Wie ein Bielefelder Start-up Vorsorgemuffel für Prävention begeistern will

Bielefeld. Um Krankheiten zu vermeiden und rechtzeitig zu erkennen, bieten die Krankenkassen in Deutschland ihren Versicherten Check-ups und Krebsvorsorgeuntersuchungen an. Genutzt werden die kostenlosen Angebote jedoch nur von einer Minderheit. Das Bielefelder Unternehmen Vivatura, das Gesundheitstests für zu Hause anbietet, möchte mehr Menschen für Prävention begeistern und in einer Untersuchung herausfinden, warum Gesundheitsvorsorge so wenig nachgefragt wird. Unterstützt werden sie dabei von fünf Unternehmen aus OWL, die ihre Mitarbeiter für eine Herz-Kreislauf-Risikobewertung mit Cholesterin-Tests für zu Hause ausstatten. Auftakt des Projekts wird eine Diskussionsrunde mit NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) am 6. September.

&bdquo;Das Problem der nicht genutzten Vorsorgeangebote besteht seit vielen Jahren, doch geändert hat sich wenig. Wir möchten mit der Untersuchung eine gesellschaftliche Diskussion anstoßen, damit mehr Menschen auf ihre Gesundheit achten“, erklärt Molekularbiologe Bernd Reger, Geschäftsführer von Vivatura. Ziel sei es, vor allem die Menschen mit einfachen Gesundheitstests für zu Hause zu erreichen, die bislang keine Prävention nutzen. &bdquo;Ob das funktionieren wird, werden wir nach der Auswertung der Untersuchung erfahren, denn die Mitarbeiter der teilnehmenden Unternehmer erhalten nicht nur den Test, sondern auch einen Fragebogen zu ihrem Präventionsverhalten.“

Mit dabei sind die Unternehmen Schüco, Hörmann, NTT Data, Hanning Elektro-Werke und die Volksbank in Ostwestfalen. &bdquo;Alle Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern die Tests in den kommenden Monaten als freiwilliges Angebot über ihr betriebliches Gesundheitsmanagement an. Auswertung und Nachbetreuung laufen aber anonym, sodass kein Arbeitgeber erfährt, ob die Testergebnisse auf ein erhöhtes Risiko für Herz-Kreislauf-Krankheiten hinweisen oder nicht“, erklärt Vivatura-Mitgesellschafter Markus Wendler, Inhaber des Bielefelder Hilfsmittelversorgers PVM. &bdquo;Hinzu kommt für jeden Teilnehmer ein Fragebogen zum Präventionsverhalten, die ausgewertet werden.“

Markt für Gesundheitstests stark gewachsen Die Volksbank in Ostwestfalen startet das Projekt im kommenden Jahr. &bdquo;Im Zuge der Fusion der Volksbanken erarbeiten wir auch ein neues Konzept für das betriebliche Gesundheitsmanagement. Das Projekt passt perfekt, weil uns der Präventionsgedanke wichtig ist“, erklärt Dagmar Brinkmann, die in der neuen Volksbank für das betriebliche Gesundheitsmanagement zuständig ist. &bdquo;Bei all unseren Angeboten im betrieblichen Gesundheitsmanagement ist uns der ganzheitliche Ansatz wichtig. Das Projekt setzt genau dort an.“ Die Volksbank hoffe, dass das Projekt viele der 1.300 Mitarbeiter für Prävention begeistern werde.

Darauf hofft auch Anke Weber, Head of Human Ressources bei Schüco in Bielefeld. &bdquo;Unsere Mitarbeiter sind uns sehr wichtig, daher liegt uns die Investition in deren Gesundheitserhaltung am Herzen.“ Mit der Teilnahme an dem Projekt gebe Schüco seinen Mitarbeitern die Möglichkeit, sich mit der eigenverantwortlichen Gesundheitsvorsorge zu befassen. &bdquo;Und die aus der Studie gewonnenen Erkenntnisse werden wir hoffentlich in die Planung künftiger Angebote zur Gesundheitsförderung in unserem Hause einfließen lassen können“, sagt Weber.

Der Markt für Gesundheitstests, die Nutzer selber zu Hause mit wenigen Blutstropfen aus der Fingerkuppe oder Urin- und Stuhlproben durchführen und per Post zum Labor schicken können, ist in den vergangenen Jahren stark gewachsen. Vivatura bietet die Tests seit April an und verkauft nach Angaben Regers pro Monat inzwischen 1.000 Tests, die Endverbraucher pro Stück zwischen 35 und 120 Euro kosten.

Möglich sind unter anderem Tests für verschiedene Vitamine und Spurenelemente, aber auch Leber-, Nieren- und Schilddrüsenwerte, Entzündungsmarker, Vorsorgetestes für Darm- und Prostatakrebs sowie Tests auf Geschlechtskrankheiten.

Gesundheitstool bietet zu jedem Befund eine Einordnung &bdquo;Wir möchten mit den Tests einen niederschwelligen Zugang zu Prävention bieten, weil unsere Kunden nicht nur einen Laborbefund erhalten, sondern über unser Gesundheitstool auch Einordnung und Ratschläge erhalten sowie die Möglichkeit, den Befund mit einem Arzt in einer Videosprechstunde zu besprechen“, erklärt Reger. Ziel sei es, die Gesundheitskompetenz zu verbessern. &bdquo;Durch die Erklärungen der Laborbefunde und daran anschließenden Empfehlungen, die ärztlich geprüft sind, wissen die Nutzer, wie sie sich verhalten sollen, wenn ein Vitamin-D-Mangel besteht, der Test auf eine Geschlechtskrankheit positiv auffällt oder Cholesterinwerte erhöht sind.“

Bei den Tests zur Früherkennung bestimmter Krebsarten gibt es nach Angaben Wendlers zudem immer die Hinweise auf die Präventionsangebote der Krankenkassen. &bdquo;So werden die Nutzer, die für den Test zur Darmkrebsvorsorge eine Stuhlprobe einschicken, darüber informiert, dass die Darmspiegelung der Goldstandard in der Früherkennung von Darmkrebs ist“, sagt Reger. &bdquo;Mit dem Test wollen wir keine Angebote ersetzen oder Nutzer in falscher Sicherheit wiegen, sondern durch niederschwellige Zusatzangebote auf Prävention aufmerksam machen.“

Hausärzte in Bielefeld kritisieren Gesundheitstests für zu Hause Viele Ärzte kritisieren die Gesundheitstests für zu Hause jedoch, so auch Mitglieder der Initiative Bielefelder Hausärzte. Zum einen aufgrund der hohen Kosten für Patienten, weil die Tests auch in Arztpraxen angeboten und bei entsprechender Indikation von den Krankenkassen finanziert werden. Zudem anderen besteht die Sorge, dass die mitunter anlasslosen Befunde zu mehr Arbeit in Arztpraxen führen, weil Ärzte sie dann einordnen müssen.

Der Bielefelder Hausarzt Tim Niedergassel ist Mitgesellschafter von Vivatura und kann die Kritik seiner Kollegen nachvollziehen. &bdquo;Wir wollen aber keinesfalls mehr Arbeit verursachen, weshalb die Laborbefunde auch nicht unkommentiert verschickt werden, sondern ausführlich erklärt werden.“

Niedergassel weiß aus seinem Alltag in der Praxis, dass vielerorts eine Überlastung besteht. &bdquo;Ich weiß aber auch, dass viele Menschen, vor allem Männer, keine Vorsorgeuntersuchungen nutzen und gefährdet sind.“ Über einfache Tests für zu Hause bestehe die Möglichkeit, Vorsorgemuffel zu erreichen, sagt Niedergassel. &bdquo;Ich bin sehr auf das Ergebnis der Untersuchung in den Unternehmen gespannt, denn dann wissen wir, ob es tatsächlich eine Chance gibt, mehr Menschen für Vorsorge zu begeistern.“

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