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So trainieren Polizisten den Schusswaffengebrauch

Freya Köhring

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Die Polizisten schießen auf Ziele, die auf eine Leinwand projiziert werden. Die können statisch wie auch interaktiv sein. Hier zielt Einsatztrainer Malte Kralemann auf die Projektionen. - © Freya Köhring
Die Polizisten schießen auf Ziele, die auf eine Leinwand projiziert werden. Die können statisch wie auch interaktiv sein. Hier zielt Einsatztrainer Malte Kralemann auf die Projektionen. (© Freya Köhring)

Schloß Holte-Stukenbrock. Man kennt sie aus Film und Fernsehen – die Polizisten, die ihre Waffe ziehen und nicht zögern zu schießen. Auch in der Realität greifen die Beamten zur Pistole. Erst kürzlich kam es in Sachsen-Anhalt zu einem Schusswechsel. Ein 28-Jähriger feuerte nach einem Familienstreit auf die Polizisten und wurde dabei selbst erschossen. Dennoch liegen Film und Wirklichkeit – wie so oft – sehr weit auseinander.

Im vergangenen Jahr richteten deutschlandweit die Polizisten 52-mal ihre Waffe gegen Menschen. Dabei wurden insgesamt 28 Personen verletzt und elf erschossen, heißt es in einer Erhebung der Deutschen Hochschule der Polizei in Münster. Davon wurden in Nordrhein-Westfalen elf Schüsse abgegeben, wie ein Sprecher des Innenministeriums sagt.

Information

Ausrüstung

Zur alltäglichen Ausrüstung der Polizisten in NRW gehören neben Uniform und Waffe, einer Walther P99, Handfesseln (umgangssprachlich Handschellen), Pfefferspray, eine Taschenlampe, ein Digitalfunkgerät, Handschuhe, der Einsatzmehrzweckstock und eine Maschinenpistole (MP5) von Heckler & Koch sowie eine Schussweste.

Es gab drei Tote. Die Beamten hätten in allen Fällen aus Notwehr oder Nothilfe, wenn ein anderer Mensch unmittelbar in Gefahr war, gehandelt. „In vielen Fällen gingen Personen mit einem Messer bewaffnet auf die Beamten zu", so der Sprecher. Das sei eine extreme Stresssituation, in der die Polizisten in Bruchteilen einer Sekunde entscheiden müssten, was sie tun. In Bielefeld und den Kreisen Lippe sowie Höxter gab es im vergangenen Jahr keine Situation, in der auf Menschen geschossen wurde.

Doch geschossen wird auch unter anderen Umständen, wenn etwa ein Tier verletzt wird oder eine Gefahr von ihm ausgeht. Insgesamt wurden so 2016 in NRW 1.536 Schüsse abgegeben. Im Kreis Lippe richteten sich 110 Schüsse gegen Tiere, in diesem Jahr waren es bis Juni 58. Im Kreis Höxter waren es 2016 48 Schüsse und 31 im laufenden Jahr. In Bielefeld waren es letztes Jahr drei Schüsse.

„Jeder Gebrauch der Dienstwaffe wird gemeldet", sagt Lars Ridderbusch, Pressesprecher der Polizei in Lippe. Jeder Kollege verfüge über eine gewisse Anzahl an Munition. Wenn die verwendet wird, müsse nachbestellt werden. Das bestätigen auch die Einsatztrainer der Polizei Bielefeld Reinhold Rüsing (37) und Malte Kralemann (32).

Doch in welcher Situation greift ein Polizist zur Waffe? „Wenn eine gegenwärtige Gefahr für Leib und Leben besteht", sagt Reinhold Rüsing und ergänzt: „Grundsätzlich ist die Schusswaffe immer das letzte Mittel, wenn alle anderen Zwangsmittel zur Lösung der Situation erfolglos waren oder wenn eine plötzliche Lebensgefahr besteht." Eine genaue Vorgabe, wohin geschossen werden soll, gebe es nicht. Ziel sei, den Angreifer so zu treffen, dass keine Lebensgefahr mehr besteht.

Um in solchen Gefahrenlagen handlungssicher zu reagieren, bilden sich regelmäßig die Polizisten aus der Region OWL im Regionalen Trainings-Zentrum (RTZ) in Stukenbrock fort. Hier stellen die Beamten verschiedene Situationen in unterschiedlichen Umgebungen nach. Dabei sind sie, wie im Alltag, komplett ausgerüstet.

Geschossen wird unter anderem in einer langen Schießhalle. Wichtig sind Schutzbrille, Gehörschutz und Schutzweste. Dann geht es los. Auf eine Leinwand werden verschiedene Ziele projiziert. Die können statisch als auch interaktiv sein. Bei letzterer Variante werden Filmsequenzen, in denen Bedrohungen auftauchen, gezeigt, auf die die Polizisten unterschiedlich reagieren müssen.

Das können Menschen mit Waffen sein oder auch ganz harmlose Personen. „Ziel soll es sein, im Einsatz in Extremsituationen genau das anzuwenden, was man im Training gelernt hat", sagt Reinhold Rüsing. Je öfter trainiert werde, desto handlungssicherer würden die Beamten natürlich. Auch Polizeieinsätze in Wohnungen, Schulen und Hotels lassen sich hier realitätsnah in extra eingerichteten Räumen trainieren.

Und was ist das für ein Gefühl jeden Tag mit einer scharfen Waffe am Körper zu arbeiten? „Natürlich ist man sich der Verantwortung bewusst, doch einen Druck verspüre ich persönlich im Alltag nicht, erst wenn die Gefahrensituation auftritt", sagt Malte Kralemann. Reinhold Rüsing bestätigt das: „Man ist nicht ständig einem permanenten Druck ausgesetzt, da solche Situationen nur selten auftreten." Jeder, der zur Polizei will, sollte sich zuvor aber gedanklich mit diesem Thema auseinandersetzen, so der 37-jährige Einsatztrainer.

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