Altenbeken. Die NRW-Landesregierung ist in ihren Bemühungen, zum Erhalt der Artenvielfalt Teile des Staatswaldes von der Bewirtschaftung auszunehmen, weit vorangeschritten. Ostwestfalen-Lippe ist bei dem Versuch, die Wälder wieder zu Wildnis werden zu lassen, zu einem Schwerpunkt geworden. Umweltminister Johannes Remmel (Bündnis 90/Die Grünen) stellte dazu mit dem "Naturerbe Buchenwälder OWL" ein weiteres wichtiges Projekt vor.
Laut den Plänen könnte in der Egge nördlich von Altenbeken in den nächsten Jahren das größte zusammenhängende Wildnisgebiet in NRW entstehen. "Wir haben hier einen faszinierenden Naturschatz vor der Tür", sagte Remmel. Es gelte ihn zu bewahren und weiterzuentwickeln, um damit "einen bedeutenden Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt" zu liefern.
Neben der Grube Messel (Hessen) und dem Wattenmeer zählen die deutschen Buchenwälder zum UNESCO-Weltkulturerbe. Von ihrer ursprünglichen Verbreitung in Westeuropa sind allerdings nur noch sechs Prozent vorhanden. Ein großes Biotop findet sich noch nördlich der Gemeinde Altenbeken in der Egge.
Lebensraum für Pflanzen und Tiere
Bis vor einigen Jahren wurden nahezu alle Buchenwälder in NRW noch bewirtschaftet. Weil alte Buchenwälder aber ideale Lebensräume für viele Pflanzen und Tierarten bieten (in der Egge zum Beispiel der Schwarzstorch, die Wildkatze und seltene Fledermausarten), hat sich die Landesregierung entschlossen, in einem Teil der Staatswälder auf eine Holznutzung komplett zu verzichten.
Auch im Staatswaldgebiet "Naturerbe Buchenwälder OWL", das in der nördlichen Egge insgesamt 2.600 Hektar umfasst, sind bereits 600 Hektar als Wildnisgebiete ausgewiesen. Im Rahmen der Weiterentwicklung des Waldpflegeplans sollen ab sofort weitere 800 Hektar, eine Fläche so groß wie rund 1.000 Fußballfelder, von der Nutzung ausgenommen werden.
Es werde aber noch speziell ausgewiesene Bereiche geben, in denen Bürger ihr Brennholz sägen können, sagte Roland Schockemöhle, Leiter des Forstamts Hochstift, das für die Umsetzung und Betreuung des Projektes zuständig ist. Hans-Jürgen Wessels (SPD), als Bürgermeister von Altenbeken Gastgeber der kurzfristig anberaumten Pressekonferenz, begrüßte den "Paradigmenwechsel" im Wald. Dieser werde zu einem Imagegewinn für seine Gemeinde führen. "Um das Brennholz mache ich mir keine Sorgen", sagte Wessels.
Mit der Region entwickeln
Umweltminister Remmel legte Wert auf die Feststellung, dass das "Naturerbe Buchenwälder OWL" nicht von oben herab verordnet, sondern "mit der Region und den Menschen gemeinsam gestaltet werden" soll. Man wolle "ein umfangreiches Naturerlebnisangebot für die Egge entwickeln", bürgerschaftliches Engagement nutzen und Patenschaften zu Kindergärten und Schulen herstellen. "In OWL gibt es einen Hotspot der Artenvielfalt", sagte Remmel. Die nördliche Egge, aber auch der Teuto und die Senne seien Teile davon.
Dass innerhalb dieser großen Gesamtkulisse (in unmittelbarer Nachbarschaft der Egge-Buchenwälder) dermaleinst auch noch ein Nationalpark in der Senne entstehen könnte, ist Remmels inniger Wunsch. Dieses Projekt stehe aber "auf einem anderen Blatt", zumal es sich auf dem Truppenübungsplatz um Bundesflächen handele und die Briten und die Regierung in Berlin ein wichtiges Wort mitzusprechen haben.
Vorgaben zum Erhalt der Vielfalt
Das Land NRW jedenfalls habe seine Hausaufgaben gemacht, um die Vorgaben der "nationalen Strategie zum Erhalt der biologischen Vielfalt" (kurz: Biodiversitätsstrategie) zu erfüllen, sagte Remmel. Die Strategie des Bundes sieht vor, dass langfristig mindestens fünf Prozent aller Waldflächen und zehn Prozent der Staatswaldflächen stillgelegt werden.
In NRW wurden in den letzten Jahren im Staatswald bereits knapp 8.000 Hektar Wildnis ausgewiesen. Diese Gebiete setzen sich aus 300 zum Teil sehr kleinen Parzellen zusammen. In OWL gibt es knapp 60 Wildnisflächen auf 2.200 Hektar. Kämen weitere 800 Hektar in der Egge hinzu, verfügte OWL von allen fünf Regierungsbezirken landesweit über die meiste Wildnis. Zusammen mit dem Nationalpark Eifel stünden von den 120.000 Hektar Staatswald dann fast 17.000 Hektar unter strengem Schutz. Weitere Stilllegungen im NRW-Staatswald werde es unter seiner Ägide nicht geben, sagte Remmel und trat damit Befürchtungen entgegen, die vor allem in der Sägeindustrie geäußert werden.
Fast ein Drittel von NRW, 916.000 Hektar, ist mit Wald bedeckt. Zwei Drittel des Waldes gehören rund 150.000 privaten Besitzern, knapp ein Fünftel steht im Eigentum von Kommunen. Nach der nationalen Biodiversitätsstrategie sollten auch sie zum Schutz der Artenvielfalt Flächen stilllegen. Bislang ist das aber nur in wenigen Ausnahmefällen geschehen. "Administrative Vorgaben" werde es nicht geben, sagte Remmel. Er hoffe auf Freiwilligkeit.