Tierquälerei: In Bielefeld geht die Angst vor Pferdeschändern um

Bielefeld. Zwei brutale Übergriffe im Bielefelder Süden, dazu ähnliche Fälle in Halle, Lage und Salzkotten: Die Polizei fahndet derzeit nach Pferdeschändern. Mutmaßlich mit Messern wurde auf die Tiere eingestochen, schwer verletzt und blutend ließen die Unbekannten sie zurück - jüngst offenbar sogar am helllichten Tag. Das beschäftigt nicht nur Pferdehalter.Viele Leser fragen: Wer macht etwas so Bestialisches? Warum? Und kann man als Tierfreund irgendwas tun? Antworten im Überblick.

Der jüngste Fall

Die Stute, bei der am Montag, 14. Januar, auf einer Weide an der Holtkampstraße eine tiefe Messer-Wunde festgestellt wurde, ist diese Woche noch in einer Bielefelder Tierklinik in Behandlung. Dem Pferd geht es mittlerweile etwas besser. Nach Angaben der Halterin handelte es sich um einen fünf Zentimeter langen, 15 Zentimeter tiefen Schnitt quer in die Schulter. Arterien wurden beschädigt, das Tier sei traumatisiert.

Die Ermittlungen

Den Polizeibeamten liegen noch keine Spuren oder Zeugenhinweise vor - auch nicht zum ähnlich gelagerten Fall von Ende September 2018 an der Friedrichsdorfer Straße. Ermittelt wird zudem wegen dreier Vorjahresfälle in den Kreisen Gütersloh, Paderborn und Lippe. Dort könne der Täter ein sexuelles Motiv gehabt haben, in Bielefeld nach derzeitigem Kenntnisstand aber nicht, erklärt Polizeisprecherin Hella Christoph.

Das Täterprofil

"Die allermeisten Täter sind nicht psychisch krank." Das sagt Carl-Ernst von Schönfeld, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie im Evangelischen Klinikum Bethel. Der Leitende Forensiker gilt als erfahren und renommiert, er erstellt als Gerichtssachverständiger auch psychiatrische Gutachten zu Angeklagten. Bei den Schändungen "geht es großteils um die Ausübung von Macht. Einige Fälle haben gezeigt, dass Täter früher selbst prägende Gewalterfahrungen gemacht haben."

Menschen mit dissozialer Persönlichkeitsstörung oder sogenannte "Borderliner" kämen in Betracht. Erfahrungsgemäß seien es deutlich mehr Männer als Frauen. Sie haben etwa Probleme mit Empathie, Schuldbewusstsein und etlichen sozialen Normen, können aber trotz Verhaltensauffälligkeiten im Alltag "funktionieren". Carl-Ernst von Schönfeld sagt, dass das Quälen von Tieren nur selten die einzige, "isolierte" Störung ist, die Täter aufweisen. Vergleichsweise selten seien aber auch sexuelle Motive.

Die Wahl der Opfer

Wenn Pferde als Projektionsfläche für Rache und Aggression ausgewählt werden, habe das vermutlich mit dem Status der Tiere zu tun: Mit ihnen wird gemeinhin Anmut verbunden. Ein langjährig traumatisierter Täter mit gekränktem Selbstwertgefühl könnte also Erlebtes versuchen zu kompensieren, indem er das Schöne und Kraftvolle dominiert, verletzt, letztlich zerstört.

Die Weitere Gefahr

Von Schönfeld berichtet, dass Angriffe nicht unbedingt auf Pferde oder Tiere generell beschränkt bleiben. "Es gibt eine Lesart von Forschern, nach der Tierquälerei ein 'Schritt auf der Leiter nach oben' ist, ein Übergangsstadium." Heißt: Reicht die Befriedigung nicht mehr, vergehen sich unentdeckte, desensibilisierte Täter laut wissenschaftlicher Studien womöglich auch an Menschen.

Die Reiter

"Sehr besorgt" ist der Stadtreiterverband, sagt die Vorsitzende Wiebke Böke. Die Pferdeschänder-Berichte seien Dauergesprächsthema - aber Pauschal-Tipps für Halter seien kaum möglich. Denn weitläufige Weiden mit Kameras auszustatten - wie von der Tierrechtsorganisation PETA jüngst angemahnt - sei illusorisch. Im Idealfall stünden Pferde im Stall, und der ist verschlossen. Aber auch das sei weder überall machbar, noch dauerhaft erwünscht.

"Klar kann man Kontrollgänge intensivieren. Aber wer Pferde verletzen will, der geht planvoll vor. Der weiß um die Lage vor Ort und schlägt im unbeobachteten Moment zu." Täter profitieren davon, dass die Tiere nicht scheu sind. Die Zutraulichkeit liege auch an "Leckerli" von Tierfreunden am Weide-Zaun. Egal wie gut Spaziergänger es meinen: Wiebke Böke rät davon ab - jetzt erst recht.

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