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Nach grausamen Verbrechen in Höxter: Anwohner sind fassungslos

Das mutmaßliche Täterduo wird als unnahbar beschrieben - Möglicherweise gibt es weitere Opfer

David Schellenberg

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Das Ortseingangsschild des Stadtteils Bosseborn. Eine Frau ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft wochenlang in einem abgelegenen Haus im ostwestfälischen Höxter gefangen gehalten worden und schließlich an schweren Misshandlungen gestorben. - © dpa
Das Ortseingangsschild des Stadtteils Bosseborn. Eine Frau ist nach Angaben der Staatsanwaltschaft wochenlang in einem abgelegenen Haus im ostwestfälischen Höxter gefangen gehalten worden und schließlich an schweren Misshandlungen gestorben. (© dpa)

Höxter. Hinter den nachlässig zugezogenen Gardinen stapeln sich Kleidung, Papier und Flaschen. Der stürmische Wind verteilt den Gestank aus dem direkt angrenzenden kleinen Stall im Garten. Die Szenerie für ein grausames Verbrechen, das sich in der Höxteraner Ortschaft Bosseborn ereignet hat, wirkt wie aus einem schlechten Film.

Was genau sich in den vergangenen Wochen in dem Gebäude, das Boulevard-Medien bereits als den „Horror-Hof von Höxter" titulieren, abgespielt hat, wird zurzeit noch von der Bielefelder Mordkommission und der Kripo in Höxter ermittelt. Am Freitagmittag setzte die Polizei die Befragung der Anwohner fort.

Bei ihnen herrschen Fassungslosigkeit und ungläubiges Kopfschütteln: Das Verbrechen an einer 41-jährigen Frau, das sich in den vergangenen Wochen in einem heruntergekommenen Haus in Bosseborn ereignete, sorgt für Entsetzen. Viel gesehen haben will niemand. Alle beschreiben das vor fünf Jahren zugezogene Paar als unzugänglich. Jetzt sitzen der 46-jährige Wilfried W. und seine 47-jährige Ex-Frau Angelika in Untersuchungshaft, weil sie ihr Opfer wochenlang gequält haben sollen, so dass sie am vergangenen Samstag schließlich im Krankenhaus Northeim starb. Das Motiv der mutmaßlichen Täter ist unklar, der Paderborner Oberstaatsanwalt Ralf Meyer machte dazu keine näheren Angaben.

Mit Zivilfahrzeug: Höxteraner Ermittler in Höxter-Bosseborn vor Ort. - © David Schellenberg
Mit Zivilfahrzeug: Höxteraner Ermittler in Höxter-Bosseborn vor Ort. (© David Schellenberg)

„Sie waren, wenn überhaupt, nur gelegentlich abends draußen", berichtet ein Anwohner. Gegrüßt oder gar den Kontakt zum Dorf gesucht hätten sie aber nie. Begreifen kann die Tat hier keiner. Auf der Suche nach Antworten werden Beobachtungen ausgetauscht, Geschichten erzählt und Gerüchte weitergegeben.

Als „merkwürdig" werden die Verdächtigen aber unisono beschrieben. So hat es Ärger gegeben, weil der 46-Jährige gern spät abends mit lauter Arbeit auf dem Hof begann. Und auch wegen der Tiere, die im Stall und mutmaßlich auch im Haus gehalten worden waren. Eine andere Geschichte machte schon vor längerer Zeit im Dorf die Runde: In einem nahe dem Haus gelegenen Tannenwäldchen war ein totes Hausschwein gefunden worden. Der Verdacht fiel sofort auf das unnahbare Ehepaar – aber wirklich aufgeklärt werden konnte dieser Vorfall nicht.

Unklar ist bisher auch, warum vor dem nun versiegelten Haus in Bosseborn in den vergangenen Monaten immer wieder Fahrzeuge mit fremden Kennzeichen wie Stuttgart oder Minden parkten. Eine Vermutung der Ermittler: Wilfried W. hat mehrere Kontaktanzeigen gleichzeitig laufen lassen – möglicherweise könnte es weitere Opfer geben.

Das wäre für die Bosseborner eine Horror-Vorstellung. Auch für die Vermieterin des Bauernhauses, die nur einige Häuser weiter wohnt. Sie sei seit Jahren nicht mehr in dem Haus gewesen – die Mieter hätten immer bar bezahlt und sich um Reparaturen selbst gekümmert. Weiteren Kontakt habe es nicht gegeben. Merkwürdig sei gewesen, dass sie sich anfangs als Geschwisterpaar ausgegeben hätten.

Und so machen sich die Nachbarn ihre eigenen Gedanken, ob sie hätten etwas bemerken können oder müssen und die Tat vielleicht sogar zu verhindern gewesen wäre. Die Ermittler haben mittlerweile bestätigt, dass das Ehepaar mit dem Opfer mehrfach einkaufen gewesen ist und dafür das Auto genutzt hat. Wieso die 41-Jährige nicht weglief, ist offen.

Es gab am Freitag kaum ein Medium in Deutschland, das den Fall aus Bosseborn nicht aufgriff. Auf der engen Straße vor dem Haus tauchten am Mittag Kamerateams und Fotografen auf, in der Höxteraner Innenstadt fragte ein auswärtiger Radio-Sender, wie die Einheimischen den Fall kommentieren. „Jetzt werden Bosseborn und das Haus in der ganzen Welt bekannt", sagte ein Nachbar mit etwas Bitterkeit in der Stimme. Auf solch eine negative Werbung hätten im Ort alle gern verzichtet.

Information

Internet-Bekanntschaften können tödlich enden

Viele Menschen haben über Kontaktanzeigen schon den Partner fürs Leben gefunden. Manchmal kann es aber auch böse enden:

Wegen der Ermordung einer Internetbekanntschaft verurteilte das Essener Landgericht 2009 einen 27-jährigen Mann zu lebenslanger Haft. Der Internet-Mörder hatte nach Überzeugung der Richter 2008 in Marl eine 39-jährige Frau heimtückisch umgebracht, die er zuvor im Internet-Chat kennengelernt hatte.

Er war außerdem wegen Mordes an einer 26-jährigen Chat-Bekanntschaft angeklagt. Da die Leiche dieser Frau jedoch in stark verwestem Zustand gefunden worden war und die Todesursache nicht sicher festgestellt werden konnte, werteten die Richter den Fall nur als Körperverletzung.

Die 23-jährige Melanie aus der Nähe von Peine suchte 2010 in einer Internet-Plattform eigentlich eine Freundin und geriet an einen Mann, der sie umbrachte. Er tötete sie weil sie keinen Sex mit ihm haben wollte.

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