Nach Angriff auf Hausarzt in Spenge: Täter wieder auf freiem Fuß

Spenge/Herford. Noch am Tag des Angriffs auf den Spenger Hausarzt Andreas Schimke wurde der mutmaßliche Täter in eine Psychiatrie eingewiesen. Am nächsten Tag wurde er direkt wieder entlassen. Die Redaktion hat mit dem leitenden Oberarzt der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Kreiskliniken Herford-Bünde gesprochen, was genau vorliegen muss, damit die Mediziner einen Menschen einbehalten dürfen.

Zum mutmaßlichen Täter und seinem Geisteszustand am Tag der Tat äußert sich Max Balz, leitender Oberarzt in der Psychiatrie des Klinikums Herford nicht. &bdquo;Sämtliche Behandlungsverläufe unterliegen der Schweigepflicht“, sagt Balz. Nach Redaktions-Informationen ist aber klar, dass der mutmaßliche Täter, ein 24-Jähriger, noch am Abend der Tat von den Ordnungsbehörden in die Psychiatrie des Kreisklinikums eingewiesen wurde. Zuvor soll der Mann den Spenger Hausarzt in dessen Praxisräumen krankenhausreif geschlagen haben. Später soll der Mann auch in einer anderen Praxis Morddrohungen ausgesprochen haben. Der 24-Jährige ist am Tag nach seiner Einweisung wieder entlassen worden. Nach Redaktions-Informationen soll er bei Verwandten untergekommen sein.

Dass ein Patient so unmittelbar vor der Einweisung mutmaßlich in eine Straftat verwickelt sei, passiere in der Psychiatrie des Klinikums &bdquo;sehr, sehr selten“, sagt Balz. &bdquo;Unsere Patienten haben in den allermeisten Fällen keine Straftaten begangen, und der Hilfebedarf ist führend.“ Es gebe drei Wege, auf denen Patienten in die Psychiatrie gelangen können. Da wäre zunächst die Selbsteinweisung oder die Einweisung eines Patienten durch einen Bevollmächtigten. Letzteres kann geschehen, wenn zum Beispiel ein Familienmitglied nicht selbst in der Lage ist, in eine notwendige Behandlung einzuwilligen. Zuletzt gibt es die Einweisung durch eine Ordnungsbehörde nach dem Psychisch-Krankengesetz. &bdquo;Das dient zur Abwehr akuter krankheitsbedingter Gefahren“, sagt Balz. &bdquo;Das ist aber auch die schlechteste Behandlungsgrundlage, da sie unsere Handlungsoptionen stark einschränkt.“

Es braucht einen richterlichen Beschluss Für die Unterbringung gemäß den Psychisch-Krankengesetzen gebe es &bdquo;sehr strenge Richtlinien“, sagt Balz. Spätestens am Folgetag müsste bis Mitternacht ein richterlicher Beschluss vorliegen, damit die Psychiatrie einen Menschen einbehalten kann. Gibt es einen solchen Beschluss nicht und der Betroffene möchte nicht freiwillig in der Klinik bleiben, &bdquo;muss es eine Entlassung geben. Egal, ob eine Behandlung medizinisch sinnvoll ist“, sagt Balz.

Damit ein Mensch gegen seinen Willen behandelt werden kann, müsse die Gefährdung für sich oder für andere akut sein. &bdquo;Es muss sehr konkret sein“, erklärt Balz. &bdquo;Dass zum Beispiel ein Alkoholiker irgendwann wieder anfangen könnte, zu trinken, wäre völlig unzureichend.“

In der Psychiatrie wird ein eingelieferter Patient zunächst untersucht und beobachtet. Es würden die Vorgeschichte und sein Verhalten, nicht nur seine Äußerungen berücksichtigt, erklärt Balz. Dabei wird auf Kriterien wie zum Beispiel Realitätsverlust, Desorientierung des Patienten oder dessen Steuerungsfähigkeit geschaut. Liegen Anzeichen einer krankheitsbedingten Gefährdung am Folgetag aber nicht mehr vor, hat die Klinik auch keine rechtliche Grundlage mehr, Menschen gegen ihren Willen einzubehalten. &bdquo;Das Recht auf unvernünftiges Verhalten besteht auch bei psychisch Erkrankten“, sagt Balz. &bdquo;Was medizinisch sinnvoll wäre, ist nicht automatisch rechtlich zulässig.“

Nun könnte die Staatsanwaltschaft aktiv werden Sofern darüber hinaus eine Strafverfolgung notwendig ist, liege die Zuständigkeit wieder dann bei den Behörden, beziehungsweise bei der Staatsanwaltschaft. Diese könne im Zuge eines Verfahrens die Untersuchungshaft oder bei psychisch Erkrankten die Unterbringung von Verdächtigen veranlassen, erklärt Balz. Diese kämen dann aber in die forensische Psychiatrie, die sich auf die Behandlung und Unterbringung von psychisch kranken Straftätern spezialisiert hat, nicht in die Allgemeinpsychiatrie. Auf Nachfrage der Redaktion teilt die Staatsanwaltschaft Bielefeld mit, dass sie noch nicht in den Fall eingebunden wurde, und verweist an die Kreispolizei. Diese teilt mit, dass die Ermittlungen andauern.

Balz bedauert, dass wenn in der Öffentlichkeit über psychische Erkrankungen diskutiert wird, dies häufig im Zusammenhang mit Gewalt geschieht. &bdquo;Psychisch-Erkrankte sind eher gefährdet, Opfer einer Gewalttat zu werden, eher gefährdet, Opfer im Straßenverkehr zu werden, wirtschaftlich ausgenutzt zu werden und medizinisch schlechter behandelt zu werden“, sagt Balz. Rund ein Drittel der Bevölkerung würde einmal im Leben an einer behandlungsbedürftigen psychiatrischen Erkrankung leiden. In einer überwältigenden Mehrheit &bdquo;sind das Menschen, die Hilfe brauchen, nicht aber Menschen, die gefährlich sind“, sagt Balz.

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