Foltermord-Prozess: Aussage von Wilfried W. steht bevor

Paderborn. Seit November gibt Angelika W. im Bosseborn-Prozess vor dem Schwurgericht Paderborn den Ton an, wenn sie ihre Sicht der Ereignisse schildert. Jener Ereignisse, die vor allem zwei Frauen unsägliche Qualen bereiteten und schließlich das Leben kosteten. Doch in Kürze wird sich die 48-Jährige wohl mit der Rolle der Zuhörerin anfreunden müssen. Wilfried W. wird höchstselbst seine Sicht der Dinge schildern.

Es herrschte Unruhe in Saal 205. Die Zuhörer drängten nach mehr als fünf Stunden Verhandlung nach draußen, als der Vorsitzende Richter Bernd Emminghaus auf das Programm für den kommenden Sitzungstag zu sprechen kam. Er kündigte an, darüber nachzudenken, welche Zeugen zu den Terminen geladen werden sollten.

Außerdem hätten die Verteidiger von Wilfried W. in Aussicht gestellt, für ihren Mandanten eine Erklärung abgeben zu wollen. Da ergriff Verteidiger Detlev Binder das Wort. &bdquo;Ich vermute, dass sich Wilfried W. selbst äußern wird." Allerdings sei die Voraussetzung, dass sowohl er als auch sein Verteidigerkollege Carsten Ernst anwesend seien.

Eine Überraschung, denn bislang hatten sie ihrem Mandanten geraten, sich nicht zu den Vorwürfen zu äußern. Nicht einmal einer Untersuchung durch den Gutachter Michael Osterheider hatte sich Wilfried W. gestellt.

Vielleicht hat Angelika W. einen Beitrag zu diesem Sinneswandel geleistet. Sie machte keinen Hehl daraus, dass sie ihren Mitangeklagten nicht für normal hält. Wilfried W. leidet ihrer Ansicht nach unter Realitätsverkennung. &bdquo;Er ist in der Lage, sich die tollsten Sachen einzureden. Der glaubt das dann", sagte Angelika W.

Ob ihre Einschätzungen den Tatsachen entsprechen und Wilfried W. gar nicht oder nur eingeschränkt schuldfähig ist, wird Psychiater Michael Osterheider beurteilen müssen. Er hatte bislang nur Akten und Vernehmungsprotokolle zur Verfügung und äußerste bislang keinen Zweifel an der Schuldfähigkeit des 46-Jährigen. Mit der Aussage von Wilfried W. ist frühestens am 21. Februar zu rechnen.

»Hat Annika nie den Wunsch geäußert, nach Hause zurückzukehren?« Zurück zum zehnten Verhandlungstag. Wie immer, wenn Angelika W. von den Geschehnissen im Saatweg 6 erzählt, herrscht merkwürdige Stille im Saal. Nur manchmal ist ein erstauntes Raunen, ein entsetztes Seufzen zu hören. Gegen Mittag wird ein Stückchen Menschlichkeit spürbar, als Renate K., die Mutter von Opfer Annika W., eine Frage stellt. &bdquo;Hat Annika niemals den Wunsch geäußert, nach Hause zurückzukehren?", fragt sie.

Seit Anfang November sitzt sie als Nebenklägerin Wilfried und Angelika W. gegenüber, macht sich in einem Büchlein Notizen und hört zu. Vieles hat sie hören müssen von Schlägen und Tritten, mit denen ihre Tochter malträtiert wurde, von entsetzlichen Nächten, die diese gefesselt in einer Badewanne verbringen musste, und auch die entsetzlichen Details der Beseitigung des Leichnams musste sie erfahren. Ganz still hat die ältere Dame alles gehört, doch als von abstoßenden Sexualpraktiken die Rede ist, mit denen ihre Tochter dem Angeklagten zu Willen sein musste, macht sie vom Fragerecht Gebrauch – mit fester Stimme und den Blick zur Anklagebank gerichtet.

Eine klare Antwort erhält sie nicht. Wie immer sagt Angelika W. weder &bdquo;ja" noch &bdquo;nein", sondern lässt sich nur zu Andeutungen herab, die in der Aussage gipfeln, sie könne vieles berichten, was die hinterbliebene Mutter stark verletzen würde.

Wieder und wieder formuliert die Angeklagte lange Sätze mit Unklarheiten und haarsträubenden Inhalten. Wie in dem Bericht, dass Wilfried W. des Öfteren in den Stall ging, um sich an den Tieren abzureagieren, indem er diese aufeinanderhetzte oder mit dem großen Ziegenbock rang. Das Tier habe danach immer erschöpft am Boden gelegen.

&bdquo;Armer Bock", sagt Angelika W. und findet mehr mitleidige Worte für das Tier als für die Frauen, die Qualen erlitten. Ihrer Ansicht nach ist das nicht verwunderlich. &bdquo;Mir waren Tiere lieber als Menschen. Sie haben mich nicht enttäuscht." Einleuchtende Beispiele aus ihrem Leben hat sie allerdings nicht parat – außer Wilfried W. &bdquo;Er hat mich ohne Ende enttäuscht."

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