Wie OWLs Bademeister um die Sicherheit in Freibädern kämpfen

Minden/Hövelhof. Noch ist unklar, welche Umstände zu dem tragischen Badeunfall am Montag im Freibad Höxter geführt haben. Hier wurde ein Elfjähriger leblos aus dem Becken gezogen. Sein Zustand ist nach wie vor kritisch, die Ärzte der Uniklinik Göttingen kämpfen weiter um sein Leben. Es ist ein Vorfall, der bei Angestellten der Bäder in OWL große Betroffenheit auslöst. Gleichzeitig blicken viele von ihnen ohnehin schon lange mit Sorge auf die Entwicklungen in ihrem Arbeitsalltag. Denn nur ihrem unermüdlichen Einsatz sei es zu verdanken, dass täglich auch in den überwachten Bädern nicht Schlimmeres passiere.

Es ist eine fatale Mischung, die das Personal in den Bädern in Atem hält: Immer weniger Kinder auch im höheren Grundschulalter können sicher schwimmen. Das zeigen alarmierende Zahlen der DLRG. Und immer weniger Eltern passen gut auf diese Kinder auf: Sie lassen sie unbeaufsichtigt durchs Bad laufen oder kommen teilweise nicht mal mit. Teilweise stehen in den Bädern OWLs schon Kinder unter fünf Jahren an der Kasse, begleitet nur von 12-jährigen Geschwistern, die im Bad aufpassen sollen. All das schafft eine Gemengelage, die den Arbeitsalltag für das Personal der Bäder stark belastet.

Im Melittabad in Minden muss das Team an manchen Tagen rund 900 Besucher im Blick behalten. Immer häufiger müssen die Mitarbeiter, statt die Wasserfläche genau zu beaufsichtigen, aber Diskussionen und Auseinandersetzungen mit Eltern führen. &bdquo;Dann flitzen hier Dreijährige ohne Schwimmflügel und ohne Aufsicht am Beckenrand lang“, sagt Badleiterin Jennifer Meyer. Spricht sie die Eltern an, kommt der Satz &bdquo;Sie haben nicht zu bestimmen, wie ich mein Kind erziehe“.

Schwimmmeisterin aus Minden hat bereits zwei Kinder reanimiert Aus diesem Grund haben Meyer und ihr Team ein strenges Regelwerk eingeführt, allem voran ein Handyverbot. &bdquo;Wir können nicht alles sehen. Deshalb müssen wir Gefahrensituationen im Vorfeld erkennen und entschärfen.“ Immer wieder gibt es deshalb schlechte Bewertungen bei Google. Das sieht Meyer gelassen. &bdquo;Für mich zeigt das vor allem eins: Wir als Team ziehen alle an einem Strang und funktionieren gemeinsam gut.“

Was es mit den Rettern macht, wenn es doch zum Schlimmsten kommt, hat die Badleiterin selbst schon mehrfach erlebt. Dreimal musste sie bislang Menschen reanimieren. Einmal einen erwachsenen Passanten in einer Fußgängerzone – und zweimal Kinder, die in einem Bad fast ertrunken wären, einmal vier, einmal sieben Jahre alt. &bdquo;Das macht etwas mit einem, das vergisst man nicht.“ Meyer machte das mit sich aus, zog keine psychologische Hilfe hinzu. &bdquo;Da muss jeder seinen Weg finden.“ Sie kennt aber auch Kollegen, die dem Beruf nach einem solchen Vorfall den Rücken gekehrt haben.

Um die Badegäste, aber auch das Personal bestmöglich zu schützen, hat das Sennebad in Hövelhof aufgerüstet. Als eines von wenigen Bädern in NRW wird hier Künstliche Intelligenz zum Beaufsichtigen der Becken eingesetzt. Verzeichnen die Kameras ungewöhnliche Bewegungen im Wasser oder plötzlichen Stillstand von Körpern, geben sie Alarme auf die Telefone des Schwimmpersonals. Die sehen auf Bildschirmen, in welchen Teilen welcher Becken sie gucken gehen müssen.

Sennebad in Hövelhof nutzt Künstliche Intelligenz Bislang gab es ausschließlich Fehlalarme. &bdquo;Das passiert immer im Kursbecken, weil die Leute hier gern die Füße ruhig an die Massagedüsen halten“, sagt die Fachangestellte Judith Brüggemeier. &bdquo;Das verzeichnet die KI als möglichen Ertrinkenden, der regungslos im Wasser treibt.“ Für sie ist es mittlerweile ein gutes Gefühl, dass sie Technik im Rücken hat. &bdquo;Gerade wenn viel los ist, oder der Sonneneinfall für uns von draußen für Spiegelung auf dem Wasser sorgt, sehen die Kameras unter Wasser alles. Das ist schon eine gute Unterstützung.“

Doch KI hin oder her, auch in Hövelhof gibt es ein strenges Regelwerk. Kinder, die nicht sicher schwimmen, dürfen hier nur mit Begleitung der Eltern ins Wasser, auch ein Sitzen am Beckenrand lassen die Mitarbeiter nicht gelten. Und sieht Brüggemeier Kinder, die ohne ihre Eltern im Bad sind, lässt sie sich in jedem einzelnen Fall die Schwimmkünste vorführen. &bdquo;Wer mich nicht überzeugt, geht nach Hause.“ Immer wieder muss sie Eltern zudem darauf hinweisen, dass sie ihr Kind und nicht das Smartphone im Blick behalten sollen.

DLRG: Immer weniger Menschen können schwimmen Bei der DLRG Westfalen ist man sich der gesamten Problematik voll bewusst. &bdquo;Und der Trend gilt nicht nur für Kinder. Immer weniger Menschen können schwimmen“, sagt Sprecher Sven Jeck. Die Ertrinkungsstatistik gibt das in Zahlen wieder: Erstmals seit 2019 ertranken in Deutschland wieder mehr als 400 Personen, allein 80 von ihnen im August, insgesamt waren 14 Kinder unter zehn Jahren unter den Opfern.

Grundsätzlich geht die DLRG davon aus, dass 20 Prozent der Kinder die Grundschule verlasse, ohne überhaupt schwimmen zu können, sogar die Hälfte, so die Schätzung, könne nicht sicher schwimmen. Der Hintergrund: zu wenig Wasserflächen, zu wenig Schwimmkursangebot. &bdquo;Und wir stellen auch immer wieder fest, dass Schwimmenlernen eine Geldfrage ist“, sagt Jeck.

DLRG startet Plakatkampagne wegen verantwortungsloser Eltern Auch die nachlassende Aufsicht von Eltern ist bei der DLRG ein Thema. Deshalb gibt es jetzt eine bundesweite Kampagne, die auf 7.000 Werbeflächen in mindestens 13 Großstädten zu sehen sein wird. Darauf warnt die DLRG eindringlich vor der Gefahr Wasser – und mahnt die Eltern zur Verantwortung. Unter dem Bild eines Teddys auf einem Autositz steht da zum Beispiel: &bdquo;Leon freute sich aufs Schwimmbad. Jetzt ist sein Platz auf dem Rücksitz leer. DU bist die Aufsicht.“

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In den Augen von allen Experten ist den Problemen nur mit Prävention, Aufklärung und Schwimmkursen beizukommen. Eine Verpflichtung für Schwimmabzeichen oder die Vorlage entsprechender Abzeichen für den Einlass in die Bäder lehnen alle Fachleute hingegen klar ab. &bdquo;Damit treiben wir die Menschen aus den Bädern und an die unsicheren Badeorte wie Flüsse oder Seen, wo es dann auch keine Überwachung durch Rettungsschwimmer gibt“, sagt Bundessprecher Martin Holzhause. &bdquo;Genau das wollen wir nicht. Denn in Flüssen und Seen verzeichnen wir die meisten Badetoten.“

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