Urteil: Jäger aus Lippe darf Schalldämpfer benutzen

Minden/Detmold. Mit jedem Schuss auf Reh, Hirsch oder Wildschwein leidet auch das Gehör der Jäger. Nur ein paar Zentimeter vom Gewehrlauf entfernt, muss der Jäger den Büchsenknall mit einer Lautstärke bis zu 165 Dezibel (dbA) ertragen, die Schmerzgrenze liegt bei 140 Dezibel. Das Recht auf einen Schalldämpfer erstritt sich jetzt ein Berufsjäger aus Lippe.

Im November 2015 hatte er bei der Kreisverwaltung die waffenrechtliche Erlaubnis zum Erwerb und Besitz eines Schalldämpfers für ein Großkalibergewehr beantragt. Pro Jahr habe er 130 Stück Damwild, 15 Stück Rotwild, 20 Stück Rehwild und etwa 50 bis 100 Stück Schwarzwild sowie 50 Füchse zu erlegen, außerdem müsse er durch Straßenunfälle und bei Gesellschaftsjagden verletztes Wild von seinen Qualen befreien. Er befürchtete, einen Gehörschaden zu erleiden, aber anderer Gehörschutz sei vollkommen unpraktikabel.

Kopfhörer würden im Dickicht von den Ästen abgestreift und ließen nur stark eingeschränktes räumliches Hören zu. Im-Ohr-Geräte fielen bei starker Bewegung aus dem feuchten Gehörgang heraus. Und leiser werde es wegen der Knochenleitbahnen auch nicht.

Die Detmolder Behörde lehnte den Antrag ab. Die Notwendigkeit eines Schalldämpfers sei angesichts der Alternativen nicht nachgewiesen. Vielmehr seien Spaziergänger gefährdet, wenn sie den Schuss erst in der Nähe hörten. Außerdem würde die Gefahr größer, &bdquo;die deliktische Verwendung einer schallgedämpften Waffe zu planen", es wurden mehr Schalldämpfer-Diebstähle befürchtet.

In anderen Bundesländern sind Schalldämpfer erlaubt Ein allgemeines jagdliches Interesse an der Nutzung eines Schalldämpfers bestehe nicht, weil sein Einsatz für eine waidgerechte Jagdausübung nicht erforderlich ist, hatte noch 2003 der hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden. Das hat sich gewandelt. Nach Bayern haben auch Brandenburg und das Saarland Schalldämpfer erlaubt. In Hamburg und Bremen sind sie verboten.

NRW hat keine eigene Regelung. Die 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Minden folgte dem allgemeinen Trend und änderte ihre bisherige Haltung, nur Berufsförster mit Hörschaden bedürften eines Schalldämpfers. Auch ein Jäger dürfe sich vorbeugend gegen Hörschäden schützen.

Mehr Verbrechen mit gestohlenen Schalldämpfern verneine sogar das Bundeskriminalamt, Waldspaziergänger hörten den Geschoss-, nicht den Mündungsknall. Mit Hörschutz am oder im Ohr verringere sich das zur Jagd wichtige Richtungshören, folgte man dem Kläger. Auch bei mehr Schalldämpfern zur Jagd werde es nicht viel leiser im Wald.

So funktioniert ein Schalldämpfer Bei einem Schuss wird das Gewehr-Projektil (Gewehr-Kugel) durch explodierende Treibgase herausgeschossen. Der Knall entsteht dann an der Mündung der Waffe, wenn das Geschoss das Gewehr verlässt und ein Druckausgleich mit der Umgebungsluft stattfindet. Ein Schalldämpfer dient nun dazu, diesen Knall abzudämpfen.

Er wird dazu an das Ende des Gewehrlaufes geschraubt. Durch Scheiben und Federn, die sich im Inneren des Schalldämpfers befinden, verliert das Gas an Tempo, der Druck beim Austritt ist nicht mehr ganz so hoch und der Knall wird leiser. Dennoch bleibt der Schuss deutlich zu hören.

Film und Realität: Um einen so leisen Knall zu erzeugen, wie er beispielsweise in Agentenfilmen vorkommt, müsse der Schalldämpfer viel länger sein. Doch damit würde eine Waffe dann sehr unhandlich sein.

Einsatzgebiete: Schalldämpfer werden vor allem von Spezialeinheiten des Militärs und der Polizei genutzt. In Deutschland werden sie mit einer Sondergenehmigung auch von sogenannten Stadtjägern eingesetzt.

Das sagt der Landesjagdverband NRW Der Geschossknall wird durch einen Schalldämpfer deutlich leiser und schont somit die Ohren von Jäger und Hund. Propagieren Sie denn als Landesjagdverband solche Vorrichtungen - gegebenenfalls mit Verweis auf das aktuelle Urteil? Pressesprecher Andreas Schneider: Zunächst einmal ist es für jeden Jäger wichtig, sein Gehör, das ohne Zweifel einer erhöhten Belastung ausgesetzt ist, und das seines Hundes zu schützen. Wie das geschieht, kann von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Dass aber jeder die Möglichkeit hat, sich individuell bestmöglich zu schützen, dafür machen wir uns als Verband sehr wohl stark.

Was spricht gegen andere Maßnahmen, das Gehör zu schützen (Bügelgehörschutz, Ohrenstöpsel)? SCHNEIDER: Normale Gehörschützer können in bestimmten Situationen für den Jäger nachteilig sein, zum Beispiel, wenn Richtungshören erforderlich ist. Auch bleibt bei Verwendung von konventionellen Gehörschützern durch den Jäger das Gehör seines Hundes ungeschützt. Insoweit ist grundsätzlich die Reduktion der Lärmquelle die bessere Lösung.

Wissen Sie von anderen ähnlichen Gerichtsverfahren? SCHNEIDER: Ja, reichlich.

Der Kreis Lippe will Rechtsmittel einlegen, um eine einheitliche Regelung in NRW herbeizuführen. Unterstützen Sie das? SCHNEIDER: Keineswegs. Wir begrüßen das Mindener Urteil aus Gründen des Arbeitsschutzes und des Tierschutzes. Der Kreis Lippe muss auch keine Rechtsmittel einlegen, um eine landeseinheitliche Regelung herbeizuführen, denn es gibt schon ähnliche Verfahren, die bei verschiedenen Oberverwaltungsgerichten anhängig sind.

Und wie sollte so eine Regelung aussehen? SCHNEIDER: In verschiedenen anderen Bundesländern sind Schalldämpfer aus den vorgenannten guten Gründen schon erlaubt. Das Gehör eines nordrhein-westfälischen Jägers ist aber ebenso wertvoll, wie beispielsweise das eines bayerischen Jägers. Wir plädieren für eine bundeseinheitliche Regelung, die es jedem Jäger individuell freistellt, wie er sein Gehör schützt.

So wirken sich Hörschäden aus Etwa 15 Millionen Menschen, Tendenz steigend, sind in Deutschland von einer Gehörschädigung betroffen, heißt es auf der Internetseite des Vereins Deutsches Grünes Kreuz (DGK). Der Verein wurde 1948 in Frankfurt am Main gegründet und sieht seine wichtigste Aufgabe darin, Menschen, Tiere und Umwelt vor Schäden zu schützen.

Laut DGK führt ein Hörschaden zu einer Beeinträchtigung der Lebensqualität. Besonders das gesellschaftliche Leben sei davon betroffen, da Gesprächen nicht mehr so gut gefolgt werden könne. Außerdem sei die Alarmierungsfunktion des Gehörs eingeschränkt, sodass beispielsweise Warnsirenen oder Schreie nicht mehr deutlich wahrgenommen werden können. Das sei vor allem im Straßenverkehr gefährlich.

Auch Informationen, die sich oft zwischen den Zeilen von Gesprächen verbergen, wie Ironie oder Stimmungen, könnten durch einen Hörschaden verloren gehen. Damit ist laut Verein auch die emotionale und soziale Wahrnehmung eingeschränkt.

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