Wie die Zukunft der Landwirtschaft aussehen kann, zeigt ein Hof in OWL

Rödinghausen. Der Strukturwandel trifft die Landwirtschaft wie keine andere Branche in Deutschland. Die Zahl der Betriebe sinkt kontinuierlich, weil immer mehr Landwirte aufgeben müssen. Allein in OWL ist die Zahl der Betriebe in nur sieben Jahren auf 7.120 gesunken. Die Hoffnung verlieren die Landwirte in der Region trotzdem nicht. &bdquo;Bleiben die Preise stabil und setzt die Bundesregierung ihre Versprechen um, dann können wir positiv in die Zukunft blicken“, sagt der Präsident des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes, Hubertus Beringmeier. Wie die aussehen kann, zeigt der Milchhof Kilver in Rödinghausen im Kreis Herford.

Mit ihrem Zusammenschluss wagen die Landwirte Jost-Heinrich Grothaus und Martin Nölker für den Ausbau eines Milchviehbetriebs mit 120 Kühen vor 25 Jahren in Rödinghausen einen ungewöhnlichen Schritt in der Landwirtschaft. Heute steht der Betrieb, der vor fünf Jahren in eine GmbH umgewandelt wurde, mit 294 Kühen, 160 Hektar Ackerland, drei Betriebsleitern und mehreren Mitarbeitern und Auszubildenden als Beispiel dafür, wie der Generationenwechsel in der Landwirtschaft trotz gewaltiger Herausforderungen erfolgreich gelingen kann.

&bdquo;Wir leben für die Kühe und unsere Arbeit, haben durch den Zusammenschluss aber auch Freiheiten. Jeder hat Urlaub und auch mal am Wochenende frei“, erklärt Betriebsleiter Grothaus. &bdquo;Das ist in den meisten Branchen selbstverständlich, in der Landwirtschaft aber nicht. Möglich ist das nur dank der Teamarbeit in Betriebsgemeinschaften wie unserer. Modelle dieser Art haben Zukunft, weil sie für die nächsten Generationen attraktiv sind.“ Das bestätigt Betriebsleiter Patrick Nölker als Teil der zweiten Generation auf dem Milchhof Kilver: &bdquo;Als junge Landwirte brauchen wir Perspektiven, damit wir Höfe übernehmen können und unser Wunschberuf eine Zukunft hat.“

Landwirte verbringen immer mehr Zeit im Büro An Perspektiven mangelt es nach Angaben Beringsmeiers jedoch vielerorts bei Jung und Alt, weshalb Landwirte in den vergangenen Jahren zu wenig in ihre Betriebe investiert haben. &bdquo;Steigende Kosten, stark schwankende Preise, überzogene Vorgaben, fehlende Planungssicherheit und das verloren gegangene Vertrauen in die Politik verunsichern massiv.“ Der Koalitionsvertrag der neuen Bundesregierung und Veränderungen auf EU-Ebene machen dem Landwirt aus Hövelhof im Kreis Paderborn jedoch Hoffnung. &bdquo;Wir merken, dass die Vorgaben aus Brüssel sich wieder näher an der Praxis orientieren. Und wenn die neue Bundesregierung ihre Versprechen auch tatsächlich umsetzt, werden die Bedingungen für Landwirte wieder besser.“

Darauf hofft auch das Team des Milchhofs Kilver, das sich täglich darüber ärgert, wie viel Zeit Landwirte im Büro statt im Stall oder auf dem Acker verbringen müssen. &bdquo;Wir haben drei Ställe für unsere Kühe, die nicht weit auseinanderliegen. Doch immer dann, wenn eine Kuh in einen anderen Stall umzieht, muss das registriert werden. Vergesse ich das oder passiert mir ein Fehler beim Eintragen der 15-stelligen Nummer, wird uns die Prämie gekürzt“, moniert Herdenmanagerin Carina Nölker. Kürzungen drohen nach Angaben der 29-Jährigen auch, wenn Kühe Ohrmarken verlieren, die sie an beiden Seiten zur Identifizierung tragen müssen. &bdquo;Bei einer tierärztlichen Kontrolle der fast 300 Kühe fiel auf, dass drei Kühen jeweils eine ihrer Marken fehlte. Auch das gab Ärger.“

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Aktuell gibt es 50 Cent pro Liter Milch Hinzu kommen Sorgen, wie lange die Preise für Milch, Fleisch und andere Erzeugnisse weiter stabil bleiben. &bdquo;Aktuell gibt es gut 50 Cent für den Liter Milch. Das ist ein guter Preis, wenn man bedenkt, dass es vor wenigen Jahren gerade mal 22 Cent gab“, erklärt Antonius Tillmann, Vorsitzender des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes in OWL. Trotz aktuell guter Preise sinkt die Zahl der Landwirte, die noch Milchkühe oder andere Tiere halten. In OWL gibt es nach Angaben des Verbands aktuell noch etwa 726 Milchviehbetriebe. 2016 waren es noch 1.070. &bdquo;Das ist eine gefährliche Entwicklung, denn Tierhaltung und Pflanzenbau sind in Kreisläufen miteinander verbunden. Nur dieses Zusammenspiel ist ressourcenschonend und nachhaltig.“

Lebensmittel aus der Heimat werden mit Blick auf den Klimawandel, Krisen wie dem Ukraine-Krieg, der Verhängung von Strafzöllen oder dem Ausbruch von Tierseuchen laut Beringmeier jedoch immer wichtiger. &bdquo;Es gibt keine Garantie mehr für Lebensmittelsicherheit, wenn Lieferketten zusammenbrechen oder Ernten ausfallen. Deshalb brauchen wir einen echten Politikwechsel, der die Arbeit der Landwirte nicht länger erschwert.“ Kein Landwirt wolle das Rad zurückdrehen, sagt Beringmeier. &bdquo;Wir verändern uns wie keine andere Branche und stehen zu Nachhaltigkeit, Naturschutz und Tierwohl. Das alles muss aber bezahlbar bleiben. Auch Landwirte müssen von ihrer Arbeit leben können.“

Lebensmitteleinzelhandel will Preise senken Mit großer Sorge blicken die Landwirte deshalb auf die Ankündigungen des Lebensmitteleinzelhandels, die Preise für Lebensmittel um bis zu 35 Prozent zu senken. &bdquo;Der Einzelhandel kann gerne seine eigenen Margen kürzen, diesen Druck aber auf keinen Fall an uns weitergeben. Bei Landwirten kommen nach dem Verkauf ihrer Erzeugnisse bereits jetzt nur 21 Prozent an“, moniert Beringmeier. &bdquo;Der wichtige und richtige Ansatz für mehr Tierwohl, Naturschutz und Nachhaltigkeit darf nicht durch eine falsche Preispolitik konterkariert werden. Dem massiven Preisdruck des Lebensmitteleinzelhandels können die Betriebe sonst langfristig nicht standhalten.“

Trotz der vielen Sorgen blicken die Landwirte positiv in die Zukunft und machen am 27. Mai zum Tag der Zukunftsbauern darauf aufmerksam, wie wichtig die moderne Landwirtschaft für die Zukunft des Landes ist. &bdquo;Die Ausbildungszahlen zeigen seit Jahren, dass der Beruf Zukunft hat, weil immer noch vor viele junge Menschen dafür brennen“, sagt Tillmann.

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