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Mordfall Höxter: Thorsten Stiffel spricht über die Arbeit der Mordkommission

Der Leiter der Mordkommission „Bosseborn“ spricht über Gefühle bei der Aufklärung eines grausamen Verbrechens

Jürgen Mahncke

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Chef-Ermittler: Polizeihauptkommissar Thorsten Stiffel. - © Wolfgang Rudolf
Chef-Ermittler: Polizeihauptkommissar Thorsten Stiffel. (© Wolfgang Rudolf)

Herr Stiffel, wie aufwendig sind die Ermittlungsarbeiten im Fall des Doppelmords in Bosseborn?

Thorsten Stiffel: In den beiden Tötungsdelikten zu ermitteln ist durchaus komplex. Waren es zu Beginn der Ermittlungen noch 40 Kräfte, die an diesem Fall arbeiteten, so konnte ihre Zahl inzwischen auf 23 Beamte abgebaut werden. In gewissen Auswertungsbereichen sind die Aufgaben erledigt. Anfangs waren noch sämtliche Polizeidienststellen in OWL bei den Ermittlungen mit einbezogen.

Information
Zur Person

Zwei Wochen nach Gründung der Mordkommission „Bosseborn" übernahm Kriminalhauptkommissar Thorsten Stiffel deren Leitung. Der 47-jährige Kriminalbeamte gehört seit vielen Jahren zum Team des Kriminalkommissariats 11 der Polizei Bielefeld. Dort hat er bereits mehrere Mordkommissionen erfolgreich geleitet.

Die Kontakte, die Wilfried W. gehabt haben soll, ziehen sich durch ganz Deutschland. Nutzen sie hier die Hilfe auswärtiger Kollegen?

Stiffel: Natürlich haben wir bundesweit Dienststellen für unsere Ermittlungen eingebunden. Aber wir haben auch schon die ein oder andere Fahrt auf uns genommen. Doch bei der Vielzahl der Ermittlungen ist es nicht möglich, alle Reisetätigkeiten von Bielefeld aus zu erledigen.



Wann wurde ihnen bewusst, welche Dimension der Fall haben wird?

Stiffel: Zumindest nicht an den ersten zwei, drei Tagen. Da ging es um einen Todesfall. Ich kann es zeitlich nicht genau festmachen, aber es war schon recht bald abzusehen, dass viel Arbeit auf uns zukommt.

Ist es Routine für Sie, Ermittlungen dieses Ausmaßes anzugehen? Und wie hält man den Informationsfluss unter den Kollegen?

Stiffel: Die Einrichtung einer Mordkommission ist immer etwas Besonderes und wird dem jeweiligen Fall angepasst. Es greifen aber bestimmte Mechanismen. Im Fall Bosseborn sind wir so organisiert, dass wir neben den Ermittlern auch Beamte haben, die die Informationen zusammenführen. Täglich Arbeitsbesprechungen und ein Austausch der Erkenntnisse sind erforderlich. Teamarbeit ist hierbei das Wichtigste.

Geben Sie als Leiter die Ermittlungsaufträge vor, in die untersucht werden soll?

Stiffel: Unter dem Strich habe ich als Leiter der Mordkommission die Verantwortung, aber wir arbeiten im Team. Wir sammeln Infos, wir bewerten, wir bestimmen gemeinsam die Richtungen. Wir besprechen alles zusammen, Kollegen sammeln oder erkennen selbst bestimmte Ermittlungsrichtungen. Ich bin nicht der Einzige, der Aufträge vergibt, es ist ein Team, das oben steht.

Und welche Rolle spielt der Staatsanwalt?

Stiffel: Er spielt ein ganz große Rolle. Er ist Herr des Verfahrens. Er gibt Dinge vor, die für eine Anklageschrift zwingend erforderlich sind. Wir stehen ständig in engem Kontakt, besprechen Ergebnisse und Richtungen, in die Ermittlungen laufen sollen. Infos aus diesen Ermittlungen sind wichtig für seine Anklageschrift. Und hier geht es nicht nur um belastende, sondern auch entlastende Ergebnisse.

Spüren Sie und ihr Team den Zeitdruck? Der Prozessauftakt soll Ende Oktober sein?

Stiffel: Druck mag das sein. In diesem Verfahren haben wir die Besonderheit, dass uns schon zu Anfang zwei Todesfälle bekannt waren. Die beiden getöteten Frauen waren zentraler Punkt unserer Ermittlungen, und damit waren wir schon recht weit. Viele Dinge werden sich erst im Nachhinein klären lassen. Viele Fragen stehen im Raum, die vermutlich erst während der Hauptverhandlung zu beantworten sein werden.

Der Tatort: In diesem Haus in Höxter-Bosseborn trug sich das schreckliche Geschehen zu. - © David Schellenberg
Der Tatort: In diesem Haus in Höxter-Bosseborn trug sich das schreckliche Geschehen zu. (© David Schellenberg)


Wie sicher sind sie, dass es bei den beiden Todesfällen bleibt?

Stiffel: Erst am Ende der Ermittlungen können wir diese Frage beantworten. Wir haben unsere Gründe, sorgfältig vorzugehen. Es ist ein besonderer Fall. Es wäre zu früh, um zu spekulieren und zu sagen, wir erwarten mehr oder auch nicht. Wir wollen aufklären, aufhellen und nicht spekulieren. Es geht noch viel, wir sind guter Dinge, Licht ins Dunkel zu bringen.

Haben Sie die Tatumstände betroffen gemacht?

Stiffel: Sie belasten schon, sie machen auch betroffen. Doch ich habe Instrumente an die Hand bekommen, wie ein Umgang mit diesen Geschehnissen möglich ist. Es ist gut, dass man nicht ganz gefühllos davorsteht. Es wäre falsch, das Ganze nur abgebrüht als Sachverhalt zu sehen. Erschreckend ist es schon, was geschildert wurde, was geschehen ist. Aber Mechanismen helfen, damit umzugehen. Teamarbeit hilft dabei. Auch wenn es grausam ist, kann ich damit umgehen.

Ist das ihr größter Fall in ihrem bisherigen Arbeitsleben?

Stiffel: Jeder Fall ist für sich wichtig. Die Unkenntnis über das wirkliche Geschehen, das Entdecken und Entschlüsseln von Tatumständen, dies alles ist in sich gesehen schon ein großer Fall. Auch das Verbrechen an dem Werder-Bremen-Fan, der in Bielefeld Opfer einer Attacke von Hooligans wurde, war kein kleiner Fall. Ich erinnere mich auch an den sogenannten Maskenmörder, der in Bielefeld-Jöllenbeck seine Vermieterin umbrachte.

Gibt es für sie noch Überraschungen bei Tatumständen von Tötungsdelikten?

Stiffel: Da ist noch sehr viel Luft nach oben. Es gibt nichts, was es nicht gibt.

Nehmen Sie grausame Erlebnisse mit nach Hause?

Stiffel: Ich habe nicht den „Dienst an"- und „Dienst aus"- Knopf. Natürlich sind meine Gedanken, wenn ich zur Hustür reinkomme, auch noch dienstlicher Natur. In einer gewissen Art und Weise muss man mit den Geschehnissen umgehen können. Ich kann aber auch abschalten.

Wird weiter ermittelt, ob es noch Tote oder Opfer gibt, die bislang nicht entdeckt wurden?

Stiffel: Ja, auch das ist noch nicht abgeschlossen.

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