Kilian aus Hüllhorst bekommt seine dritte Spenderniere vor dem 18. Geburtstag

Hüllhorst. Als Kilian Henze im Sommer 2007 zur Welt kommt, steht es schlecht um ihn. Aufgrund einer Nierenerkrankung müssen ihm beide Organe nach der Geburt entfernt werden. In seiner Heimatstadt Halle (Saale) wissen die Ärzte nicht weiter und seine Eltern kümmern sich nicht. Die Medizinische Hochschule Hannover übernimmt den jungen Patienten, schwer krank und allein. Eine Entscheidung, die alles verändert, denn in Hannover trifft Kilian Familie Kartelmeyer aus Hüllhorst (Kreis Minden-Lübbecke) und plötzlich ist nichts mehr so, wie es war. Zu seinem 18. Geburtstag erzählt Kilian von seinem bewegten Leben und drei erfolgreichen Nierentransplantationen.

Ursula und Uwe Kartelmeyer lernen Kilian als elf Monate altes Baby kennen, als sie um das Leben ihres Sohnes Tobias bangen. &bdquo;Tobias war auch nierenkrank und erhielt 2008 als 16-Jähriger eine Spenderniere in Hannover. Dort lag er erst im Zimmer neben Kilian und später teilten sich die beiden eins“, erklärt Ursula Kartelmeyer. Tobias setzt sich immer wieder an das Bett seines Zimmernachbarn. &bdquo;Irgendwann sagte er mir: Mama, ihr müsst euch um ihn kümmern.“ Das ist dringend nötig. &bdquo;Er wurde am Leben erhalten, aber mehr nicht. Seine Eltern haben ihn verstoßen.“

Die Kartelmeyers informieren sich bei Ärzten in Hannover, nehmen Kontakt zum Jugendamt auf und entscheiden sich schließlich 2008 Kilian als Pflegesohn aufzunehmen. &bdquo;Es gab schon einen Platz im Kinderheim für ihn, aber das konnten wir verhindern“, sagt Uwe Kartelmeyer. Kilian lebt danach mit seinen Pflegeeltern und seinen Geschwistern Tobias, Stephan und Julia in Hüllhorst. &bdquo;Es ist ein Glücksfall für uns, dass Kilian in unser Leben getreten ist.“

Auf den Schulabschluss folgt der erste Job Dank der Fürsorge der Kartelmeyers findet Kilian so nach seinem schweren Start ins Leben ein liebevolles Zuhause. Wer die Familie beobachtet, merkt schnell, wie glücklich sie zusammen sind. &bdquo;Ich bin sehr froh, dass ich so tolle Eltern habe“, erklärt der 18-Jährige, der vor wenigen Tagen seinen Abschluss an der Schule am Weserbogen, einer Förderschule in Bad Oeynhausen, gefeiert hat, und ab August in den Lübbecker Werkstätten arbeiten wird. &bdquo;Ich freue mich drauf. Das ist mein erster Job.“ In seiner Freizeit spielt Musik eine große Rolle in seinem Leben. &bdquo;Ich singe und tanze gerne und höre viel Musik. Am liebsten Helene Fischer.“

Selbstverständlich ist diese Entwicklung nicht, denn als die Kartelmeyers Pflegeeltern werden, sind die Prognosen von Kilian schlecht. &bdquo;Es hieß, dass er nie laufen oder ein normales Leben führen wird. Doch Kilian hat allen das Gegenteil bewiesen“, sagt Uwe Kartelmeyer. &bdquo;Wir sind sehr stolz auf ihn.“ Leicht waren die vergangenen Jahre jedoch nicht. 2017 stirbt Tobias in Folge eines Lungenüberdrucks. &bdquo;Tobias wurde nur 24 Jahre alt. Er kam an einem Donnerstag ins Krankenhaus und starb völlig unerwartet zwei Tage später.“ Ein Erlebnis, dass die Familie in ihrer großen Trauer noch mehr zusammenschweißt. &bdquo;Wir haben uns gegenseitig Kraft gegeben.“

56 Tabletten am Tag, aber nur 700 Milliliter Wasser Die ist dringend nötig, denn auch Kilian geht es gesundheitlich immer wieder sehr schlecht. &bdquo;Es war hart, körperlich und geistig. Ich hatte oft Angst“, sagt Kilian, der aufgrund des fetalen Alkoholsyndroms und der Nierenerkrankung Pflegegrad 4 hat. Eine Erkrankung, die durch Alkoholkonsum während der Schwangerschaft verursacht wird und zu physischen und psychischen Schäden führt. &bdquo;Ich benötige in vielen Bereichen Unterstützung. Meine Eltern helfen mir dabei.“

Aufgrund seiner Nierenerkrankung ist er zudem über viele Jahre auf Dialyse angewiesen. &bdquo;Als Kleinkind haben wir ihn fünfmal am Tag mit einer Bauchfelldialyse zu Hause versorgt“, erklärt Ursula Kartelmeyer. &bdquo;Zuletzt musste Kilian dreimal die Woche für fünf Stunden nach Hannover zur Dialyse. Eine sehr kräftezehrende Zeit.“ 2009 und 2016 erhält Kilian Spendernieren. &bdquo;Doch 2024 ging es ihm wieder sehr schlecht, sodass schnell klar war, dass er erneut transplantiert werden muss“, erklärt Uwe Kartelmeyer. &bdquo;Er wog nur noch 47 Kilogramm und musste 56 Tabletten am Tag nehmen, obwohl er nur 700 Milliliter Wasser trinken durfte.“

Dritte Nierentransplantation droht zu scheitern Die dritte Nierentransplantation droht 2024 jedoch zu scheitern, weil die Medizinische Hochschule Hannover Kilian als nicht transplantabel einstuft. &bdquo;Wir waren geschockt. Kilian war dringend auf ein Spenderorgan angewiesen“, sagt Uwe Kartelmeyer. Hintergrund ist, dass sich die Familie für einen Wechsel an die Universitätsklinik Essen entscheidet. &bdquo;Kilian wurde in Hannover immer gut versorgt, aber zuletzt haben wir uns nicht mehr wohlgefühlt. Das Vertrauensverhältnis war kaputt und die Ärzte und Pfleger, die sich seit Jahren um Kilian kümmern, sind auch nach Essen gewechselt.“

Um gegen die Entscheidung der Hochschule vorzugehen, suchen sich die Kartelmeyers Hilfe bei der Herforder Rechtsanwältin Erika Leimkühler. &bdquo;Ich habe der Hochschule mit einem außergerichtlichen Aufforderungsschreiben Druck gemacht und innerhalb von fünf Tagen wurde Kilian als transplantabel eingestuft“, erklärt Leimkühler. Wenige Monate später erhält Kilian seine dritte Spenderniere. &bdquo;Ich bin froh, dass wir das schnell außergerichtlich klären konnten, damit Kilian noch vor seinem 18. Geburtstag transplantiert werden konnte. Denn Kinder, die auf der Warteliste für eine Organtransplantation stehen, haben Vorrang.“

Familie hofft auf die Widerspruchslösung Die Geschichten von Kilian und Tobias zeigen nach Angaben Leimkühlers sehr eindrücklich, wie wichtig es ist, dass sich jeder Mensch zu Lebzeiten mit dem Thema Organspende auseinandersetzt. Auch Familie Kartelmeyer hofft, dass sich die Organspenderzahlen in Deutschland in Zukunft verbessern werden. &bdquo;Es ist dringend nötig, dass die Widerspruchslösung eingeführt wird. In Deutschland müssen Kinder bis zu vier Jahre auf eine Spenderniere warten und Erwachsene zehn Jahre“, erklärt Ursula Kartelmeyer. &bdquo;Jeder kann in die Situation kommen; auf ein Spenderorgan angewiesen zu sein.“

Kilian und seine Eltern hoffen nun, dass die dritte Spenderniere lange funktionieren wird. Doch selbst wenn nicht, weiß die Familie, dass sie auch die nächste Herausforderung meistern wird. So wie in den vergangenen 18 Jahren auch.

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