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Das sind die Gründe für das Aal-Sterben in den Gewässern von NRW

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Angler mit Aal - © DPA
Angler mit Aal (© DPA)

Petershagen. Das Aal-Sterben in den Gewässern in NRW führt zu Streit: Die Berufsfischer sagen, dass die Wasserkraftwerke schuld sind, doch das weisen die zurück. Maik Thalmann kennt beide Seiten. Er ist der Leiter der Stromerzeugung bei dem Energieerzeuger Statkraft in Deutschland, der das Wasserkraftwerk in Petershagen betreibt. Er ist auch passionierter Angler, Fischereiaufseher und einer von wenigen Aal-Fachleuten in Deutschland. Und überzeugt davon, dass „die Kraftwerke sicher ein Faktor für das Aal-Sterben sind, aber gewiss nicht der einzige".

Seit er sich vor vielen Jahren dem Schutz der Art verschrieben hat, hat er viel über sie erfahren. Aale sind für Thalmann mehr als Fische: „Das sind meine Kumpel." Mit funkelnden Augen erinnert er sich an den Beginn der Schutzarbeit. „Aale und Lachse müssen für den Populationserfolg migrieren. Wenn sie nicht reisen, gibt’s keinen Nachwuchs." Kraftwerke haben dabei tatsächlich viele Jahrzehnte lang eine unüberwindbare Hürde dargestellt.

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Toxisch

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW rät davon ab, Wildaale aus den heimischen Gewässern zu verzehren.
Untersuchungen zeigen, dass die Fische ein Vielfaches des erlaubten Wertes an Dioxinen und PCB enthalten.
Die Giftstoffe bauen sich nur langsam ab und führen zu schweren gesundheitlichen Schäden.


Frühwarnsysteme informieren, wann die Fische kommen

Also arbeitete Thalmann an einer Lösung. Mit einem Team begann er, die Aale zu beobachten, schaute sich die Fische an, die die Kraftwerke passiert hatten, und listete die Verletzungen auf: „Schlagschäden und Amputationen von den Laufschaufeln der Turbinen, aber auch Schäden von den Fangnetzen der Fischer waren dabei." Daraufhin begann er, Verbesserungen auszuarbeiten, stellte sie dem eigenen Unternehmen vor und erhielt grünes Licht für die Umsetzung: 2002 wurde der erste Migromat an der Fulda eingebaut.

Es war der Beginn einer gesamtbetrieblichen Errichtung an strategisch wichtigen Stellen. „Wenn das Frühwarnsystem an der ersten Anlage auslöst, reagieren auch alle folgenden Werke", erklärt Thalmann und zeigt auf eine Grafik, die das System des Migromaten erklärt. Am ersten Punkt sitzen die Frühwarner. Das sind gefangene Aale, denen ein Chip implantiert wurde. Die Becken, in denen sie leben, sind mit Wasser aus dem Fluss gespeist. „Das ist wichtig, denn wir haben herausgefunden, dass es etwas im Wasser ist, das sie informiert, wann der Zeitpunkt zur Laichwanderung ist."

Die Melder sind ziemlich genau und das ist wichtig: „Das Zeitfenster der Wanderung ist klein. Wir haben ein bis zwei Stunden Vorlauf. Die ganze Wanderung dauert maximal zwei Tage." Wenn die Aale in den und außerhalb der Becken unruhig werden, beginnt die Wanderung in die Karibik, wo sie ablaichen.

Die Wehrfelder werden abgesenkt, die Laufschaufeln an den Turbinen weiter gestellt. Somit werden die Wege weiter und die Gefahr, dass sich die Tiere verletzen, geringer. „Das ist eine echte Herausforderung: Artenschutz zu verbinden mit unserer Kernaufgabe, nämlich den Stau für die Schifffahrt zu sichern. Es läuft ziemlich gut, wenn auch noch nicht perfekt."

Thalmann arbeitet eng mit Beate Adam vom Institut für angewandte Ökologie zusammen. Über die Optimierung der Kraftwerke beobachtet er die Fische genau und sammelt viele Erkenntnisse. „Wussten Sie, dass die Aale erst zwischen acht und fünfzehn Jahren geschlechtsreif werden und wandern?" Deswegen werden die „Spitzel-Aale" in den Becken auch nach spätestens fünf Monaten freigelassen. „Damit sie zum Laichen schwimmen können und, weil ein Aal in der Gefangenschaft aus Kummer sterben kann. Kein Witz."

Statkraft unterstützt Thalmann in der Umsetzung seiner Ideen, hat den Fischereivertrag übernommen, zudem werden seit einigen Jahren jährlich rund eine Million Glasaale und zudem 100.000 Lachse in die Weser gesetzt. „Es ist toll, wenn die Angler uns Bilder von Lachsen schicken, die 70 Zentimeter groß geworden sind", sagt Thalmann, kramt in seinem Handy und zeigt einige Bilder. Mit den Anglern pflegt er engen Kontakt. Sie seien die beste Stelle, um die Wirksamkeit der Maßnahmen zu prüfen. Nur die Zusammenarbeit mit den Berufsfischern mag nicht so recht klappen.

„In der Elbe gibt es kein einziges Kraftwerk und auch dort ist der Aalbestand eingebrochen. Die einzige Parallele sind die Berufsfischer. Sie haben Angst um ihren Ertrag und das ist okay. Sie haben ihre Berechtigung. Aber zum Aussterben der Aale gehören viele Faktoren. Das Kraftwerk ist, wie die Berufsfischer auch, nur einer davon."

Die Forschung ist zu seinem Hobby geworden. Er ist fasziniert von den Fischen, die so hochintelligent seien, „die Aale sind meine Kumpel", lacht er. Essen mag er sie trotzdem gern: „Aber nur aus der Farm, nicht aus der Weser." Aber das hat andere Gründe.

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