Berlin. Die Bauern proben den Aufstand. Heute wollen Tausende mit ihren Traktoren in vielen Städten gegen die Agrarpolitik der Bundesregierung protestieren. Worum geht es?
Warum kommen die Proteste ausgerechnet jetzt?
Das sogenannte Agrarpaket der Bundesregierung hat für viel Aufregung unter den Landwirten gesorgt. Daraus ist eine neue Protestbewegung entstanden, die bislang mit grünen Kreuzen am Rand von Äckern und Wiesen auf sich aufmerksam machte. Dieser stille Protest reicht nun vielen Landwirten nicht mehr. Deshalb wollen sie mit Traktoren in die Städte rollen.
Wer steckt hinter den Aktionen?
Die Demos werden von der Initiative „Land schafft Verbindung" organisiert. Diese geht auf eine Facebook-Gruppe zurück, die Anfang Oktober gegründet wurde. Nach eigenen Angaben gehören zu der Gruppe nun etwa 15.000 Personen. Via Whatsapp partizipierten rund 100.000 Menschen. Auf der Website heißt es: „Wir sind einfach Landwirte, die ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen."
Allerdings handelt es sich nicht um eine echte Graswurzelbewegung. So hat sich der Deutsche Bauernverband (DBV) mit der Initiative solidarisiert. Funktionäre aus Landesgliederungen des DBV sind an der Organisation beteiligt. Eine der wichtigsten Figuren der neuen Bewegung ist der Blogger „Bauer Willi". Es handelt sich um Wilhelm Kremer-Schillings. Er ist Nebenerwerbslandwirt und Vize-Chef einer Agrargenossenschaft, die auch mit Pestiziden und Kunstdünger handelt.
Was fordern die Bauern?
Der Initiative geht es laut Demo-Aufruf um den Erhalt bäuerlicher Familienbetriebe, die durch das Agrarpaket gefährdet würden. Die Organisatoren lehnen die geplante Düngeverordnung der Bundesregierung ab. Sie wehren sich gegen „permanente negative Stimmungsmache", die zu Ärger und Frustration im Berufsstand führe.
Und das kürzlich beschlossene Handelsabkommen mit südamerikanischen Mercosur-Staaten wird abgelehnt: Importierte Billigware bedrohe die Versorgung mit qualitativ hochwertigen Lebensmitteln aus der Region.
Worum geht es im Agrar-Paket?
Im September hat die Bundesregierung beschlossen, den umstrittenen Unkrautvernichter Glyphosat von 2024 an zu verbieten. Das soll zum Teil schon früher für besonders schädliche Insektengifte und andere Pflanzenschutzmittel gelten, sofern sie bislang in der Nähe von Gewässern und Schutzgebieten eingesetzt werden. Zudem geht es um eine Umverteilung von Agrarsubventionen.
Die pauschalen Direktzahlungen, die sich an der Größe der bewirtschafteten Flächen orientieren, sollen um 4,50 Euro pro Hektar und Jahr gekürzt werden. Das eingesparte Geld soll stattdessen über die Agrar-Förderprogramme der Bundesländer beispielsweise für den Ausbau der Biolandwirtschaft verwendet werden.
„Land schafft Verbindung" sieht durch beide Punkte die ökonomische Basis von landwirtschaftlichen Betrieben gefährdet. Bauern erhalten derzeit im Schnitt rund 286 Euro pro Hektar und Jahr vom Staat.
In welche Richtung könnte eine Einigung gehen?
Klar ist, dass ein zentraler Bestandteil eine andere Verteilung der Subventionen wäre, die die Existenz vieler Betriebe sichern. Martin Schulz, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL), macht darauf aufmerksam, dass die Landwirtschaft jahrzehntelang von Politik und Wissenschaft darauf getrimmt wurde, möglichst billig für den Weltmarkt zu produzieren.
Das hat aus Sicht der AbL zu heftigen Verwerfungen geführt. Viele Betriebe könnten trotz immenser Anstrengungen zur Steigerung der Produktivität nicht kostendeckend arbeiten.
Welche Schritte werden konkret gefordert?
Kernpunkt ist, die pauschalen Direktzahlungen abzuschaffen und das Geld nach einem Punktesystem zu verteilen. Dieses soll sich nach den Vorstellungen der AbL „an den bäuerlichen Leistungen für den Klima-, Arten- und Umweltschutz" orientieren.
Das alles soll im Rahmen einer EU-Agrarreform geschehen, zu der auch eine Marktordnung gehören müsse, die im Ernstfall schwere Marktkrisen „aufgrund preisdrückender Übermengen" bekämpfen könne.