ohne Strom geht nichts mehr.

Die Nahrungsversorgung bricht zusammen, weil weder Kühlung noch Transportketten funktionieren. Genauso steht es um die Wasserversorgung; ohne Strom keine Toilettenspülung, kein Wasser aus dem Hahn. Kühlschränke, Herde, Heizungen, alles bleibt aus. Und wer meint, einfach dahin fahren zu können, wo es besser ist, vertut sich: Ohne Strom gibt?s auch kein Benzin. Fazit: Es würde Chaos herrschen, Panik ausbrechen, Elsberg beschreibt bürgerkriegsähnliche Verhältnisse. Aber ist das realistisch?


Realistisches Szenario

"Eindeutig ja, wenn man einen großflächigen Stromausfall voraussetzt, der länger als wenige Tage dauert", sagt Anja Ritschel, Krisenstabsleiterin der Stadt Bielefeld. Um das zu verhindern, laufen bei ihr im Notfall die Fäden von Polizei, Feuerwehr und Stadt zusammen. "Im Krisenstab sind alle Kompetenzen gebündelt, so dass wir abseits der üblichen Verwaltungsstrukturen schnell eingreifen können."

Das Technische Hilfswerk (THW) käme zum Einsatz, um mit dieselbetriebenen Aggregaten Strom zu erzeugen und ins Netz einzuspeisen, erklärt Dennis Wolf, Sachbearbeiter Einsatz vom THW in Bielefeld. Doch auch diese Anlagen brauchen Kraftstoff. Ist der verbraucht, ist Feierabend. Genauso steht es um die mobile Trinkwasseraufbereitungsanlage.

Vorbereitung schadet nicht
"Darum ist der Selbstschutz sehr wichtig", sagt Wolf. "Man muss ja nicht ständig über Katastrophen nachdenken. Aber ein bisschen vorbereitet zu sein schadet nie." Doch wer ist das schon? Zumal gerade die Bielefelder laut Ulrich Sölter, Netzmanager bei den Stadtwerken, nur Gutes gewohnt sind. "Bei uns ist im Schnitt pro Netzkunde im Jahr nur rund drei Minuten lang der Strom weg", sagt er. Der Bundesdurchschnitt liegt bei 15 Minuten.

Sölter vertraut seiner Mannschaft - und dem deutschen Netz, das nach dem "N-1-Prinzip" funktioniert: "Wenn drei Transformatoren ein System versorgen, ist beim Ausfall eines Transformators noch alles in Ordnung." Außerdem gibt es zusätzliche Einspeisemöglichkeiten, dazu mobile Notstromaggregate. Auch in Sachen Sabotage, etwa durch Hacker, bleibt Sölter entspannt: "Bisher ist die Stromversorgung in Deutschland nur sporadisch mit dem Internet verbunden und dann mehrfach gesichert. Aber natürlich kann ich nicht zu 100 Prozent ausschließen, dass es nicht irgendwann jemand versucht." Eigentlich läuft also alles rund in der deutschen Stromversorgung - bis auf dieses kleine "aber", das immer mitschwingt. Weil sich eben doch nicht immer alles komplett kontrollieren lässt. "Darum haben wir uns auf diesen 20. März auch ein Jahr lang vorbereitet", sagt Preuß.

Als würden zwölf Kraftwerke ausgeschaltet

Aus Vorsicht. Falls der Himmel wolkenlos ist und die Sonne kräftig scheint. "Dann ist es im Moment der totalen Sonnenfinsternis nämlich so, als würden zwölf Großkraftwerke beinahe gleichzeitig abgeschaltet", erklärt er. Kommt die Sonne wieder hervor, wird wieder eine gigantische Menge Strom auf nahezu einen Schlag ins Netz gehen. Wegen der höher stehenden Sonne am Mittag sogar mit der Power von 19 Großkraftwerken.

Die Netzbetreiber müssen also beobachten und ausgleichen. Kommt es hart auf hart, müssen Großverbraucher zeitweise vom Netz genommen werden. "Vielleicht sogar eine ganze Stadt", sagt Preuß. "Das ist absolut wetterabhängig." Und es zeigt vor allem eins: Am Ende hat doch immer die Natur das Sagen.

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