Krankmeldungen in OWL: Immer mehr Fehltage durch Alkoholprobleme

Bielefeld. Der Alkoholkonsum sinkt zwar insgesamt seit vielen Jahren in Deutschland, doch die Zahl alkoholabhängiger Menschen steigt ebenso wie die Zahl derer mit einem riskanten Trinkverhalten. Das wirkt sich auf die Gesundheit Betroffener aus, aber auch auf die Wirtschaft, denn die Krankenkassen registrieren einen Anstieg an Ausfalltagen in Folge von Alkoholproblemen. Eine Auswertung der größten Kasse in OWL, der AOK Nordwest, zeigt, dass allein der Wirtschaft in Westfalen-Lippe so im vergangenen Jahr 137.727 Arbeitstage verloren gegangen sind. Das sind 19 Prozent mehr als in 2022 und 45 Prozent mehr als 2021.

Nach Angaben von Allgemeinmediziner Jens Grothues ist der massive Anstieg an Fehlzeiten aufgrund von Alkoholproblemen eine Folge der Corona-Pandemie. &bdquo;In der Krise haben Suchtkrankheiten zugenommen, vor allem aufgrund von Isolation und Einsamkeit“, erklärt der dritte Vorsitzende des Hausärzteverbandes Westfalen-Lippe. &bdquo;Mit dem Ende der Pandemie und dem Wegfall von Homeoffice und anderen Maßnahmen müssen sich Betroffene nun wieder voll ihrem Alltag stellen und suchen vermehrt Hilfe.“

Hinzu kommt laut Grothues, dass inzwischen offener über Suchtkrankheiten gesprochen wird. Trotzdem geht der Hausarzt aus Beverungen (Kreis Höxter) fest von einer hohen Dunkelziffer aus. &bdquo;Viele Patienten berichten ihren Ärzten nicht von Alkoholproblemen, sondern nur von Kopfschmerzen und anderen Folgen des Konsums, wenn sie um eine Krankmeldung bitten.“

Alkoholabhängigkeit entwickelt sich schleichend Diese Entwicklung ist nach Angaben Grothues Teil eines Trends, der ihm Sorgen bereitet. &bdquo;Patienten verlangen deutlich offensiver Krankmeldungen und zeigen sich offener für lange Fehlzeiten am Arbeitsplatz.“ Beobachten lasse sich das vor allem bei Menschen, die ins Berufsleben starten. &bdquo;Die Belastbarkeit ist deutlich gesunken, das gilt auch für die Verbundenheit zum Arbeitgeber. Hinzu kommt, dass Arbeitnehmer aufgrund des Fachkräftemangels mehr Freiheiten haben.“

Grundsätzlich gilt für den Umgang mit Alkohol nach Angaben des Gütersloher Suchtmediziners Ulrich Kemper, dass der Stoff ab dem ersten Glas ungesund ist und, dass sich aus exzessivem Konsum schleichend eine Suchterkrankung entwickeln kann. &bdquo;Das wollen sich viele Betroffene aber nicht eingestehen, weil es mit einer Stigmatisierung einhergeht, doch die Erkenntnis ist wichtig, weil man sich dann Hilfe suchen kann.“

Zum Start der Fastenzeit testen, ob ein Alkoholproblem vorliegt Menschen mit einer körperlichen Alkoholabhängigkeit sollten den Entzug nur mit ärztlicher Unterstützung angehen, rät Kemper. &bdquo;Doch auch ohne körperliche Entzugserscheinungen kann eine Suchterkrankung vorliegen, weil sie mit der psychischen Abhängigkeit beginnt.“

Aus seinem Alltag als Chefarzt der Bernhard-Salzmann-Klinik des LWL-Rehabilitationszentrums Ostwestfalen und der Klinik für Suchtmedizin des LWL-Klinikums Gütersloh weiß Kemper, dass Alkoholsucht ein zunehmendes Problem ist. &bdquo;Bemerken Menschen, dass sie ein riskantes Trinkverhalten haben, sollten sie mal ausprobieren, auf Alkohol zu verzichten, zum Beispiel zum Start der Fastenzeit. Hilfreich ist es, wenn man das gemeinsam mit dem Partner oder einer Freundin ausprobiert, damit man sich austauschen kann.“ Ratsam sei auch das Hinterfragen eigener Gewohnheiten. &bdquo;Muss es wirklich jeden Abend das Bier zum Abendessen geben oder den Wein auf dem Sofa beim Fernsehen, der angeblich beim Schlafen hilft? Wer nicht auf Alkohol verzichten möchte, sollte sich auf das Genusstrinken beschränken.“

Können Menschen nicht verzichten, haben sie laut Kemper ein Problem. Betroffene sollten sich dann Hilfe suchen, am besten beim Arzt, bei Suchtberatungsstellen oder in Selbsthilfegruppen. &bdquo;Inzwischen gibt es auch Online sehr gute Hilfsangebote.“

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