Minus 20 Prozent: Preise für Gemüse sinken, doch das kommt nicht immer bei Verbrauchern an

Bielefeld/Berlin. Der Verkauf von Getreide und Gemüse ist für Landwirte in diesem Jahr ein schwieriges Geschäft. Die Erzeugerpreise für pflanzliche Produkte sind nach Angaben des Statistischen Bundesamtes im Juni im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 20 Prozent gesunken, bei Kartoffeln sogar um 64 Prozent. Die Angebote der Supermärkte zeigen aktuell, dass die Handelsunternehmen zumindest einen Teil der betroffenen Produkte günstiger anbieten. Allerdings warnt die Verbraucherzentrale Kunden vor zu viel Hoffnung auf sinkende Lebensmittelpreise. Im Schnitt haben die Verbraucherpreise im Juli um zwei Prozent zum Vorjahresmonat angezogen.

Der Einfluss der Erzeugerpreise auf die Verbraucherpreise verläuft nach Angaben der Verbraucherzentrale nämlich nicht immer direkt und linear, &bdquo;da viele weitere Faktoren wie Verarbeitung, Transport, Marketing und die Marktmacht des Einzelhandels eine Rolle spielen“, erklärt ein Sprecher. Die Verbraucherschützer verweisen auf die Preisentwicklung der vergangenen fünf Jahre: Demnach sind die Lebensmittelpreise insgesamt um 36,6 Prozent angestiegen. &bdquo;Das ist eine erhebliche Belastung für Haushalte.“

Die Diskrepanz zwischen der Preisentwicklung für Erzeuger und Verbraucher zeigen auch die Erzeugerpreise im Juni: Während die Preise für pflanzliche Produkte gesunken sind, sind die Preise für tierische Produkte innerhalb eines Jahres um 12,5 Prozent gestiegen, für Milch sogar um 17 Prozent. Trotzdem kündigte Lidl Ende Mai die größte Preissenkung in seiner Geschichte an. Insgesamt sollten mehr als 500 Artikel dauerhaft im Preis gesenkt werden, regional um bis zu 35 Prozent. Aldi, Edeka, Netto, Kaufland und Rewe reagierten mit Erklärungen, dass sie ebenfalls die Preise senken würden. Zu ihrer Preisgestaltung äußern sich die Unternehmen auf Anfrage nicht.

Verbraucherschützer kritisieren Preispolitik der Supermärkte als Blackbox Die Verbraucherzentrale kritisiert jedoch, dass in Deutschland niemand weiß, wie die Preise im Supermarkt entstehen, da es im Gegensatz zu anderen europäischen Ländern keine Preisbeobachtungsstellen gibt, die die Preise vom Acker bis in das Supermarktregal erfassen. &bdquo;Die hohen Preise lassen sich nicht allein durch höhere Produktionskosten erklären. Sie gleichen einer Blackbox“, moniert Vorständin Ramona Pop. &bdquo;Die hohen Umsätze der Lebensmittelindustrie geben Anlass zur Vermutung, dass hier auf Kosten von Verbrauchern Kasse gemacht wird. Eine gesunde Ernährung wird immer mehr zu einer Frage des Geldbeutels.“

Kritik üben auch die Landwirte in OWL. &bdquo;Wichtig ist eine faire Partnerschaft, denn natürlich benötigen wir die Vermarktung über die Supermärkte, da die Direktvermarktung über die Höfe begrenzt ist“, sagt Antonius Tillmann, Vorsitzender des westfälisch-lippischen Landwirtschaftsverbandes in OWL. Die Produktion hochwertiger Lebensmittel habe jedoch ihren Preis, vor allem mit Blick auf Tierwohl, Nachhaltigkeit und Umweltschutz. &bdquo;Auch die Supermärkte bekennen sich öffentlich dazu.“

Kartoffelbauern stehen aktuell besonders unter Druck Steigende Erzeugerpreise wie aktuell für Milch und Fleisch sind nach Angaben Tillmans jedoch nicht automatisch Treiber der Verbraucherpreise. Das gelte umgekehrt auch für sinkende Preise, wie aktuell das Beispiel Getreide zeige. &bdquo;Die Getreidepreise sind schlecht. Für die Verbraucher wird Brot trotzdem nicht günstiger, weil in einem Brot lediglich Mehl im Wert von acht Cent steckt.“ In allen Bereichen dürften steigende Preise für Lohn und Energie nicht vergessen werden.

Für Druck sorgen nach Angaben des Warburger Landwirts auch deutlich günstigere Lebensmittel aus dem Ausland, wie zum Beispiel Kartoffeln aus Nordafrika. &bdquo;Dort werden Migranten ausgebeutet, um Lebensmittel möglichst günstig produzieren zu können. Arbeiter erhalten an einem Tag das, was bei uns pro Stunde verdient wird. Zudem wird nicht auf Umweltschutz oder Nachhaltigkeit geachtet.“ Da könne kein deutscher Landwirt mithalten, sagt Tillmann. &bdquo;Kartoffelbauern können in diesem Jahr nicht kostendeckend arbeiten, weil die Preise abgestürzt sind. Das gleichen auch Subventionen nicht mehr aus.“

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Diese Einschätzung bestätigt die Verbraucherzentrale und fordert Maßnahmen der Bundesregierung, um das zu ändern. Dazu zählen nach Angaben Pops die Einführung einer Preisbeobachtungsstelle entlang der Lebensmittelwertschöpfungskette und Steuervergünstigungen für gesunde Lebensmittel wie Gemüse und Obst. &bdquo;Bisher hat die Bundesregierung jedoch keine wirksamen Schritte unternommen, um dieser Entwicklung entgegenzuwirken“, moniert Pop. &bdquo;Die Senkung der Mehrwertsteuer für die Gastronomie kommt vor allem den Betrieben zugute, nicht jedoch den Verbrauchern.“

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