Das Schicksal der tödlich verunglückten Ex-Biathletin Laura Dahlmeier bewegt die Menschen. Seit die mehrmalige Goldmedaillengewinnerin am Montag bei einer Expedition am Leila Peak im pakistanischen Karakorum-Gebirge durch einen Steinschlag tödlich verletzt wurde, steht auch das Telefon des Alpinisten Jost Kobusch nicht mehr still. Der Bergsteiger aus Borgholzhausen stand im Austausch mit Dahlmeier, in der Vergangenheit hatte sie ihm eines ihrer Bücher mit einer persönlichen Widmung geschenkt.
Die Gefahr eines Steinschlags lauere überall. Der Profi-Bergsteiger erklärt: „Berge sind nicht immer solide und durch Witterung, Wind und Temperaturschwankungen angegriffen – einige Berge sind einzige Schotterhaufen.“ Steine oder Geröll können sich jederzeit lösen und eine Steinlawine auslösen. „An einer steilen Felswand kann man dem leichter ausweichen, indem man sich ganz eng an die Wand drückt.“ In flacherem Gelände sei das deutlich schwieriger. Über die genauen Umstände im Fall Dahlmeier hat Kobusch jedoch keine Informationen.

„Eine Rettung aus dieser Situation ist immer schwierig, gerade in den Bergregionen in Nepal oder Pakistan, wo es eine klassische Bergrettung wie in den Alpen nicht gibt“, sagt Kobusch. Zwar gibt es dort private Helikopter, die Rettungen fliegen, allerdings nur bei Tageslicht und am Berg häufig nur mit einer sogenannten „Longline“ mit Karabiner, weil der Heli nicht landen kann. Kobusch selbst musste so eine Rettungsaktion vor zwei Jahren im Himalaja organisieren, der Rettungsflug startete ebenfalls erst am nächsten Tag. „Wenn aber lebenswichtige Organe verletzt sind oder gar der Kopf, dann bleiben nur wenige Stunden Zeit.“
Risiken gehören zum Sport dazu
Risiken wie diese gehören für den Profi-Bergsteiger aber zum Sport dazu. Über den Umgang mit diesen Risiken spricht Kobusch nicht nur mit anderen Alpinisten, sondern auch mit seiner Familie, die ihn kurz nach dem Unglück der Ex-Biathletin anrief. „Ich saß am Montag im Homeoffice hier in Chamonix am Fuße des Mont Blanc, als mich zuerst eine unbekannte Nummer anrief“, erzählt Kobusch. Es war die Redaktion eines deutschen Sportsenders, die ein Interview mit ihm zu Dahlmeiers Unglück führen wollte, von dem er bis dahin noch nichts gehört hatte. „Das war für mich natürlich ein Schock, und zuerst wollte ich es auch nicht wahrhaben.“ Doch inzwischen habe auch ihn die Realität eingeholt.
Persönlich habe er Dahlmeier nie getroffen, doch die Bergsteiger-Szene sei klein, und sie standen im Austausch. 2024 verpassten sie sich knapp am Kathmandu. „Ich habe Laura als jemanden kennengelernt, der eher konservativ in Sachen Risiko war“, sagt der gebürtige Bielefelder. Oft seien es Männer, die am Berg deutlich risikofreudiger seien.
Leichen-Verfügung ist richtig und wichtig
Dass Dahlmeier eine schriftliche Verfügung unterzeichnet hatte, dass für ihre Rettung oder die Bergung ihrer Leiche niemand sein Leben riskieren solle, findet er richtig und wichtig. „Ich stimme da voll zu, im Zweifel ist es nur mein Körper, für den niemand sein Leben riskieren soll“, sagt Kobusch. „Alle wissen, dass das Risiko groß ist. Unter Bergsteigern herrscht eine stillschweigende Übereinkunft, dass es im Falle des Falls keinen Sinn macht, dass beide sterben.“
Nur verschriftlicht haben es die wenigsten. „Weil wir natürlich nicht davon ausgehen, dass etwas passiert“, sagt Kobusch. Diese Einstellung macht den Alpinismus aus. „Es ist der Aufbruch ins Unbekannte und die Kunst des Überlebens, und das ist schon immer mit einem Risiko verbunden gewesen“, sagt der Borgolzhausener. Daran werde sich auch nach Dahlmeiers Tod nichts ändern.