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Nach Babyleichen-Fund: Ermittler suchen Mutter und Zeugen

Kein Hinweis auf Gewalteinwirkungen oder Verletzungen

Karl Finke und Anneke Quasdorf

Anteilnahme: Unbekannte haben eine Kerze dort aufgestellt, wo das tote Baby am Samstag gefunden wurde. - © Christian Mathiesen
Anteilnahme: Unbekannte haben eine Kerze dort aufgestellt, wo das tote Baby am Samstag gefunden wurde. (© Christian Mathiesen)

Paderborn. Im Fall des toten Babys, das ein Spaziergänger am Samstagmorgen in Delbrück im Kreis Paderborn gefunden hat, laufen die Ermittlungen weiter auf Hochtouren.

„Aus ermittlungstaktischen Gründen“ wollte die Polizei zunächst keine weiteren Angaben machen. "Es gibt einige Hinweise, aber keine heiße Spur", sagte Krawinkel gegenüber NW.de. Der Ablageort mache es aber wenig wahrscheinlich, dass hier jemand von weit außerhalb das Baby abgelegt haben könnte. Und das Dickicht lege nahe, dass das Baby nicht gefunden werden sollte. „Vielleicht hat auch nicht die Mutter es dort abgelegt“, überlegt Polizeipressesprecher Ulrich Krawinkel.

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Zeugen gesucht

Die Ermittler suchen Zeugen, die seit Anfang der vergangenen Woche (Montag, 13. April 2015) im Umfeld des Fundorts auffällige Beobachtungen gemacht haben. Weiterhin werden Zeugen gesucht, die Hinweise zu einer Frau geben können, die in der vorletzten Woche noch schwanger war, mittlerweile entbunden hat, aber jetzt kein Kind präsentieren kann. Hinweise nimmt die Polizei unter der Telefonnummer 05251-3060 entgegen. Die Ermittler wenden sich aber auch unmittelbar an die Mutter des Kindes mit der Bitte Kontakt aufzunehmen. Die Polizei bietet der bislang unbekannten Frau bei der Aufklärung der Geburtsumstände jede mögliche Hilfestellung an und sichert einen sorgsamen und vertrauensvollen Umgang zu.

Ausschließen könne auch niemand eine mögliche Notlage der Mutter. "In solchen Fällen sind oft nicht nur die Babys Opfer, sondern auch die Mütter", sagt Krawinkel. "Vielleicht hat die Frau in diesem Fall psychische Probleme, vielleicht gibt es Repressalien durch die Familie. Das wissen wir alles nicht und so lange das so ist, steht auch nicht fest, ob Mutter oder Eltern sich einer Straftat schuldig gemacht haben." In jedem Fall könne die Betroffene mit jeder möglichen Hilfestellung durch die Behörden rechnen, solle sie sich melden. "Wir können therapeutische Hilfe anbieten oder Schutz vor Repressalien", so Krawinkel.

Klar ist mittlerweile: Das kleine Mädchen war erst wenige Tage alt. Und: "Das Baby wies keine Spuren von Gewalt und keine Verletzungen auf, war auch nicht krank“, so Polizeipressesprecher Krawinkel, über das Ergebnis der gerichtsmedizinischen Untersuchungen am Samstagabend. Die Obduktion der Leiche habe aber leider keine genauen Erkenntnisse zum Todeszeitpunkt des Neugeborenen erbracht.

Die Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen „im Laufe der letzten Woche geboren wurde und zu Tode gekommen ist“, so Krawinkel. Der Zeitraum reiche bis zum Montag vergangener Woche zurück. Der Säugling sei voll ausgebildet. Ob er lebend oder tot geboren wurde, konnten die Gerichtsmediziner nicht sicher beurteilen.

Mutter soll sich bei Behörden melden

Der Fundort liegt am Ende der Sackgasse Driftweg, der zu mehreren Schulen führt. Es schließt sich eine Erholungsfläche mit Spielplätzen an. Kinder tummelten sich hier auch am Samstag, als die Polizei nach der Alarmierung gegen 10.30 Uhr wenig späten auf dem Parkplatz hinter der großen Sporthalle das Gelände seitlich absperrte.

Gesucht werden weiterhin Zeugen, die im Umfeld des Fundortes Beobachtungen gemacht haben. Hinweise erhoffen sich die Ermittler auch zu Frauen, die in der vorletzten Woche noch schwanger waren, jetzt entbunden aber kein Baby an ihrer Seite haben. Mit jeglichen Hinweisen werde die Polizei Paderborn vertrauensvoll umgehen, so Krawinkel. Die Beamten ermitteln inzwischen weiter in der Umgebung des Tatorts.

Warum nicht in die Babyklappe?

Ein vergleichbarer Fall ist in der Kreispolizeibehörde Paderborn nicht bekannt – deutschlandweit aber häufiger vorgekommen. In Paderborn wurde bereits im Jahre 2001 – wie in vielen anderen deutschen Städten – eine so genannte Baby-Klappe eingerichtet. In der Nähe des Sankt Vincenz Krankenhauses können Neugeborene anonym abgelegt werden. In den ersten zehn Jahren wurden in diesem Moses-Fenster acht Baby in fremde Obhut übergeben.

Außerdem gibt es auch im Kreis Paderborn die Möglichkeit, ein Kind anonym zur Welt zu bringen und es dann in der Obhut des Klinikpersonals zu lassen.

Es bleibt die Frage: Warum hat die- oder derjenige diese Möglichkeiten nicht genutzt? Eine mögliche Erklärung dafür hat die Diplompädagogin Tina Mowat aus Bielefeld. Sie berät schon lange Schwangere in Konfliktsituationen und weiß: „Mit all diesen Möglichkeiten, das zeigen Studien, können wir meist eben genau nicht die Frauen erreichen, die ihr Kind einfach aussetzen.“ Diese hätten die Schwangerschaft oft komplett verdrängt und erlitten bei der Geburt eine Psychose oder ein Trauma. „Viele haben dann oftmals nur den einen Gedanken: ,Das Baby muss weg.' Und sind gar nicht in der Lage, ihr Handeln zu reflektieren. Ob es auch im Fall des toten Säuglings in Delbrück so gekommen ist, bleibt vorerst offen.

Karte
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In der Nähe einer Turnhalle am Driftweg in Delbrück wurde die Leiche eines Babys gefunden. Die Ermittlungen dauern an.

In der Kreispolizeibehörde Paderborn wird wahrscheinlich schon am Montag eine Bielefelder Mordkommission einziehen. Am Delbrücker Driftweg stand am Sonntag eine einzige Kerze als Erinnerung an die an dieser Stelle entdeckte Tragödie.

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