Bürger sollen Wildtiere zählen

Bielefeld/Münster. Wer abends draußen ein Glas Wein genießt, kann nebenbei einen Beitrag für die Wissenschaft leisten. Dann nämlich, wenn er Tiere, die er beobachtet - Fledermäuse, Hasen, Hamster - in einen neuen Online-Atlas einträgt. Er soll die erste zusammenfassende Publikation zum Vorkommen aller wilden Säugetierarten in NRW werden. Seit Januar ist der "Atlas der Säugetiere Nordrhein-Westfalens" online erreichbar. Jetzt ruft die Arbeitsgemeinschaft zur Mithilfe auf. Nutzer können sich mit Hilfe von Steckbriefen über die 86 wilden Tierarten informieren und sich anhand interaktiver Karten die Verbreitungsgebiete darstellen lassen. Ein Manko hat der Atlas derzeit noch: Einen vollständigen Katalog der Arten in NRW gibt es noch nicht. "Einzelne Wissenschaftler können das nicht leisten", erklärt Bianca Fialla vom LWL-Museum für Naturkunde das Problem. Daher auch der Aufruf an die nordrhein-westfälische Bevölkerung. Der Landschaftsverband bündelt und organisiert alle Aktivitäten zum Projekt: Immerhin fünf verschiedene Gruppen beteiligen sich am ersten digitalen Säugetieratlas für NRW. Gemeinsam bilden sie die "Arbeitsgemeinschaft Säugetierkunde NRW". Trotz der breiten institutionellen Unterstützung setzen die Wissenschaftler auf die Hilfsbereitschaft der Bevölkerung. Besonders nachtaktive Tiere sollen gezählt werden "Das Vorkommen vieler Arten wird bereits gut abgebildet", sagt Jan Ole Kriegs, Zoologe beim LWL-Museum für Naturkunde in Münster und Koordinator des Projektes. Immerhin 40.000 Säugetierbeobachtungen und Funde aus ganz NRW sind dabei. "Für andere Arten ist die Datenlage aber noch sehr lückenhaft." Hier soll die Hilfe der Bürger ansetzen. Besonders die kleinen nachtaktiven Tiere, die sich in heimischen Gärten tummeln, sollen so erfasst werden. Funde von Gartenschläfer und Haselmaus, den sogenannten Schlafmäusen, sind dabei von besonderem Interesse für die Arbeitsgemeinschaft. "Der Gartenschläfer ist an seiner dunklen Banditenmaske gut zu erkennen", so Kriegs. "Wir nehmen auch gerne Meldungen häufiger Arten, wie etwa vom Wildkaninchen, entgegen." Nicht nur lebende Tiere, auch Totfunde, Gewölle, Spuren oder Winterquartiere können gemeldet werden. So halten die Wissenschaftler auch fest, wie sich die Wildtiere in den vergangenen Jahren entwickelt haben: "Wir wollen so herausfinden, welche Arten seltener werden, welche sogar vom Aussterben bedroht sind", sagt Fialla. Gartenvögel werden schon gezählt Zu den freudigeren Nachrichten gehört das Auftauchen von Säugetieren, die vorher als in NRW ausgestorben galten, "wie der Fischotter, der vor sieben Jahre zurückkehrte". Auch der Wolf gehöre seit kurzem wieder in die Atlas-Liste. Ähnliche Projekte sind vom deutschen Naturschutzbund (NABU) bekannt. Er lässt die Bevölkerung jährlich die Gartenvögel zählen, um so einen Überblick über den Bestand zu erhalten. 2015 sendeten 47.000 Teilnehmer ihre Beobachtungen ein. Mit einer so großen Resonanz rechnet die Arbeitsgemeinschaft mit ihrem ersten öffentlichen Aufruf zwar nicht. Aber "je mehr Bürger sich landesweit beteiligen, desto vollständiger kann das Bild gezeichnet werden", sagt Fialla. Der Atlas ist ein Projekt der Arbeitsgemeinschaft Säugetierkunde NRW. Diese Arbeitsgemeinschaft ist ein Zusammenschluss aus ehrenamtlichen Säugetierkundlern und Vereinen, dem Landesamt für Natur-, Umwelt und Verbraucherschutz in NRW, dem Zoologischen Forschungsmuseum Alexander Koenig in Bonn und dem LWL.

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