Bielefelder Arzt wehrt sich gegen Abtreibungsverbot – Petition erreicht 143.000 Menschen

Bielefeld/Lippstadt. In Deutschland führen immer weniger Ärzte und Einrichtungen Schwangerschaftsabbrüche durch. Die Versorgung von Frauen hat sich dadurch verschlechtert, weil sie längere Wege in Kauf nehmen und mitunter ins Ausland ausweichen müssen, um rechtzeitige und adäquate Hilfe zu erhalten. In der Region ist mit der Fusion des evangelischen Krankenhauses Lippstadt mit katholischen Kliniken zum Klinikum Lippstadt ein weiterer Standort für Schwangerschaftsabbrüche weggebrochen. Der Leiter der Frauenklinik will sich damit nicht abfinden. Der Bielefelder Gynäkologe Joachim Volz klagt gegen seinen Arbeitgeber und kämpft mit einer Petition gegen die Kriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen – mit einer überwältigenden Resonanz.

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich strafbar. Unter bestimmten Voraussetzungen gelten jedoch Ausnahmen. Straffrei sind Abbrüche, wenn sie nach den Vorgaben der sogenannten Beratungsregel bis zur 14. Schwangerschaftswoche durchgeführt werden oder auch später, wenn eine medizinische oder kriminologische Indikation vorliegt. &bdquo;Doch obwohl das Gesetz Abbrüche ausdrücklich erlaubt, dürfen mein Team und ich unsere Patientinnen selbst dann nicht mehr versorgen, wenn die Fortsetzung der Schwangerschaft eine schwerwiegende Gefahr für ihre Gesundheit bedeutet“, erklärt Joachim Volz.

Dieses Verbot gilt seit Februar für Volz und sein Team, das bis dahin Schwangerschaftsabbrüche nach medizinischer Indikation durchführen durfte. Seit der Fusion des evangelischen Krankenhauses Lippstadt mit dem Dreifaltigkeits-Hospital Lippstadt und dem Marien-Hospital Erwitte zum Klinikum Lippstadt dürfen Abbrüche nur noch dann durchgeführt werden, wenn Lebensgefahr für die Schwangere besteht. Seit der Fusion gilt katholisches Kirchenrecht. &bdquo;Die Entrüstung ist in der gesamten Klinik groß, vor allem aber in meinem Team, das betroffene Frauen und ihre Familien bislang mit so viel Expertise, Engagement und Einfühlungsvermögen versorgt hat“, erklärt Volz.

Arbeitgeber will Abbrüche auch in Bielefelder Praxis verbieten Das Dekret seines Arbeitgebers in Lippstadt gilt für den Gynäkologen auch in seiner Praxis für Reproduktionsmedizin in Bielefeld. &bdquo;Ich soll meine Patientinnen im Stich lassen und sie kilometerweit wegschicken, obwohl ich helfen könnte. Das kann ich nicht akzeptieren.“ Der 67-Jährige will arbeitsrechtlich klären lassen, ob ihm das Klinikum Lippstadt an all seinen Wirkungsstätten Abbrüche untersagen darf. Der erste Gütetermin im April endete ohne Einigung. &bdquo;Nun geht es mit meiner Klage am 8. August vor dem Arbeitsgericht Lippstadt weiter. Sollte es nötig sein, bin ich gewillt, diesen Weg auch durch weitere Instanzen zu gehen.“

Das Klinikum Lippstadt äußert sich mit Verweis auf das laufende Verfahren nicht. Nach Angaben von Sprecherin Susanne Musga gelte weiterhin eine Mitteilung von Mai, in der das Klinikum erklärt, dass die neuen Vorgaben Ergebnis einer monatelangen Zusammenarbeit für die Fusion sind, um die Versorgung von jährlich 100.000 Patienten zu sichern. &bdquo;In der sensiblen Frage eines möglichen Schwangerschaftsabbruchs werden wir unsere Patientinnen weiterhin vertrauensvoll, respektvoll und verantwortungsbewusst begleiten“, heißt es weiter. Für die Eingriffe müssten die Frauen jedoch an andere Kliniken verwiesen werden.

Fusionen in der Kliniklandschaft schaden der Versorgung von Frauen Volz moniert, dass aus Sicht des katholischen Trägers jede Beendigung einer Schwangerschaft Mord ist. &bdquo;Somit wären mein Team und ich Mörder. Das sind wir natürlich nicht, wir begleiten Menschen in ihren verletzlichsten Momenten – bei unerfülltem Kinderwunsch, oder wenn eine Schwangerschaft nicht mehr tragbar ist. Dazu braucht es medizinische Kompetenz, ethisches Feingefühl und vor allem großes Vertrauen.“

Volz ist kein Einzelfall in Deutschland. &bdquo;Durch die Übernahme von Krankenhäusern durch katholische Träger wird die ohnehin schon bestehende Lücke in der Gesundheitsversorgung von Frauen immer größer“, warnt Volz. &bdquo;Selbst bei schweren Fehlbildungen des Fötus, Schwangerschaften nach Vergewaltigungen oder bei erheblichen gesundheitlichen Risiken für die Frauen sollen ich und viele andere Ärzte nicht mehr helfen dürfen. Das widerspricht unseren Gesetzen, weil es unterlassene Hilfeleistung ist.“

Mehr als 143.400 Menschen unterstützen die Petition Um Öffentlichkeit für diese Missstände zu schaffen, hat Volz am 15. Juli eine Petition auf der Plattform &bdquo; Innn it“ gestartet. Nur neun Tage später haben bereits mehr als 143.400 Unterstützer unterschrieben. &bdquo;Ich freue mich sehr über dieses starke Zeichen aus der Bevölkerung, denn es zeigt, wie viele Menschen das Thema bewegt.“ Volz fordert in seiner Petition ein Ende religiöser Vorschriften in Krankenhäusern und die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. &bdquo;In der Medizin sollte die Patientin im Austausch mit ihren Ärzten das letzte Wort haben und nicht ein katholischer Moralapparat, der sich über die Betroffenen und die Gesetze hinwegsetzt.“

Aus diesem Grund sieht Volz auch den Bedarf für eine Neuregelung des Paragrafen 218 im Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland unter Strafe stellt. &bdquo;Das ist ein Paragraf gegen Ärzte, der nicht rechtmäßig ist. Wo persönliche Zumutbarkeit und individuelle Entscheidung ausschlaggebend sind, kann kein allgemeiner Straftatbestand gerechtfertigt werden.“

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Arzt ist als CDU-Mitglied von seiner Partei enttäuscht Unterstützung für sein Engagement erlebt Volz in seinem Alltag. &bdquo;Im Umfeld der Klinik und meiner Praxis erlebe ich zu 100 Prozent Zustimmung. Auch von Politikern der SPD und Grünen aus der Region.“ Als Mitglied der CDU in Bielefeld zeigt sich Volz von seiner Partei enttäuscht. &bdquo;Ich erhalte nicht einmal Rückmeldungen.“

Offenbar sei das Thema Schwangerschaftsabbrüche in seiner Partei vermintes Gebiet, insbesondere nach der öffentlichen Diskussion um die Juristin Frauke Brosius-Gersdorf vor der verschobenen Wahl neuer Verfassungsrichter im Bundestag, vermutet Volz. &bdquo;Es berührt mich sehr, dass die so wichtige gesellschaftliche Diskussion um Schwangerschaftsabbrüche von rechten Hetzkampagnen missbraucht wird, um unliebsame Kandidatinnen wie Frauke Brosius-Gersdorf als Richterin zu verhindern“, sagt Volz. &bdquo;Auch deshalb ist meine Petition wichtig, weil wir jetzt mehr denn je die Mitte der Gesellschaft brauchen, um dagegen aufzustehen.“

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