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Immer mehr Gymnasiasten sind ohne Abschluss

In den vergangenen zehn Jahren hat sich die Zahl der Schüler ohne Hauptschulabschluss verfünffacht

Elena Gunkel

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Symbolbild - © dpa
Symbolbild (© dpa)

Bielefeld. Das Gymnasium ist in OWL die Schulform der Wahl. 41,6 Prozent der Grundschüler im Regierungsbezirk Detmold sind 2015 auf ein Gymnasium gewechselt. 2005 lag der Anteil noch bei 38,1 Prozent. Das geht aus einer Untersuchung des statistischen Landesamts IT NRW hervor. Doch nicht alle Schüler beenden ihre Schullaufbahn im Gymnasium mit einem Abschluss.

Die Zahl der Gymnasiasten ohne Hauptschulabschluss ist in OWL deutlich gestiegen. 2005 waren es 21 Schüler – 2015 bereits 107 Schüler. Besonders stark war der Trend im Schuljahr 2013/2014 zu beobachten: Im Vergleich zum Vorjahr hat sich die Zahl der Gymnasiasten ohne Hauptschulabschluss von 50 auf 106 mehr als verdoppelt.

Ob schlechte schulische Leistungen oder der Umzug in ein anderes Bundesland der Grund für den Abgang vom Gymnasium ohne Abschluss war, wird bei IT NRW nicht differenziert. „Die Daten basieren auf internen Statistiken der Schulen", erklärt Sprecherin Claudia Key. „Dabei können einzelne Fälle nicht eindeutig ausgewiesen werden."

Bekannt ist IT NRW, dass die meisten Gymnasiasten ohne Hauptschulabschluss am Ende der Sekundarstufe I die Schule verlassen. „Diese Kinder können ihre Schullaufbahn dann in Klasse 10 einer anderen weiterführenden Schule oder in einem Berufskolleg fortsetzen", erklärt der Bielefelder Schulamtsleiter Georg Müller.

Eltern schicken ihre Kinder auch ohne Empfehlung auf Gymnasien

Grundsätzlich gilt in NRW Schulpflicht. Sie wird unterteilt in die Vollzeitschulpflicht und in die Berufsschulpflicht. Die Vollzeitschulpflicht dauert 10 Jahre, an einem G8-Gymnasium sind es 9 Jahre. Nach der Vollzeitschulpflicht beginnt die sogenannte Berufsschulpflicht. Jugendliche ohne Berufsausbildungsverhältnis sind bis zum Ablauf des Schuljahres, in dem sie das 18. Lebensjahr vollenden, schulpflichtig.

„Unter Berücksichtigung der zehnjährigen Vollzeitschulpflicht haben Gymnasiasten ohne Hauptschulabschluss nach Klasse 9 des Gymnasiums die Schulpflicht nicht erfüllt", so Müller. Obwohl die Zahl der Gymnasiasten ohne Hauptschulabschluss in OWL deutlich angestiegen ist, erklärt die Sprecherin der Bielefelder Gymnasien, Dorothea Bratvogel, dass es sich um Ausnahmen handelt.

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Landesweiter Trend

Landesweit ist die absolute Zahl der Schulabgänger aller Schulformen in NRW ohne jeglichen Schulabschluss innerhalb eines Jahres deutlich um 21 Prozent von 5.477 Kindern im Jahr 2014 auf 4.324 Schüler im vergangenen Jahr gesunken.

Um die negative Entwicklung zu verhindern, werde bei jedem Schüler ab der 5. Klasse auf den Notendurchschnitt geachtet. Wenn sich die Leistungen über eine längere Zeit nicht verbessern, kommen verschiedene Maßnahmen infrage, von verstärkter individueller Förderung bis hin zum Schulformwechsel.

„Bereits beim Aufnahmegespräch versuchen wir die Eltern so zu beraten, dass sie für ihre Kinder eine optimale Entscheidung treffen", sagt Bratvogel. „Doch viele wollen, dass ihr Kind aufs Gymnasium geht, selbst wenn es keine Gymnasialempfehlung hat." Manche Kinder, die auf diese Weise in einem Gymnasium aufgenommen wurden, schaffen das Abitur. Für andere stelle sich schnell heraus, dass es die falsche Schulform ist.

Sprecher der Gymnasien: Dorothea Bratvogel. - © Andreas Zobe
Sprecher der Gymnasien: Dorothea Bratvogel. (© Andreas Zobe)

„Da es ab Klasse 8 sehr schwierig ist, einen Platz in einer anderen Schule zu bekommen, werden die Eltern immer früher, teilweise bereits während der Erprobungsstufe, über das Problem informiert", sagt Bratvogel. Aus diesem Grund sei auch die Zahl der Schulabgänge nach der Erprobungsstufe deutlich gestiegen, ergänzt der Sprecher der Bezirksregierung Detmold, Andreas Moseke. Das liege vor allem daran, dass es in NRW keine verbindliche Schulformempfehlung mehr gebe.

Ein anderer Grund für die „Abschulung" kann die individuelle Situation der Kinder sein, sagt Bratvogel. „Die Zahl der Kinder, die psychische Probleme haben, nimmt zu. Wenn das Lernen zu Hause unmöglich ist, sind diese Kinder in der Schule überfordert." Das könne wiederum zur Leistungsverweigerung oder zu Schulmüdigkeit führen.

Unter anderem können Jugendliche, die das Gymnasium ohne Abschluss verlassen, das Abitur in einem Berufskolleg auf dem zweiten Bildungsweg nachholen. Wenn der Wechsel zu einer anderen Schulform unvermeidbar ist, stellt die Gesamtschule oft eine Alternative dar. Ihre Beliebtheit steigt. Während 2005 der Anteil der Grundschüler, die sich für die Gesamtschule entschieden, mit 3.915 Kindern in OWL bei 17,4 Prozent lag, ist er 2015 auf 28,9 Prozent (5.620 Kinder) gestiegen.

„Wenn ein Kind das Gymnasium ohne Abschluss verlässt, bedeutet das nicht, dass die Schulform versagt hat", so Bratvogel. „Eine größere Differenzierung innerhalb einer Schulform könnte das Problem entschärfen."

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