Bielefeld. Es dauerte nur wenige Minuten, bis Anton Hofreiter zu seinen charakteristischen Handbewegungen ansetzte. Resolut in den Gesten und bisweilen scharf im Ton galoppierte der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag durch die Kernressorts seiner Partei, lobte den nordrhein-westfälischen Landesverband für seine Streitlust und sprach ebenjene der Bundeskanzlerin ab. "Ihr habt den Mut zum Konflikt", rief Hofreiter den 284 Delegierten in der Stadthalle zu. Angela Merkel (CDU) dagegen "zerschießt" selbst schwache Klimaschutzkompromisse.
Hofreiter drängte auf den Kohleausstieg. Er stand seinen in NRW mitregierenden Parteifreunden bei, indem er erklärte, was Klimaschutz für ihn heißt: "dass wir aufhören müssen, Braunkohle, Steinkohle, Erdöl und am Ende auch Erdgas zu verbrennen". Das alles müsse "im Boden bleiben".
Landesumweltminister Johannes Remmel lästerte später über die "altmodischen" politischen Rivalen in NRW. FDP-Chef Christian Lindner wolle "von der Energiewende nichts mehr wissen", sagte der Grünen-Politiker. "Natürlich retten wir mit unserem Beitrag nicht das Weltklima", die Bundesrepublik sei jedoch internationale Verpflichtungen eingegangen, erinnerte Remmel. Und anders als etwa die Unionsparteien suggerierten, "verbieten wir niemandem das Auto, sein Steak oder den Flug in den Urlaub", sagte Mona Neubaur, Grünen-Vorsitzende in NRW.
"Wir löschen die Festplatte unserer Erde"
Mit dem Artensterben - derzeit sehen Forscher eine Welle in vollem Gange - widmete sich Hofreiter einem weiteren Kernthema seiner Partei. Wenn Tiere und Pflanzen verschwänden, liege weder nur ein "ästhetisches" noch allein ein "moralisches Problem" vor, es gehe vielmehr "um unsere Lebensgrundlagen", sagte der Grünen-Fraktionschef. Remmel nahm den Ball auf, indem er erklärte: "Wir löschen die Festplatte unserer Erde."
Angesichts eines möglichen Nationalparks im Teutoburger Wald und der erneuerten Verweigerungshaltung von Stephan Prinz zur Lippe versetzte Hofreiter dem Waldbesitzer einen Seitenhieb: "Ich bin froh, dass ihr nicht zurückschreckt, wenn ein Prinz - es ist kein Faschingsprinz, wie ich jetzt lernen musste - gegen einen Nationalpark ankämpft." Wenn schon Adel, "dann lieber jemand wie Prinz Charles", der sei Botschafter für Ökolandbau, scherzte Neubaur. Auch die lippische Grünen-Politikerin Ute Koczy warb für einen zweiten Nationalpark in NRW.
Mit Blick auf den Datenschutz arbeitete sich Hofreiter leidenschaftlich an der "Methode Merkel" ab. So auch im Zusammenhang mit einem angeblich geplanten No-Spy-Abkommen mit den Vereinigten Staaten. Hatte Merkel im Wahlkampf 2013 wirklich erwartet, dass die USA mit der Bundesrepublik einen gegenseitigen Spionageverzicht aushandeln? Hofreiter nimmt ihr das jedenfalls nicht ab. Deshalb "haben wir eine Kanzlerin, die in einem zentralen Punkt die Öffentlichkeit getäuscht hat", donnerte Hofreiter. "Landläufig nennt man so was eigentlich: gelogen."
Mittelmeer verwandelt sich in einen Friedhof
In der Flüchtlingspolitik zeigte sich Hofreiter ebenfalls angriffslustig. Weil sich das Mittelmeer inzwischen in einen Friedhof verwandle, müsse Europa handeln. "Mit jedem Flüchtling, der ertrinkt, gehen unsere Werte mit unter", konstatierte Hofreiter unter Beifall. Es sei "skandalös", dass Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) Seenotrettung als Anreiz zur Flucht diffamiere. "Unsere verdammte Pflicht ist es, dafür zu sorgen, dass diese Bundesregierung dazu getrieben wird, dass diese Menschen endlich gerettet werden."