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Besuch in der Storchenstube

Alfons Bense beringt zwei Jungtiere auf dem Horst am Weserbogen

Jörg Stuke

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Top-Zustand: Alfons Bense begutachtet einen der beiden Jungstörche im Horst am Weserbogen und ist mit dem Befund sehr zufrieden. Im Hintergrund stellt sich das Geschwistertier des Jungstorchs tot. - © Jörg Stuke
Top-Zustand: Alfons Bense begutachtet einen der beiden Jungstörche im Horst am Weserbogen und ist mit dem Befund sehr zufrieden. Im Hintergrund stellt sich das Geschwistertier des Jungstorchs tot. (© Jörg Stuke)

Bad Oeynhausen. Ein Auge riskiert der kleine Vogel. Ganz flach macht sich der Jungstorch, als Alfons Bense ihn und seinen Geschwistervogel hoch oben am Horst in der Portaner Weserwiese besucht. Rührt keine Feder. Lugt aber doch ganz vorsichtig zu dem Storchenexperten hinüber, der den beiden Jungtieren im Horst am Weserbogen jeweils einen Ring verpasst, der die Tiere für den Rest ihres Lebens identifizierbar macht.

Mehr als ein vorsichtiges Blinzeln aber ist nicht drin. Ansonsten stellen sich die beiden Jungvögel tot. „Das Kommando dazu hat der Altvogel gegeben, bevor er das Nest verlassen hat“, erklärt Bense. Ein einfaches Klappern mit dem Schnabel, das ist das Signal für den Storchennachwuchs, sich nicht mehr zu rühren, wie Erwin Mattegiet, ebenso wie Bense Experte im Aktionskomitee „Rettet die Weißstörche“, erläutert.

Bevor Bense zum Ring greift, inspiziert er das Nest. Und findet am Rand einen verdächtigen Zipfel baumeln. „Sieht aus wie ein Mettwurstende“, sagt Bense. Und das ist es auch. Bense nimmt das Stückchen Salami in Gewahrsam. Denn weder die Pelle noch die Gewürze sind für Störche gesund.

Auf der anderen Seite des Horstes hängt geeignetere Nahrung. Hier hat sich eine tote Maus verfangen. „Die ist wohl über Bord gegangen“, sagt Bense und lässt den toten Nager, wo er ist. Das Beutetier zeigt auch, wovon sich die Störche vorwiegend ernähren. Denn es sind vor allem Mäuse und nur zu einem geringen Teil Kröten oder Frösche, womit sich der Storch hierzulande den Bauch vollschlägt.

Bense ist der Storchexperte schlechthin im Kreis. Seit mehr als 20 Jahren setzt sich der Facharzt ehrenamtlich für die wildlebenden Weißstörche im Kreis Minden-Lübbecke ein. Er weiß genau, wie er den Stress für die Jungtiere so gering wie möglich hält. Ein Hilfsmittel dazu ist eine hellblaue Decke. „Das ist die Kuscheldecke meines Sohnes“, sagt Bense. Der Filius aber ist inzwischen 34 und kann auf die Decke ganz gut verzichten. Bense wirft das Stoffstück über die beiden Jungtiere. „Das beruhigt sie“, erklärt er.

Weniger beruhigt ist dagegen das Elterntier, das eben noch die Jungen bewachte, bei Benses Besuch den Horst aber verließ und nun hoch oben wachsam über dem Nest kreist.

Bense nimmt den Jungvogel in die Hand. „Top-Zustand“, lautet sein Befund. Die Überlebenschancen der beiden Jungtiere vom Weserbogen sind gut, so seine Prognose. Was keine Selbstverständlichkeit ist. „Im vergangenen Jahr haben von 122 Jungtieren nur 65 überlebt“, berichtet Bense. Vor allem der Regen im Mai hat den Jungtieren schwer zu schaffen gemacht. „Dann laufen die Nester voll, die Jungtiere liegen wie in einer Wanne und sterben an Lungenentzündung“, erklärt Mattegiet. Immerhin: Das Jungtier vom Portaner Paar überlebte 2014.

Nun geht’s ans Beringen. Mit zwei schnellen Handgriffen hat Bense die beiden Hälften des Plastikrings um das Bein des kleinen Storches gelegt und ineinander gesteckt. Nun ist der Storch markiert. Anhand der Registriernummern haben die Storchenforscher schon viel Neues über die großen Vögel erfahren. „Früher hieß es, dass Störche ihr Leben lang mit einem festen Partner verbringen. Inzwischen weiß man, dass das durchaus nicht immer so ist“, sagt Frank Marske vom Aktionskomitee.

Durch die Registriernummer sind sich die Experten auch sicher: In diesem Jahr brütet in der Porta dasselbe Paar wie 2014. Bei Vater Storch bleibt eine Restunsicherheit. Denn er trägt keinen Ring. Die Störchin aber ist bekannt: Sie wurde als Jungtier im Wartburgkreis in Thüringen beringt.

Genau betrachtet brüten die beiden Störche am Weserbogen auf Portaner Gebiet. Doch die Bad Oeynhausener, die die Tiere vor allem von der Werre-Weser-Kussbrücke aus gern beobachten, haben sie quasi adoptiert. „Die Storchenpflege ist so eine Art interkommunale Zusammenarbeit“, sagt der Bad Oeynhausener Mattegiet.

Formal aber ist Bad Oeynhausen die einzige Gemeinde im Mühlenkreis, in dem noch keine Störche brüten. Dabei stehen in Wulferdingsen und Volmerdingsen Horste bereit. Vor allem der Standort in Volmerdingsen hat es Mattegiet angetan. „Also, wenn ich Storch wäre, würd’ ich dort einziehen“, sagt der Naturschützer.

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