Invasive Drüsenameisen krabbeln durch NRW: Was gegen Superkolonien hilft

Bielefeld. Sie riechen nach ranzigem Fett, bilden Superkolonien mit vernetzten Brutzentren und Millionen von Tieren und krabbeln in Häuser. Sie unterhöhlen Gehwege und zerstören Internetkabel. Aggressive Arten aus der Unterfamilie der Drüsenameisen erobern Nordrhein-Westfalen. Vor allem die potenziell invasive Art Tapinoma magnum breitet sich in NRW aus. Was muss man wissen? Wir beantworten die wichtigsten Fragen:

Woran erkennt man Tapinoma-Ameisen? Viele Arten der Drüsenameisen-Gattung sind selbst für Fachleute nicht einfach voneinander zu unterscheiden. Ameisenforscher des Naturkundemuseums Stuttgart geben jedoch Hinweise, wie Laien die Gattung identifizieren können: In mehrspurigen Ameisenstraßen strömen die pechschwarzen Tiere rasend schnell in und aus dem Boden. Reizt oder zerquetscht man sie, sondern ihre Drüsen ein stark riechendes Sekret ab – manche erinnert es an Nagellackentferner, andere an ranzige Butter, Zitrone oder Blauschimmelkäse.

Was macht Tapinoma-Ameisen so gefährlich? Sie können &bdquo;Superkolonien“ mit zahlreichen Nestern bilden, wie es in einer wissenschaftlichen Abhandlung über invasive Ameisengattungen heißt. Anders als bei anderen Arten gibt es keine Verdrängungskämpfe zwischen den Nestern, die so rasant wachsen können. Innerhalb eines Nestes kann außerdem nicht nur die Königin den Nachwuchs austragen, sondern mehrere Weibchen. Dann kommt es zur Nestspaltung.

Die Folge: In kürzester Zeit entsteht ein verzweigtes, exponentiell wachsendes Netz aus Nestern – das nach Jahren von sich aus zusammenbricht. Die Ameisen nisten nicht nur in Parks, Gartencentern und unter Gehwegsteinen. Auch Wohnhäuser befallen sie großflächig. In Süddeutschland musste ein Spielplatz gesperrt werden, da der Pflasterweg aufgrund einer Superkolonie so uneben geworden war, dass eine Begehung ein echtes Sturzrisiko barg.

Gibt es Sichtungen auch in OWL? Der Ameisenkundler Holger Sonnenburg gibt derzeit Entwarnung für OWL. Ein gefährlicher, großflächiger Befall der Superkolonien wäre aufgefallen, und: &bdquo;Wenn es kleinflächigen Befall gibt, gibt es keinen Grund zur Panik. Von einer Gefährdungslage für Menschen kann also in OWL keine Rede sein.“

Anders sieht es im Rhein-Ruhrgebiet aus, wo der Entomologische Verein Krefeld 2025 eine umfangreiche Übersichtsarbeit veröffentlicht hat. In der interaktiven Karte finden sich die von ihm dokumentierten Befälle:

.responsive23-UOy5120UILwjxpgw-multimap-ameisenplage { width: 100%; padding-top: 100%; } @media (max-width: 600px) { .responsive23-UOy5120UILwjxpgw-multimap-ameisenplage { padding-top: 100%; } } @media (max-width: 360px) { .responsive23-UOy5120UILwjxpgw-multimap-ameisenplage { padding-top: 142.86%; } } Auch Werner Schulze von der Arbeitsgemeinschaft westfälischer Entomologen rät für den Moment zur Gelassenheit. Allerdings: Selbst wenn OWL bisher verschont geblieben ist, müssen solche Arten kontinuierlich beobachtet werden, denn &bdquo;auch in Deutschland stellen invasive Organismen ein ernstes Problem für Natur und Menschen dar“.

Wie sind die Ameisen nach Deutschland gekommen? Vermutlich über Pflanzentransporte. Ursprünglich kommen die potenziell invasiven Tapinoma-Ameisen aus dem Mittelmeerraum, die Funde in Gartencentern lassen darauf schließen, dass sich die Tiere in Topfpflanzen eingenistet haben. Vor allem mit Olivenbäumen aus Südeuropa werden immer wieder – auch potenziell invasive – Ameisengattungen nach Deutschland verschleppt, heißt es in der Übersichtsarbeit des Entomologischen Vereins Krefeld.

An wen kann ich mich wenden, wenn ich glaube, Tapinoma-Ameisen gefunden zu haben? Für Paderborn rät die Untere Naturschutzbehörde dazu, die zuständige Kommune zu kontaktieren – bei zu erwartenden Infrastrukturschäden zusätzlich den jeweiligen Grundstückseigentümer oder die Grundstückseigentümerin.

In Gütersloh rät der Fachbereich Umweltschutz, bei großen Kolonien im öffentlichen Raum, eine Meldung mit entsprechenden Fotos an umweltschutz@guetersloh.de zu senden.

Das Umweltamt der Stadt Bielefeld rechnet auf Basis des Bundesamtes für Naturschutz mit einer raschen Ausbreitung und rät Betroffenen, sich an Kammerjäger zu wenden.

Es gilt jedoch, die oben beschriebenen Merkmale genau zu prüfen und nicht in Panik zu geraten, zumal allen drei Städten bisher keine Meldung über Tapinoma magnum vorliegen.

Wie kann ich mich vor Befall schützen? Gar nicht. Betroffene in anderen Regionen versuchen, sich mit Schädlingsgiften zur Wehr zu setzen. Das ist aber für Privatpersonen keine gute Idee, denn unsachgemäßer Umgang hilft nicht gegen die Krabbelplage und schadet zusätzlich der Umwelt.

Auf privatem Gelände seien die Eigentümerinnen und Eigentümer selbst verantwortlich, heißt es aus dem Fachbereich Umweltschutz Gütersloh und dem Umweltamt Bielefeld – die Bekämpfung sei fachlich anspruchsvoll und sollte qualifizierten Firmen überlassen werden.

Mit heißem Wasser wurden in einigen Gebieten Erfolge erzielt, doch gerade gegen Superkolonien hilft das kaum. Sie implodieren irgendwann – womöglich, weil die Tiere wegen Inzucht zunehmend mangelnde Fitness aufweisen oder die Ressourcen in ihrer Umgebung erschöpft sind. Ein schwacher Trost, zumal dies 15 Jahre dauern kann.

Was tut die Politik in NRW gegen die Ausbreitung der Plage? Wenig. Eine Kleine Anfrage der FDP im nordrhein-westfälischen Landtag beantwortete Oliver Krischer, der grüne Minister für Umwelt, Naturschutz und Verkehr, im Mai zurückhaltend. Über schädliche Auswirkungen der Ameisenart auf die Umwelt sei – genau wie über ihre Bekämpfung – wenig bekannt, offiziell gilt sie darum lediglich als potenziell invasiv.

So finde derzeit auch kein Monitoring durch das zuständige Landesamt für Natur, Umwelt und Klima statt. An der Beteiligung an einem baden-württembergischen Forschungsprojekt zur Ausbreitung und Management der Plage hat NRW aber immerhin Interesse angemeldet.

Entomologe Werner Schulze sieht dringenden Handlungsbedarf, nicht nur im Hinblick auf Ameisen, sondern auch auf invasive Pflanzenarten, die durch Gartencenter und private Gärten nach Ostwestfalen kommen. Ihn überrascht, &bdquo;dass die zum Teil verantwortlichen Verwaltungen dieser Problematik recht nachlässig bis tatenlos zusehen“.

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